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Sicherheit: Debatte über Notbremsassistenten nach Busunfall auf A9

Sicherheit

Debatte über Notbremsassistenten nach Busunfall auf A9

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    Ein Anblick des Schreckens: Feuerwehrleute starren mit Entsetzen auf das ausgebrannte Wrack des Reisebusses, der aus Sachsen kam und auf dem Weg an den Gardasee nach Italien war.
    Ein Anblick des Schreckens: Feuerwehrleute starren mit Entsetzen auf das ausgebrannte Wrack des Reisebusses, der aus Sachsen kam und auf dem Weg an den Gardasee nach Italien war. Foto: Matthias Balk, dpa

    Der Busunfall mit 18 Toten in Nordbayern hat eine Debatte über sogenannte Notbremsassistenten ausgelöst. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erwägt, das Abschalten solcher Systeme in Omnibussen und Lastwagen zu verbieten. Der ADAC fordert strengere gesetzliche Vorgaben für deren Einsatz.

    Allerdings macht die Polizei noch keine Angaben dazu, ob der auf der Autobahn 9 bei Münchberg verunglückte Reisebus mit einem Notbremsassistenten ausgestattet war - geschweige denn, ob das System abgestellt war. Auch zum Stand der Verletzten gab es am Mittwoch kaum Neuigkeiten. 

    Dobrindt sagte: "Es ist richtig darüber nachzudenken, die Deaktivierung nicht mehr zu ermöglichen."In Omnibussen sei das Abschalten dieses Systems eher unüblich, in Lastwagen werde es hingegen oft getan, erläuterte Dobrindt. Für neu zugelassene Busse und Lkw sind Notbremsassistenten seit 2015 vorgeschrieben.

    Vor der Vollbremsung warnt das System

    Nach Ansicht des Verkehrswissenschaftlers Sören Hohmann vom Karlsruher Institut für Technologie sollten sie nicht komplett abschaltbar sein: "Man sollte in diesem Bereich nicht-ausschaltbare Systeme für das Manöver des letzten Augenblicks zulassen."Damit sei die letzte von drei Warnstufen gemeint, die eigentliche Vollbremsung. Gewarnt wird zunächst mit einem Piep- oder Hupton, danach mit leichter Verzögerungsbremsung. Die letzte Stufe, die Vollbremsung, soll ein Fahrer auf keinen Fall abschalten können.

    "Das ist auch eine gesellschaftliche Frage", sagte Hohmann. Zwar seien Warntöne vor der Vollbremsung störend für die Fahrer, die lange in ihrem Lastwagen oder Bus sitzen. "Auf der anderen Seite ist das ein Beruf, und die Zahl der Lastwagen auf der Straße nimmt zu."

    Zudem gibt es mehr Baustellen und damit potenzielle Staugefahren, wie eine ADAC-Sprecherin deutlich machte. Auf Jahresfrist sei deren Zahl um ein Fünftel gestiegen. Allerdings müsse etwa bei Lkw mit mehr als acht Tonnen das Tempo nur um zehn Stundenkilometer gedrosselt werden. "Im November 2018 kommt eine Verschärfung, dann müssen sie bis zu 20 Stundenkilometer verringern können", sagte die Sprecherin. "Ein Bus fährt bis zu 100 Stundenkilometer. Bei der Masse, die da kommt, reicht das nicht." 

    Drei Menschen sind weiterhin in Lebensgefahr

    Am Montag hatte sich auf der A9 ein Stau gebildet, als der Reisebus auf einen Sattelzug auffuhr und Feuer fing. 18 Menschen starben, 30 wurden verletzt. Von den Überlebenden kamen 26 aus Sachsen und 4 aus Brandenburg. Der Großteil der Verletzten ist nach Angaben des sächsischen Sozialministeriums inzwischen entlassen worden und wieder in der Heimat. Drei Menschen hatten lebensgefährliche Brandwunden erlitten. Ihr Zustand sei unverändert, sagte eine Polizeisprecherin.

    Schwere Busunfälle auf deutschen Autobahnen

    Juli 2017: Ein Reisebus fährt auf der A9 bei Münchberg auf einen Sattelzug auf und gerät in Brand. 48 Menschen waren in dem Bus, es gibt viele Verletzte und 18 Tote.

    Oktober 2015: Ein mit Schülern aus Sachsen besetzter Bus verunglückt auf der A4 bei Erfurt. Der Bus war nach einem Überholmanöver von der Straße abgekommen und umgekippt. Ein Junge stirbt.

    Dezember 2014: Bei einem Busunfall auf der A4 bei Bad Hersfeld in Hessen kommen fünf Menschen ums Leben. Der Bus war mit einem schlingernden Auto zusammengestoßen und eine Böschung hinabgestürzt.

    Juli 2014: Elf Menschen sterben, als auf der A4 bei Dresden ein Reisebus aus Polen auf einen ukrainischen Bus auffährt.

    Juni 2013: Ein Reisebus mit einer Schulklasse aus Polen an Bord fährt auf der A9 bei Ingolstadt in eine Böschung. Eine Frau stirbt, rund drei Dutzend Schüler werden verletzt.

    September 2010: 14 Polen sterben bei Berlin, als ihr Bus von einem Auto gerammt wird und gegen einen Brückenpfeiler kracht.

    November 2008: Nahe Hannover geht auf der A2 ein Reisebus wegen eines technischen Defekts in Flammen auf. 20 Mitglieder einer Reisegruppe auf dem Rückweg von einer Kaffeefahrt kommen ums Leben.

    Juni 2007: Auf der A14 zwischen Magdeburg und Dresden kommen 13 Insassen ums Leben. Ein Lastwagen war auf den Bus aufgefahren.

    Ein Verkehrsunfallsachverständiger und ein Brandsachverständiger seien mit den Ermittlungen betraut, die sich noch einige Zeit hinziehen dürften. Nach bisherigen Erkenntnissen gehen sie davon aus, dass der Busfahrer für den Unfall verantwortlich ist. Der 55-Jährige starb in den Flammen. Technische Mängel werden aber auch überprüft.

    Für die Sanierung des Autobahnabschnitts werde eine Fachfirma kommende Woche die Deckschicht der Fahrbahn auf einer Länge von 250 Metern abfräsen, berichtete die "Frankenpost"unter Berufung auf die Autobahndirektion Nordbayern. Dann werde eine neue Asphaltschicht auftragen. Ein genauer Termin für den Einsatz stehe noch aus.

    ADAC hält Bremssystem für Autos für noch nicht ausgereift

    Die Frage nach Notbremsassistenten stellt sich derweil ebenso Autofahrern. Auch für Pkw sei die flächendeckende Ausrüstung damit wünschenswert, sagte Forscher Hohmann. "Die Systeme sind ausgereift genug."Der ADAC sieht das anders: Ein Test ergab, dass die Sensoren beim Erkennen von Hindernissen gut funktionieren. Es gab aber Probleme bei nasser Fahrbahn und wenn bestimmte Sensoren abgedeckt waren - wie es etwa durch Laub oder Vogelkot passieren könnte. 

    Insgesamt kam der Autoclub zu dem Urteil, ein Notbremsassistent stelle neben dem elektronischen Stabilitätsprogramm den bestmöglichen Unfallschutz dar. "Deshalb sind die Hersteller aufgefordert, sie zuverlässig zu konstruieren und serienmäßig für alle Fahrzeugklassen anzubieten."Die Sprecherin sagte, die Systeme müssten ausgereifter werden. Laut ADAC sind knapp ein Viertel aller Unfälle in Deutschland mit Personenschäden Auffahrunfälle. "Rund 40 Prozent davon wären durch den Einsatz eines Notbremsassistenten zu vermeiden." dpa

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