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Prostitution: Immer mehr Prostituierte aus Osteuropa kommen nach Augsburg

Prostitution

Immer mehr Prostituierte aus Osteuropa kommen nach Augsburg

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    In Bordells und Terminwohnungen warten immer mehr junge Frauen auf Freier.
    In Bordells und Terminwohnungen warten immer mehr junge Frauen auf Freier. Foto: Oliver Berg (dpa)

    Sie sind gerade einmal 18 oder 19 Jahre alt und verkaufen schon ihren Körper. Immer mehr junge Prostituierte vor allem aus Rumänien, Ungarn und Bulgarien bieten ihre Dienste in Deutschland an. Ein Trend, den auch die Augsburger Polizei spürt. "Der Markt wächst", sagt der Leiter des Kommissariats 1 der Kriminalpolizei beim Präsidium Schwaben Nord, Helmut Sporer. "Zwei bis drei Mal die Woche stoßen wir auf solch junge Frauen."

    Ins Milieu gezogen werden sie meist von jungen Männern. Das Phänomen sei zwar so alt wie die Prostitution, sagt Sporer, doch es hat inzwischen einen neuen Namen bekommen: Loverboys. Die Männer versprechen den jungen Frauen viel und gaukeln ihnen große Gefühle vor. Sind die 18- oder 19-Jährigen erst einmal in die Falle getappt und haben sich emotional gebunden oder sogar verliebt, nutzen die Männer sie aus.

    Mit einer Mischung aus vermeintlicher Liebe und Gewalt machen die Zuhälter sie gefügig. Auch die Aussicht, viel Geld zu verdienen, einen regulären Job zu bekommen und die Drohung, alles den Eltern zu erzählen, wirken. Die Frauen werden in deutsche Bordells und Terminwohnungen gebracht und warten dort auf die Freier.

    Die Frauen werden einer Gehirnwäsche unterzogen

    Viel tun kann die Polizei nicht dagegen, erst recht nicht nach der Öffnung der Grenzen zu den östlichen Staaten der Europäischen Union. Da sie sich als EU-Bürger weder illegal hier aufhalten noch ihr Gewerbe illegal ist, müssten die Prostituierten den Beamten schon sagen, dass sie gegen ihren Willen festgehalten und zu etwas gezwungen werden, was sie nicht wollen.

    Doch das hören die Ermittler nur äußerst selten. Denn die Frauen werden geradezu einer Gehirnwäsche unterzogen, weiß Sporer. "Bei einer Kontrolle spielen sie dann eine Rolle, die ihre Zuhälter vorher mit ihnen eingeübt haben." Anklagen wegen Menschenhandels, auf den bis zu zehn Jahre Haft stehen, gibt es deshalb nur äußerst selten.

    Hinzu kommt, dass die Frauen in ihrem Heimatland meist schlechte Erfahrungen mit Polizisten gemacht haben und deshalb auch den deutschen Beamten nicht trauen. Die Polizisten und die Prostituierten hätten nur eine Chance, wenn sich in den Gesetzen etwas ändert, sagt Sporer.

    Deutsche sind kaum unter den jungen Prostituierten zu finden

    Dazu gehört die Abschaffung des sogenannten Weisungsrechts, also dass die Frauen im Auftrag von jemandem arbeiten. Wer seinen Körper verkaufen will, solle das nur noch als Selbstständige tun dürfen. Außerdem wäre es hilfreich, wenn wieder eine regelmäßige Gesundheitprüfung eingeführt würde. "Das dient dem Gesundheitsschutz der Frauen und ihrem allgemeinen Schutz, ermöglicht ihnen aber auch, noch Kontakt zur Außenwelt zu haben", betont Ermittler Sporer. Denn oft würden die Prostituierten regelrecht abgeschottet.

    Auch die Erhöhung der Altersgrenze auf 21 Jahre wäre wichtig, ist der Beamte überzeugt. Denn in diesem Alter würden die Frauen vieles anders sehen als mit 18 und seien nicht mehr so naiv, auf die Werber hereinzufallen - die oft auch an Diskotheken Ausschau nach neuen Opfern halten. Deutsche Frauen sind übrigens kaum darunter, denn der Wohlstand in der Bundesrepublik mache die Prostitution für die meisten Einheimischen uninteressant.

    Hingegen wird die Polizei mehr und mehr auf die jungen Osteuropäerinnen aufmerksam. Im vergangenen Jahr fielen den Augsburger Beamten mehr als 150 neue Frauen zwischen 18 und 21 Jahre im Milieu auf, darunter waren nur fünf Deutsche. Im Vergleich zum Vorjahr hatte sich die Zahl dieser Erstkontakte verdoppelt. Schließlich seien die noch wie Schulmädchen aussehenden Frauen bei vielen Männern beliebt. Immerhin wirke das Verbot des Straßenstrichs und auch Minderjährige seien nur äußerst selten darunter, erklärt Sporer.

    Die Hilfsorganisation Solwodi kümmert sich

    Was aber passiert mit den Frauen, wenn sie eine Zeit lang in Deutschland gelebt haben und vielleicht merken, dass ihnen der Zuhälter nur etwas vorgespielt hat? Es kommt zwar selten vor, doch in diesem Fall würden sie Hilfe von Solwodi bekommen. Die deutsche Hilfsorganisation kümmert sich inzwischen weltweit um Frauen in Not und ist auch in Augsburg aktiv. Bei ihrer Arbeit fällt den Beratungsstellen das Gleiche auf wie der Polizei: Der "Nachschub" an jungen Frauen aus dem Osten beschleunigt sich mehr und mehr.

    Aussteigerinnen kommen aber nur selten zu Soni Unterreithmeier von der Beratungsstelle in Augsburg, und nur ganz wenige aus eigenem Antrieb. Wenn überhaupt, dann vermittelt die Polizei den Kontakt. Denn die Frauen, die meist kein Deutsch können, wissen nicht einmal etwas von den Hilfsmöglichkeiten. Das soll sich zwar ändern, wenn Solwodi bald direkt auf die Prostituierten zugehen darf, aber der Weg bis zum Ausstieg ist schwierig.

    Denn dem Druck, den die Zuhälter ausüben, sind die meisten nicht gewachsen. Da die Prostitution in den meisten osteuropäischen Staaten verboten und verpönt ist, wollen die Frauen auf keinen Fall zu Hause erkannt werden. Doch oft fotografieren die Zuhälter sie in eindeutigen Posen und benutzen das Bild als Druckmittel Zudem bedrohen die Zuhälter nicht selten die Familien der jungen Frauen.

    Krankheiten werden zur Gefahr für die Frauen

    Schafft eine doch den Ausstieg, muss das nicht unbedingt bedeuten, dass sie in Sicherheit ist, sagt Unterreithmeier. Ohne Kontakte in Deutschland, wegen der fehlenden Sprachkenntnisse, ohne Aussicht auf einen Job und ohne Rückhalt zu Hause geraten die Frauen wieder in einen Abwärtsstrudel. Sind sie dann auch noch krank, wird es besonders schwierig. Was übrigens auch für noch aktive Prostituierte gilt. Wenn sie eine ansteckende Krankheit haben, weil Männer zunehmend ungeschützten Sex forderten, steige die Gefahr, "aussortiert zu werden". Und diese Krankheiten seien auf dem Vormarsch.

    Unterreithmeier ist es wichtig, dass die Politik erkennt, dass vor allem Ausländerinnen ihren Körper anbieten und das oft nicht freiwillig tun. Von einem gegenseitigen Einverständnis zwischen Kunde und Prostituierter, wovon das Gesetz inzwischen ausgehe, könne meist keine Rede sein. "Sie sollten sich registrieren und untersuchen lassen müssen", betont die Solwodi-Beraterin. Nur dann könnten sie zumindest darüber informiert werden, wie sie wieder aus dem Milieu herauskommen. Denn dass der Zustrom bald wieder abebbt, glauben weder Unterreithmeier noch die Polizei.

    Kontakt: Solwodi in Augsburg ist zu erreichen unter der Telefonnummer 0821/50876264.

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