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Kaufering: Karlheinz Schreiber: Der Mann der Schwarzgeld-Koffer wird 80

Kaufering

Karlheinz Schreiber: Der Mann der Schwarzgeld-Koffer wird 80

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    Karlheinz Schreiber Anfang 2013 im Landgericht Augsburg.
    Karlheinz Schreiber Anfang 2013 im Landgericht Augsburg. Foto: Marc Müller (dpa)

    Er ist der Mann, der mit seinen Enthüllungen einst die "Republik erschüttern" wollte. Dazu kam es zwar nicht, aber die Verbindungen des ehemaligen Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber in höchste Politikerkreise im In- und Ausland sind unbestritten.

    So lösten seine Parteispenden einen der größten Politikskandale der Bundesrepublik aus, und im Zuge der CDU-Spendenaffäre musste auch der frühere Parteichef, der heutige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, seinen Hut nehmen. Sogar ein Bundestags-Untersuchungsausschuss beschäftigte sich einst mit Schreibers Zahlungen und den schwarzen Kassen der CDU.

    Von Kiep bis Strauß: Urteile in der Schreiber-Affäre

    Walther Leisler Kiep hatte als CDU-Schatzmeister von Karlheinz Schreiber eine Million Mark als Parteispende entgegengenommen. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert hatten von Schreiber Schmiergeld kassiert und erhielten Bewährungsstrafen von 24 und 20 Monaten.

    Ludwig-Holger Pfahls: Der Ex-Rüstungsstaatssekretär hat sich von Schreiber mit 3,8 Millionen Mark schmieren lassen. Er wurde zu 27 Monaten Haft verurteilt.

    Max Strauß: Der Politikersohn erhielt 2004 wegen Steuerhinterziehung eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Nach der Revision wurde Strauß freigesprochen.

    Dieter Holzer wurde 2008 wegen Fluchthilfe für Pfahls zu neun Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.

    Karlheinz Schreiber wurde 2010 wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

    Ein weiteres Mal wurde Ludwig-Holger Pfahls im November 2011 verurteilt. Wegen Bankrotts und Steuerhinterziehung muss der frühere Spitzenpolitiker für viereinhalb Jahre ins Gefängnis.

    Dieter Holzer wurde im November 2011 verurteilt, weil er Pfahls nach Ansicht des Landgerichts Augsburg bei der Steuerhinterziehung half. Aufgrund seiner zwei offenen Bewährungen lautete das Urteil auf dreieinhalb Jahre Haft.

    Karlheinz Schreiber wird 2013 im Revisionsverfahren wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

    Am Dienstag wird der Mann, der schon zweimal vom Landgericht Augsburg wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurde, 80 Jahre alt. Doch Schreiber muss seinen runden Geburtstag nicht im Gefängnis feiern. Denn das Urteil gegen ihn ist noch nicht rechtskräftig und wird erneut den Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen. Bis dahin kann Schreiber mit seiner Frau im heimischen Kaufering, im oberbayerischen Landkreis Landsberg, in Freiheit leben. Das Oberlandesgericht in München hat vor wenigen Wochen den gegen Schreiber verhängten Hausarrest aufgehoben, nachdem schon im Jahr 2012 der Haftbefehl wegen Schreibers Herzproblemen außer Vollzug gesetzt wurde.

    "Das ist natürlich eine kolossale Erleichterung", betont Schreiber. Früher habe er für jeden Arztbesuch einzelne Anträge bei Gericht stellen müssen; jetzt müsse er sich nur noch zweimal die Woche bei der Polizei melden. "Das ist mühelos", sagt Schreiber.

    Im November war Schreiber zu sechseinhalb Jahren Gefängnis wegen Steuerhinterziehung von fast zehn Millionen Euro verurteilt worden. Hintergrund des Prozesses sind Geschäfte des Lobbyisten, die bis in die 1980er Jahre zurückreichen. Es ging unter anderem um die Lieferung von Fuchs-Spürpanzern an Saudi-Arabien. Schreibers Anwälte hatten argumentiert, ihr Mandant habe früher in Kanada gelebt und sei somit in Deutschland nicht steuerpflichtig gewesen.

    Das Verfahren wegen Bestechung des Ex-CSU-Rüstungsstaatssekretärs Ludwig-Holger Pfahls stellte die Strafkammer wegen Verjährung ein. Verteidigung und Staatsanwaltschaft haben Revision eingelegt, wie der erste Augsburger Urteilsspruch wird das Verfahren nun an Karlsruhe weitergegeben. Der Fall beschäftigt die Justiz nun bereits seit etwa 20 Jahren.

    Im Prozess wollte Schreiber etliche hochrangige Politiker als Zeugen vorladen - nicht nur Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) und Kanadas ehemaliger Premier Brian Mulroney standen auf der Liste. Das Augsburger Gericht lehnte diese Anträge zwar reihenweise ab, doch Schreibers Verbindungen bis in höchste Kreise der Wirtschaft und Politik sind unbestritten.

    Der frühere Unternehmer, der im Harz aufwuchs, kann ein munterer Plauderer und humorvoller Gesprächspartner sein. Pfahls beschrieb ihn einst so: "Schreiber war kein Intellektueller, aber ein psychologischer Typ." Er könne gestresste Menschen auf andere Gedanken bringen. "Deshalb hat er auch Zugang zu Franz Josef Strauß gehabt." Aber Schreiber ist in erster Linie ein Taktiker.

    Schreiber drohte immer mit Enthüllungen

    In der Vergangenheit drohte er immer wieder mit spektakulären Enthüllungen. Seine ehemaligen politischen Freunde aus der Union warnte er: "Ich werde denen noch 'ne Schlacht liefern, da können die sich drauf verlassen." In den Prozessen gab es allerdings nicht viel mehr als nicht belegbare Anschuldigungen. In dem jüngsten Verfahren verlas Schreiber eine entsprechende 107 Seiten lange Erklärung.

    Der Fall Schreiber: eine Chronologie

    Karlheinz Schreiber, eine Hauptfigur im CDU-Spendenskandal, beschäftigt seit 15 Jahren die Justiz. Eine Chronologie des Falles.

    Oktober 1995: Nach der Durchsuchung seines Hauses in Kaufering bei Landsberg setzt sich Schreiber nach Pontresina in der Schweiz ab.

    September 1997: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erlässt Haftbefehl wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.

    März 1999: Schreiber flüchtet mit seinem kanadischen Pass nach Ottawa.

    August 1999: Schreiber wird in Toronto gefasst. Die deutsche Justiz beantragt seine Auslieferung. Gegen eine Kaution von 1,2 Millionen kanadischen Dollar (740 000 Euro) kommt er im September wieder auf freien Fuß.

    März 2000: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Schreiber wegen Bestechung, Beihilfe zur Untreue, gemeinschaftlichen Betrugs und Steuerhinterziehung. Er soll dem Fiskus rund zehn Millionen Euro vorenthalten haben.

    Januar 2001: Schreiber weigert sich, ohne die Zusicherung eines freien Geleits zum Prozess nach Augsburg zu kommen. Das Landgericht Augsburg trennt sein Verfahren deshalb von anderen ab.

    Mai 2004: Das höchste Gericht der Provinz Ontario ordnet Schreibers Ausweisung an, er geht in Berufung.

    Juni 2004: Schreiber wird nach kurzer Auslieferungshaft erneut gegen die schon 1999 hinterlegte Millionenkaution freigelassen.

    Juli 2005: Der deutsche Bundesrat beschließt eine Verschärfung der Verjährungsregeln («Lex Schreiber»). Danach ruht die Verjährung von Straftaten, solange sich der Beschuldigte im Ausland aufhält und die deutschen Behörden seine Auslieferung betreiben.

    Februar 2007: Das oberste kanadische Gericht weist Schreibers Einspruch gegen seine Überstellung nach Deutschland ab.

    Juni 2007: Schreiber verklagt Kanada vor einem Bundesgericht in Halifax (Provinz Neuschottland) wegen angeblicher «Rechtsbrüche» auf Schadenersatz von 35 Millionen Dollar. Der Richter weist die Klage ab.

    November 2007: Das Berufungsgericht von Ontario gibt grünes Licht für Schreibers Auslieferung. Schreiber beantragt ein Berufungsverfahren - sein dritter Gang zum Supreme Court. Das Berufungsgericht von Ontario setzt die Auslieferung bis zum Votum des Obersten Gerichtshofs aus.

    Dezember 2007: Schreiber, seit 4. Oktober in Abschiebehaft, wird gegen die inzwischen auf 1,31 Millionen kanadische Dollar erhöhte Kaution vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.

    August 2008: Das Berufungsgericht von Ontario verwirft den vierten Antrag Schreibers gegen seine Auslieferung.

    August 2009: Nach einer letzten Niederlage vor Gericht wird Schreiber nach Deutschland geflogen.

    18. Januar 2010: Vor dem Landgericht Augsburg beginnt das Verfahren gegen Schreiber. Den Vorwurf der Bestechung hat das Gericht wegen Verjährung allerdings aus dem Haftbefehl genommen.

    Mai 2010: Karlheinz Schreiber wird wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist eine der höchsten Strafen, die je in Deutschland für dieses Delikt ausgesprochen wurden.

    September 2011: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Schreiber-Urteil des Augsburger Landgerichts in Teilen auf. Der Fall muss neu verhandelt werden.

    Mai 2012: Schreiber wird aus der Haft entlassen. Grund dafür ist sein Gesundheitszustand. Anfang März erlitt der 78-Jährige in U-Haft einen Herzinfarkt.

    September 2012: In Augsburg beginnt der Revisionsprozess gegen Schreiber.

    Oktober 2013: Die Staatsanwaltschaft plädiert für zehn Jahre Haft.

    November 2013: Schreiber wird zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

    Darin war von "politischer Einflussnahme auf das Verfahren", der "Unterdrückung von Fakten", der "Täuschung von kanadischen Behörden" im Auslieferungsverfahren sowie dem "Schutz von Politikern" die Rede. Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber beschuldigte Schreiber zum Beispiel, dass es diesem um die "Vertuschung eigener Straftaten und der CSU-Wahlspenden" ginge. Beweise für die Vorwürfe: Fehlanzeige.

    Auch an seinem Geburtstag wird sich Schreiber erst einmal bei der Polizei melden müssen, das muss er an jedem Dienstag. Den regelmäßigen Gang zur örtlichen Inspektion wird er voraussichtlich noch lange fortsetzen müssen. Denn wann der BGH über die neuen Revisionsanträge entscheidet, ist noch völlig unklar. Ausgeschlossen ist nicht, dass die Bundesrichter das Verfahren erneut an ein Landgericht zurückverweisen. Schreiber hofft, dass der Fall dann nicht ein drittes Mal in Augsburg landet: "Sie können doch nicht erwarten, dass ich in Augsburg einen Freispruch kriege." dpa

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