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Corona-Pandemie: Bei den Massenimpfern: So laufen die letzten Vorbereitungen im Impfzentrum

Corona-Pandemie

Bei den Massenimpfern: So laufen die letzten Vorbereitungen im Impfzentrum

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    In Bad Wörishofen wird ein früheres Möbelhaus zum Impfzentrum: Am Montag pfeifen dort noch die Hebebühnen, rattern die Bohrmaschinen, schwitzen die Arbeiter.
    In Bad Wörishofen wird ein früheres Möbelhaus zum Impfzentrum: Am Montag pfeifen dort noch die Hebebühnen, rattern die Bohrmaschinen, schwitzen die Arbeiter. Foto: Ulrich Wagner

    Bevor Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder sich am Montag in eine vorübergehende Quarantäne verabschiedet, als vermeintliche Kontaktperson 1 des coronapositiven Staatskanzleichefs Florian Herrmann, teilt er noch ein typisches Markus-Söder-Bild auf seinen sozialen Kanälen: ernster Blick, königsblauer Stehkragenpulli unterm Sakko, Macher-Pose beim Vorortbesuch im Impfzentrum München.

    „Die Impflogistik steht“, schreibt der oberste Pandemie-Bekämpfer des Freistaats dazu. In häuslicher Isolation muss er nicht länger bleiben, wird sich dann am Dienstag herausstellen: Er war doch nicht Kontaktperson 1.

    Drinnen rattern die Bohrmaschinen, die Arbeiter schwitzen: Der Aufbau und was danach kommt, ist eine große Herausforderung

    82 Kilometer weiter westlich haben am Montag vor dem Impfzentrum in Bad Wörishofen fünf Transporter geparkt. Drei gehören einem Elektrobetrieb, zwei den Maltesern. Das sind die Kräfteverhältnisse hier, im Landkreis Unterallgäu. Drinnen pfeifen die Hebebühnen, rattern die Bohrmaschinen, schwitzen die Arbeiter. Die Logistik – um in Söders Bild zu bleiben – steht noch nicht. Sie wird erst aufgerichtet, ein Großvorhaben.

    Und das alles wegen einer 0,3 Milliliter-Dosis BNT162b2. So heißt das erste in Deutschland zugelassene Präparat gegen das Coronavirus. Ein Stoff aus den Laboren des Mainzer Unternehmens Biontech und des US-Pharmariesen Pfizer, dessen Erfindung Journalisten jüngst mit der Bedeutung der Mondlandung verglichen. Von Anfang an galt die Impfung als einziger Ausweg aus der Pandemie. Im Eilverfahren forschten Wissenschaftler weltweit nach Vakzinen, führten klinische Studien durch, verhandelten mit Regierungen über die Lieferung von Impfdosen im neunstelligen Bereich.

    Chronologie der Corona-Pandemie 2020 in Eilmeldungen

    Mehr als 600 Eilmeldungen hat die Deutsche Presse-Agentur bis Dezember 2020 allein zum Corona-Virus gesendet. Die Überschriften dokumentieren die Zeitspanne von den ersten Hinweisen auf eine Ausbreitung der Viruserkrankung bis zu den jüngsten Erfolgen bei der Impfstoffentwicklung. Ein Überblick:

    Januar

    22.1. WHO ruft wegen Virus in China vorerst keine "internationale Notlage" aus

    24.1. Zwei Fälle der neuen Lungenkrankheit in Frankreich nachgewiesen

    28.1. Erster Coronavirus-Fall in Deutschland bestätigt

    30.1. Coronavirus in China: WHO erklärt internationale Notlage

    Februar

    15.2. Frankreich meldet ersten Coronavirus-Todesfall in Europa

    22.2. Italien will mit Coronavirus betroffene Städte abriegeln

    29.2. Erster Coronavirus-Todesfall in den USA

    März

    9.3. Coronavirus: Landrat meldet ersten Todesfall in Deutschland

    11.3. WHO bezeichnet Verbreitung des neuen Coronavirus als Pandemie

    12.3. USA erlassen wegen Coronavirus 30-tägigen Einreisestopp aus Europa

    12.3. CDU verschiebt Parteitag wegen Corona-Krise

    12.3. Merkel: Wegen Coronavirus auf Sozialkontakte weitgehend verzichten

    12.3. Bund und Länder: Ab Montag alle planbaren Operationen verschieben

    13.3. UEFA stoppt vorerst Spielbetrieb im Fußball-Europapokal

    13.3. NRW schließt nächste Woche alle Schulen

    (plus 14 weitere Eilmeldungen zu Schulschließungen in anderen Bundesländern)

    13.3. DFL: Fußball-Bundesliga stellt Spielbetrieb vorerst ein

    13.3. Trump ruft wegen Coronavirus nationalen Notstand aus 

    16.3. Regierung schlägt Schließung von Läden vor - Supermärkte aber offen

    17.3. Maas startet Rückholaktion für im Ausland festsitzende Deutsche

    17.3. Bundesregierung spricht weltweite Reisewarnung aus 

    17.3. Fußball-EM wegen Coronavirus um ein Jahr verschoben

    17.3. Nur noch EU-Bürger sollen nach Deutschland reisen dürfen

    18.3. Österreich kontrolliert ab Mitternacht Grenze zu Deutschland

    19.3. Coronavirus-Pandemie: Italien meldet mehr Tote als China

    21.3. Mietern soll in Krise nicht gekündigt werden dürfen

    22.3. Bund und Länder wollen Restaurants unverzüglich schließen

    24.3. IOC bestätigt: Olympia in Tokio wird verschoben

    25.3. Historisches Hilfspaket in Corona-Krise beschlossen

    27.3. Corona-Pandemie: Italien meldet fast 1000 Tote an einem Tag

    April

    2.4. Weltweit mehr als eine Million nachgewiesene Coronavirus-Infektionen

    6.4. Kreise: Zwei Wochen Quarantäne bei Rückkehr nach Deutschland

    6.4. Corona-Infektion: Britischer Premierminister auf Intensivstation

    15.4. Bund will Öffnung von Geschäften bis 800 Quadratmeter ermöglichen

    15.4. Schulstart in Deutschland schrittweise ab 4. Mai geplant

    17.4. Spahn: Ausbruch ist beherrschbar geworden

    21.4. Saison in Handball-Bundesliga abgebrochen

    22.4. Erste klinische Studie zu Corona-Impfstoff in Deutschland zugelassen

    23.4. Merkel: Länder in Corona-Krise teils zu forsch

    28.4. Nun bundesweite Maskenpflicht auch im Einzelhandel

    30.4. Betriebe melden für 10,1 Millionen Menschen Kurzarbeit an

    Mai

    5.5. Wirtschaftsminister der Länder wollen Gastronomieöffnung ab 9. Mai

    6.5. Bund will Öffnung aller Geschäfte in Corona-Krise erlauben

    6.5. Politik erlaubt Geisterspiele der Fußball-Bundesliga ab Mitte Mai

    13.5. Bundesregierung beschließt Lockerung der Grenzkontrollen

    15.5. Deutsche Wirtschaft bricht in der Corona-Krise ein

    26.5. Bund und Länder einig: Kontaktbeschränkungen bis 29. Juni

    Juni

    9.6. Deutscher Export bricht im April um mehr als 30 Prozent ein

    16.6. Offizielle Corona-Warn-App steht zum Download bereit

    17.6. Großveranstaltungen werden mit Ausnahmen bis Ende Oktober verboten

    17.6. Schulen sollen nach Sommerferien wieder komplett öffnen können

    23.6. Zahlreiche Einschränkungen nach Corona-Ausbruch bei Tönnies

    25.6. EU-Kommission genehmigt Rettungspaket für Lufthansa

    29.6. Bundestag beschließt Mehrwertsteuersenkung und Familienbonus

    Juli

    3.7. Arznei Remdesivir erhält europäische Zulassung für Covid-19

    7.7. Brasiliens Präsident Bolsonaro mit Coronavirus infiziert

    22.7. Corona-Tests bei Einreise aus Risikogebieten sollen Pflicht werden

    30.7. Deutsche Konjunktur bricht dramatisch ein

    30.7. Historischer Konjunktureinbruch in den USA wegen Corona-Krise

    August

    11.8. Putin: Russland lässt Impfstoff gegen Coronavirus zu

    14.8. Reisewarnung des Auswärtigen Amts für fast ganz Spanien samt Mallorca

    27.8. Bund und Länder: Großveranstaltungen bis Ende des Jahres verboten

    September

    29.9. Feiern in öffentlichen Räumen auf 50 Teilnehmer beschränkt

    30.9. Neue Corona-Risikogebiete in elf europäischen Ländern

    Oktober

    2.10. US-Präsident Trump und First Lady positiv auf Coronavirus getestet

    7.10. Länder: Beherbergungsverbot für Reisende aus Risikogebieten

    8.10. Corona-Neuinfektionen in Deutschland steigen sprunghaft auf über 4000

    14.10. Beschluss: Sperrstunde um 23 Uhr für Gastronomie in Corona-Hotspots

    14.10. Bund und Länder wollen striktere Kontaktbeschränkungen in Hotspots 

    14.10. Frankreich führt Gesundheitsnotstand wieder ein 

    15.10. RKI meldet Rekordwert bei Corona-Neuinfektionen in Deutschland

    21.10. Gesundheitsminister Spahn positiv auf Corona getestet

    26.10. CDU-Spitze verschiebt Parteitag zur Vorsitzendenwahl ins nächste Jahr

    28.10. Bund und Länder: Beginn von Kontaktbeschränkungen am 2. November

    28.10. Bund und Länder wollen Gastronomiebetriebe vorübergehend schließen

    November

    2.11. Teil-Lockdown startet: Öffentliches Leben wird heruntergefahren

    9.11. Biontech veröffentlicht vielversprechende Daten zu Corona-Impfstoff

    16.11. Auch US-Konzern Moderna legt positive Daten zu Corona-Impfstoff vor

    16.11. Bund und Länder appellieren: Keine privaten Feiern mehr

    18.11. Bundestag beschließt Änderungen beim Infektionsschutzgesetz

    25.11. Private Zusammenkünfte werden auf fünf Personen begrenzt

    25.11. Bund und Länder lockern Kontaktbeschränkungen für Weihnachten

    30.11. Moderna will Zulassung für Corona-Impfstoff in EU beantragen

    Dezember

    1.12. Biontech und Pfizer beantragen EU-Zulassung für Corona-Impfstoff

    2.12. Biontech und Pfizer: Großbritannien lässt Corona-Impfstoff zu

    2.12. Bund und Länder: Teil-Lockdown wird bis in den Januar verlängert

    9.12. Verfassungsschutz Baden-Württemberg beobachtet "Querdenken"-Bewegung

    12.12. Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer erhält US-Notfallzulassung

    13.12. Bund und Länder beschließen harten Lockdown ab dem 16. Dezember 

    13.12. Bund und Länder beschließen Versammlungsverbot an Silvester

    13.12. Möglichst keine Schul- und Kita-Besuche ab Mittwoch bis 10. Januar

    13.12. Bund erhöht Corona-Finanzhilfen für Unternehmen

    19.12. Corona-Impfstoff von Moderna erhält Notfallzulassung in den USA

    21.12. EMA empfiehlt erste Zulassung eines Corona-Impfstoffs in der EU

    21.12. EU-Kommission genehmigt Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer

    22.12. Bayern führt Corona-Testpflicht für Reisende aus Risikogebieten ein

    (dpa)

    Bundesweit werden gerade 440 Impfzentren aus dem Boden gestampft, 99 davon in Bayern. In Messehallen (Straubing), Flughäfen (Rostock), alten Kasernen (Kempten), einem barocken Saal des Jesuitenordens (Ingolstadt), den VIP-Logen eines Bundesligastadions (Düsseldorf). Von Sonntag an sollen die Ampullen nun zu den Menschen, Deutschland beginnt zu impfen. Der 27. Dezember, ein dritter Weihnachtsfeiertag. Doch der Impfoffensive steht ein rumpeliger Start bevor.

    Das weiß auch Max Kaplan. Vor gut einem Jahr las er zum ersten Mal von einer atypischen Lungenerkrankung im chinesischen Wuhan. Er schrieb seinem Sohn, einem Lufthansa-Piloten: „Da wird etwas auf uns zukommen.“ Kaplan war mal Vizepräsident der Bundesärztekammer.

    Der Allgemeinmediziner wollte sich eigentlich zur Ruhe setzen. „Dann hat mich das Virus eingeholt“, sagt er am Montag als Koordinierungsarzt des Impfzentrums Bad Wörishofen. Das leicht verwitterte Gebäude, früher mal ein Möbelhaus, ist ein gern genutzter Ort für schwere Zeiten. In der Flüchtlingskrise kaufte der Freistaat Bayern das Grundstück und funktionierte es zu einer Notunterkunft um. Jetzt wird es dem Landratsamt Unterallgäu überlassen, um die Bürger besser vor Corona zu schützen.

    Koordinierungsarzt Max Kaplan
    Koordinierungsarzt Max Kaplan Foto: Ulrich Wagner

    Kaplan beginnt eine Presseführung durch das Impfzentrum im Brustton eines Katastrophenmanagers: „Meine ganz dringende Bitte an die Bevölkerung: Gehen Sie zum Impfen! Geben Sie uns eine Chance!“ Das Biontech-Präparat zählt zu den sogenannten mRNA-Impfstoffen. Sie funktionieren, erklärt Kaplan, vereinfacht gesagt so: Geimpft wird ein Bauplan, nach dem die Körperzelle eine Substanz herstellt, ein nachgebautes Stück der Eiweißhülle des Coronavirus. Das Immunsystem bildet daraufhin Abwehrstoffe. Der Bauplan zerfällt, die Antikörper bleiben.

    Der Impfstoff muss gut geschützt werden, auch in Bad Wörishofen

    Dass die Entwicklung des Stoffs innerhalb eines Jahres letztlich in pharmazeutischer Schallgeschwindigkeit erfolgte, vergleicht Heinz Leuchtgens, der das Impfzentrum ärztlich leiten wird, mit einem Reifenwechsel: Winterreifen aufziehen dauere in der Regel 20 bis 30 Minuten. Aber bei einem Formel-1-Rennen, wenn es wirklich um etwas geht, könne es wesentlich schneller laufen.

    Während die Mediziner in Bad Wörishofen fast schon flehentlich um Vertrauen für den Impfstoff werben, tritt in einer 18-stöckigen Behördenzentrale in Amsterdam die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA vor die Presse: BNT162b2 wird offiziell für alle EU-Länder zugelassen. Am Abend erfolgt die Bestätigung der EU-Kommission. Das Okay des in Deutschland für die Prüfung von Arzneimitteln verantwortlichen Paul-Ehrlich-Instituts gilt als Formsache. Anfang Januar soll neben Biontech der Wirkstoff des US-amerikanischen Herstellers Moderna folgen.

    Von insgesamt sechs Produzenten hat die EU-Kommission für ihre Mitgliedstaaten Impfdosen bestellt. Das Problem: Die größten Chargen werden von Produzenten kommen, deren Stoff voraussichtlich erst weit im Jahr 2021 marktfertig sein wird. Der Vorwurf: Zu langsam und zu wenig habe die EU von den vielversprechenden Herstellern Biontech und Moderna gekauft. Andere Länder kümmerten sich um eine Notfallzulassung, in Brüssel mahlten die Mühlen der EMA langsamer.

    Der ärztliche Direktor Heinz Leuchtgens erklärt die Abläufe. Von der Anmeldung bis zur halbstündigen Beobachtung nach der Impfung.
    Der ärztliche Direktor Heinz Leuchtgens erklärt die Abläufe. Von der Anmeldung bis zur halbstündigen Beobachtung nach der Impfung. Foto: Ulrich Wagner

    Das führt zum kuriosen Umstand, dass ein deutscher Impfstoff bereits in den USA, Großbritannien oder Kanada verabreicht wird, aber nicht in Passau oder Husum. Und dazu, dass Joe Biden in seinen ersten 100 Tagen als US-Präsident 100 Millionen Bürger impfen lassen will. Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit elf bis 13 Millionen Dosen bis Ende März rechnet – was gerade so für 5,5 bis 6,5 Millionen Bürger reichen würde, weil jeder zwei Spritzen erhält. Und es führt dazu, dass sie in Bad Wörishofen zwar unter politischem Zeitdruck an der alten Möbelhalle werkeln, diese aber zunächst noch ziemlich leer bleiben wird.

    Zum Start der Impfoffensive wird Koordinationsarzt Kaplan zwei mobile Teams in Senioren- und Altenheime schicken. Per Verordnung kategorisierte Spahn ja die Bevölkerung in drei Impfgruppen. Zuerst sollen über 80-Jährige, Personal und Bewohner von Pflegeheimen sowie Gesundheitspersonal mit hohem Infektionsrisiko, etwa in Intensivstationen, immunisiert werden. „Die Schwächsten“, sagte er.

    Impfen, eine Sache der Solidarität. Die EU verteilt ihre Dosen nach Bevölkerungsanteil an die Mitgliedstaaten. Deutschland wiederum über den sogenannten Königsteiner Schlüssel an die Bundesländer. Und Bayern dann anteilig an Landkreise und kreisfreie Städte.

    Ab Neujahr soll im Impfzentrum Bad Wörishofen frühestens gespritzt werden

    Im Unterallgäu hat man sich zusammengeschlossen, um die Kräfte zu bündeln. Das Impfzentrum Bad Wörishofen versorgt den östlichen Landkreis, sein Pendant in der kreisfreien Stadt Memmingen die westliche Hälfte. Betrieben werden beide Zentren von den Maltesern. Und die stehen schon in der ersten Phase der Massenimpfung vor großen Herausforderungen. Es werden zusätzliche Ärzte und medizinisches Personal gesucht. Und dann ist da ja noch die Sache mit dem Impfstoff.

    Biontech gilt als temperaturempfindlich. Auf minus 70 Grad heruntergefroren, kommt der Stoff in Spezialboxen an, bevor er behutsam innerhalb von drei Stunden aufgetaut wird. Weil das aufbereitete Mittel transportunfähig ist, versetzen die mobilen Teams es erst vor Ort mit einer Kochsalzlösung. Nur wird das Präparat in kleinen Fläschchen à fünf Dosen geliefert.

    Was also passiert mit einzelnen Hochbetagten, die zu Hause intensivgepflegt werden? „Das ist ein logistisches Problem, das wir im Moment noch nicht lösen können“, sagt Jan Henrik Sperling, Koordinationsarzt in Memmingen.

    Führung durch ein Bauzaunlabyrinth: Ab Neujahr soll im Impfzentrum Bad Wörishofen frühestens gespritzt werden, zunächst auf einer Linie, mit einer Kapazität von 300 Impfungen pro Tag. Dann, nach drei Wochen, auf einer zusätzlichen Linie für den jeweils zweiten Piks.

    Der Impfwillige passiert die Security, hält seine Stirn an ein Fiebermessgerät. Zeigt die Ampel grün, meldet er sich an, füllt den Aufklärungsbogen aus und nimmt für eine Gruppenaufklärung auf einem der gut ein Dutzend breit verstreuten Sitze Platz. Es folgt die Besprechung mit dem Impfarzt in einem behelfsmäßigen Container. Bis hierhin ist ein Rückzieher noch möglich. Nächste Station: kleiner Wartebereich, wieder mit Abstand. Dann kommt – in einer von fünf Impfboxen – die Spritze. Das alles soll etwa 15 Minuten dauern. Zur Beobachtung verharren die Patienten abschließend eine halbe Stunde in einem abgetrennten Raum.

    Nach der Impfung werden Geimpfte hier noch eine halbe Stunde lang beobachtet.
    Nach der Impfung werden Geimpfte hier noch eine halbe Stunde lang beobachtet. Foto: Ulrich Wagner

    So weit, so theoretisch. Praktisch bleiben in Bad Wörishofen einige Fragezeichen. Denn einfach herkommen kann ein Impfwilliger nicht. Jeder soll benachrichtigt werden, wenn er gemäß seiner Impfgruppe dran ist. „Die Kommunen sollen Impflisten erstellen“, sagt ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums. Wie genau das geschehen soll, sobald alle Heime durchgeimpft sind, weiß Doris Back, Leiterin der Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung im Landratsamt Unterallgäu, nicht zu sagen. Bürger sollen sich daraufhin jedenfalls telefonisch oder digital anmelden. Dafür hat die Staatsregierung eine einheitliche Informationstechnik für alle Impfzentren geplant. Doch deren Terminvereinbarungsfunktion wird erst Mitte bis Ende Januar stehen, wie ein Ministeriumssprecher bestätigt.

    Wann sich Ministerpräsident Markus Söder vermutlich impfen lässt

    „Es gibt dafür keine Blaupause“, sagt Koordinationsarzt Kaplan. „Wir sind sicher alle etwas überrascht, wie schnell das jetzt ging.“ Aus dem bayerischen Gesundheitsministerium heißt es: „Unsere Handlungsfähigkeit ist besser als die Impfstoffverfügbarkeit.“

    34 Millionen Spritzen, 58 Millionen Kanülen und etwa eine Million Ampullen Kochsalzlösung hat der Freistaat an die Impfzentren verteilt. Zwölf Paletten gingen nach Bad Wörishofen und Memmingen. Das Material, sagen die Ärzte hier, wird im Gegensatz zur ersten Coronawelle nicht knapp werden. Trotzdem: Bis Ende März rechnet Kaplan mit 16.000 Impfungen. Das Einzugsgebiet hat 190.000 Einwohner.

    Impfstoff wird durch seine Knappheit zur aktuell wohl meistbewachten Flüssigkeit Deutschlands. Bayern lagert den Biontech-Stoff in 40 Spezialkühlschränken in acht Zwischenlagern, bevor er in die Impfzentren verteilt wird. Die Standorte sind unserer Redaktion bekannt. Aber sie sollen keinesfalls in der Zeitung stehen. Zu gefährlich, heißt es.

    In Bad Wörishofen werden Polizisten die mobilen Einsatzteams begleiten und vor dem alten Möbelhaus Streife fahren. Zusätzlich ist ein privater Sicherheitsdienst engagiert. Der Außenbereich ist mit Überwachungskameras und Bewegungssensoren präpariert. „Die Polizei hat uns ein Gutachten erstellt, wo wir den Impfstoff am sichersten aufbewahren“, sagt Doris Back vom Landratsamt.

    Die Rettung naht, aber die Zahl derjenigen sinkt, die sich retten lassen wollen

    Wie der Spiegel jetzt berichtet hat, geht das Bundeskriminalamt in einer vertraulichen Analyse von einer „abstrakten Gefährdung“ der Impfzentren aus – von Sachbeschädigungen und physischen Übergriffen durch Impfgegner. Und auch von Spionage und Diebstahl. Für die einen ist der Impfstoff ein Elixier der Hoffnung, für andere gleicht er einer Giftspritze.

    Und das ist eines der größten Probleme. In Brüssel. In Berlin. In München. In Bad Wörishofen. 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung müssen geimpft sein, um die Pandemie auszubremsen, sagen Wissenschaftler. Doch nur noch etwa die Hälfte der Deutschen will sich laut einer Studie der Universität Erfurt impfen lassen, wenn sie das in der nächsten Woche dürfte.

    Im Frühjahr waren es noch 79 Prozent. Die Rettung naht, aber die Zahl derjenigen sinkt, die sich retten lassen wollen. „Mir macht das große Sorgen“, sagt Arzt Kaplan. „Es ist irrational und unsolidarisch.“ Biontech konnte bei seiner klinischen Studie mit 43.000 Probanden keine schweren Nebenwirkungen feststellen. Die Wirksamkeit des Impfstoffs beträgt 95 Prozent.

    Weltweit ließen sich Spitzenpolitiker bereits öffentlichkeitswirksam spritzen, um das Vertrauen in der Bevölkerung zu steigern. Angela Merkel zögert noch. „Die Bundeskanzlerin plant, sich impfen zu lassen, wenn sie anhand der Prioritätengruppe und Verfügbarkeit des Impfstoffes an der Reihe ist“, sagt ein Sprecher. Auch aus der Staatskanzlei heißt es, Ministerpräsident Söder werde sich erst impfen lassen, wenn er an der Reihe sei. Als hochrangiger Politiker von 53 Jahren gehört er zur dritten Impfgruppe: erhöhte Priorität. Bis Söder das Corona-Wundermittel bekommt, wird es vermutlich Sommer sein.

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