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Medienpolitik: Die Politik streitet: Werden ARD und ZDF zu einem Sender?

Medienpolitik

Die Politik streitet: Werden ARD und ZDF zu einem Sender?

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    Schon im CSU-Grundsatzprogramm von 2016 wird gefordert: "Wir streben langfristig die Zusammenlegung von ARD und ZDF unter einem Dach an".
    Schon im CSU-Grundsatzprogramm von 2016 wird gefordert: "Wir streben langfristig die Zusammenlegung von ARD und ZDF unter einem Dach an". Foto: Marcus Brandt, dpa

    Wäre es nach dem ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow gegangen, wäre der monatliche Rundfunkbeitrag im Januar um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Haushalt gestiegen – und erst danach hätte man in der breiten Öffentlichkeit über eine Reform der öffentlich-rechtlichen Sender diskutiert. Es kam völlig anders: Ob und wann die Beitragserhöhung Realität wird, muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Und über eine Reform von ARD und ZDF wird intensiver diskutiert denn je – seitdem vor kurzem ein Papier der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), das ist eine einflussreiche Vereinigung von CDU und CSU, bekannt wurde.

    In dem Papier, das unserer Redaktion vorliegt, wird unter anderem eine Fusion vonARD und ZDF vorgeschlagen. Medienjournalisten bezeichneten das Papier wahlweise als "populistische Luftnummer“ oder als "revolutionär“. Wie auch immer: Es erhöht den Reformdruck auf die Sender – und dürfte im bevorstehenden Bundestagswahlkampf Wirkung entfalten. Zumal schon im CSU-Grundsatzprogramm von 2016 gefordert wird: "Wir streben langfristig die Zusammenlegung von ARD und ZDF unter einem Dach an.“

    Pschierer: Helene Fischer "muss nicht gebührenfinanziert sein"

    Vor einem Jahr noch hatte Bayerns Medienstaatsminister Florian Herrmann (CSU) im Gespräch mit unserer Redaktion gesagt, dass dies "im Moment sicherlich nicht oben auf unserer Agenda“ stehe. Das sieht inzwischen so mancher Politiker anders. Franz Josef Pschierer zum Beispiel, stellvertretender MIT-Bundesvorsitzender und CSU-Landtagsabgeordneter für den Stimmkreis Kaufbeuren. Er verweist zudem auf den Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zu dem auch Unterhaltung zähle. "Aber wenn ein nicht unerheblicher Teil des Programms aus Koch-, Rate- und Talkshows besteht, muss man das Ganze durchaus kritisch hinterfragen“, sagt er. "Ich habe persönlich nichts gegen Helene Fischer, aber solche Angebote müssen nicht gebührenfinanziert sein.“ Überdies gehörten die Gehaltsstrukturen und "die mehr als lukrativen Altersversorgungssysteme“ auf den Prüfstand. "Das Thema muss – unabhängig von der Bundestagswahl – auf den Parteitagen von CDU und CSU eine Rolle spielen“, fordert Pschierer.

    Helene Fischers Show läuft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
    Helene Fischers Show läuft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Foto: Britta Pedersen, dpa

    In den anderen im Landtag vertretenen Parteien – mit Ausnahme von AfD und FDP – hält man dagegen nichts von der Forderung nach einer Fusion von ARD und ZDF, insbesondere auch bei den mit der CSU regierenden Freien Wählern. "Die Freien Wähler sind der Meinung, dass eine solche Fusion keinen Sinn macht und der Demokratie schaden würde“, sagt ein Sprecher. "Die Forderung kommt nicht zur Unzeit, aber aus der Mottenkiste.“

    SPD und Grüne wollen keine Fusion

    Fusion: nein, Reformen: ja. So lassen sich die Positionen von Grünen und SPD zusammenfassen. Max Deisenhofer, medienpolitischer Sprecher der Grünen aus Krumbach, sprach mit Blick auf das MIT-Papier von einem "populistischen Wahlkampfgetöse“. Doch auch seine Partei will Reformen: "Wir Grüne kämpfen gerade in Zeiten von Fake News für einen leistungsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen genauen Auftrag wir aber gerne im Rahmen einer unabhängigen Expertenkommission debattieren und reformieren möchten.“ Auch Martina Fehlner, medienpolitische Sprecherin der SPD aus Aschaffenburg, hält "gar nichts“ von einer Fusion. Eine Fusion würde die Medienpluralität empfindlich einengen, sagt sie. "Zwei unabhängige Meinungen sind immer besser als nur eine.“

    Interessant die Position von Martin Hagen, des FDP-Fraktionsvorsitzenden. Er fordert "eine Fokussierung des Programms auf Information, Bildung und Kultur“. Und sagt weiter: "Die Frage, ob es mit ARD und ZDF zwei bundesweite Vollprogramme braucht, muss man ergebnisoffen diskutieren. Der Zeitpunkt dafür ist richtig: Man darf die Diskussion über noch mehr Geld für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht losgelöst von Fragen der Struktur und des Programmauftrags führen.“ Das Thema werde sicher im Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen.

    Vermutlich wird es auch zu einer weiteren Annäherung von FDP und Union beitragen. Am politischen Aschermittwoch hatte CSU-Chef Markus Söder der FDP Avancen gemacht – nach seinen Schwärmereien für Schwarz-Grün. Zumindest auf Bundesebene tritt er für eine Koalition der Union mit den Liberalen ein, sollte es dazu reichen.

    ARD und ZDF sollen sich auf ihre Kernaufgabe fokussieren

    Doch wird die CSU tatsächlich eine Fusion von ARD und ZDF vorantreiben? CSU-Medienstaatsminister Florian Herrmann will in seinen Reformforderungen nicht so weit gehen wie die Mittelstands- und Wirtschaftsunion, spricht aber von einigen Überschneidungen. Auf Anfrage betont er, dass sich die Staatsregierung für die Vermeidung von Doppelstrukturen und Förderung von Synergien bei ARD und ZDF stark mache. "Vor diesem Hintergrund ist eine Reform des Auftrags sowie der Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überfällig und kann nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden.“

    Wie öffentlich-rechtliche Sender in Europa finanziert werden

    In vielen europäischen Ländern gibt es ein öffentlich-rechtliches oder vergleichbares Rundfunksystem. Es wird oft durch Gebühren finanziert. Einige Beispiele:

    Schweiz: Die Rundfunkanstalt SRG - das Schweizer Pendant zu ARD und ZDF - wird überwiegend aus Gebühren finanziert. Jeder Haushalt, der ein Empfangsgerät für Radio und Fernsehen hat, muss sie zahlen. Bei einer Volksabstimmung im März 2018 entschieden sich die Schweizer gegen die Abschaffung der Gebühren.

    Österreich: Hier bezieht der öffentlich-rechtliche ORF Rundfunkgebühren. Jeder Haushalt muss für TV- und Radiogeräte eine Abgabe zahlen. Die Kosten variieren je nach Wohnort. 

    Dänemark: Noch werden Rundfunkgebühren pro Haushalt erhoben. Sie sollen aber vom nächsten Jahr an durch Änderungen am persönlichen Steuer-Freibetrag graduell ersetzt werden. 2022 sollen sie ganz abgeschafft sein.

    Großbritannien: Jeder Haushalt muss einen Festbetrag im Monat für die British Broadcasting Corporation (BBC) zahlen. Die Kosten für die TV-Lizenzen unterscheiden sich nach Farb- und Schwarz-Weiß-Geräten.

    Frankreich: Auch hier gehören Rundfunkgebühren zu den wichtigsten Einnahmequellen des öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie fallen für Geräte an, mit denen TV-Programme empfangen werden können und werden einmal im Jahr zusammen mit der Wohnsteuer berechnet.

    Niederlande: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird aus Steuermitteln finanziert. Die Rundfunkgebühr wurde im Jahr 2000 abgeschafft und durch eine erhöhte Einkommensteuer ersetzt.

    Ziel sei es, den Auftrag auf den Kern, also Information, Bildung und Kultur, zu fokussieren. "Außerdem wollen wir eine Reduzierung bei den staatsvertraglich festgeschriebenen bundesweiten Fernsehprogrammen und setzen insgesamt auf mehr Kooperation zwischen den beiden großen öffentlich-rechtlichen Sendergruppen ARD und ZDF im programmlichen wie im Verwaltungs- und Produktionsbereich.“ Langfristiges Ziel sei eine weitgehende Kooperation gerade im Digitalen, so Herrmann.

    Der MIT-Vorschlag für eine zentrale "Deutsche Medienanstalt“ überzeuge ihn nicht. Kritisch sehe er auch den Ansatz, Kultur in ARD und ZDF auf ein Basisangebot zu reduzieren. "Kultur gehört aus meiner Sicht zum Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“

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