Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Augsburger Landgericht: Der Schreiber-Prozess beginnt mit einem Streit

Augsburger Landgericht

Der Schreiber-Prozess beginnt mit einem Streit

    • |
    Der Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber steht im Gerichtssaal des Strafjustizzentrums in Augsburg.
    Der Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber steht im Gerichtssaal des Strafjustizzentrums in Augsburg. Foto: hi cu

    Augsburg. Heute beginnt am Augsburger Landgericht der spektakuläre Prozess gegen den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber (wir berichten live). Er gilt als Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre. Der brisanteste Vorwurf der Bestechung von Politikern wackelt jedoch. Die 9. Strafkammer hält ihn für verjährt. Das hat bereits vor dem Prozess mächtig Wirbel ausgelöst, denn diese Einschätzung ist höchst umstritten.

    Wollen die Richter die Bestechungsvorwürfe gar nicht aufklären, weil ihnen dies zu heikel ist? Immerhin stünden Zeugenaussagen von etlichen Spitzenpolitikern der Kohl-Ära im Raum. Auch dem aktuellen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble droht wegen einer 100 000-Mark-Spende Schreibers ein unangenehmer Auftritt als Zeuge. Dies alles würden sich die Richter ersparen, wenn sie bei ihrer Verjährungs-These blieben.

    Pikant ist: Die 9. Strafkammer unter Vorsitz von Rudolf Weigell stellt sich mit ihrer Auffassung, dass die Bestechungsvorwürfe verjährt seien, gegen die seit Jahren gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Augsburger Wirtschaftsstrafrechtler Prof. Thomas Rotsch findet dies "bemerkenswert" (siehe Nachgefragt).

    Zumal genau der Vorwurf der Bestechung recht einfach nachzuweisen wäre: Der frühere Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls hat in seinem Prozess zugegeben, von Schreiber 3,8 Millionen Mark Schmiergeld kassiert zu haben. Er wurde dafür wegen Vorteilsannahme rechtskräftig zu zweieinviertel Jahren Haft verurteilt.

    Die frühere 10. Strafkammer des Augsburger Landgerichts, die sich unter dem Vorsitzenden Maximilian Hofmeister jahrelang mit dem Schreiber-Komplex befasst hatte, musste sich im Pfahls-Prozess ebenfalls mit der Verjährungsfrage auseinandersetzen, als die Pfahls-Anwälte Haftbeschwerde eingelegt hatten. Hofmeister und seine Beisitzer Eberhard Etter und Stephan Knöpfle kamen zu einem anderen Ergebnis: Das Schmiergeld-Geschäft zwischen Schreiber und Pfahls ist nicht verjährt.

    Hofmeister, heute Vizepräsident des Landgerichts, sagt: "Wir haben in wochenlanger Arbeit sämtliche Quellen und alle Rechtsprechungen zu diesem Thema gesichtet und dann entschieden: nicht verjährt." Diese Entscheidung des Gerichts, fügt Hofmeister hinzu, habe dazu geführt, dass Pfahls sich mit seinen Anwälten entschlossen hat, die Vorwürfe einzuräumen.

    Packt auch Schreiber aus? Das ist bislang völlig unklar. Die Verteidiger haben für den Prozessauftakt eine Erklärung angekündigt. Ein Geständnis? Unwahrscheinlich. Denn Schreiber hat in einem Brief an die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe noch einmal zurückgewiesen. "Doch das ist für uns nicht schlüssig", sagt Augsburgs Chefankläger Reinhard Nemetz. Neben der Bestechung ist Schreiber der Steuerhinterziehung von rund elf Millionen Euro sowie der Beihilfe zu Betrug und Untreue angeklagt.

    Denkbar wäre auch, dass Schreiber über seine Anwälte an einem Deal mit Anklage und Gericht bastelt. "Es ist wesensfremd, dass Schreiber still und untätig in seiner Zelle sitzt", sagt sein Verteidiger Stefan von Moers. Aber Reinhard Nemetz sagt, ihm sei über Verhandlungen hinter den Kulissen nichts bekannt. Dass es nur Gespräche zwischen Gericht und Verteidigern gegeben hat, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Denn seit dem 1. September 2009 gilt eine neue Gesetzesregelung, nach der alle Gespräche über einen Deal protokolliert werden müssen. In den Akten ist aber nichts zu finden.

    Viele spannende Fragen begleiten also den Prozess. Auch bei der CSU wird jetzt wieder Nervosität ausbrechen. Nach einem Bericht des Magazins Spiegel könnte Schreiber Beweise für einen CSU-Fonds in Liechtenstein liefern. Der Angeklagte soll angeblich über entsprechende Kontobelege verfügen. Der Fonds soll nach Absprache mit dem früheren CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß und dessen Spendenverwalter Franz Josef Dannecker entstanden sein und im November 1994 umgerechnet 4,82 Millionen Mark enthalten haben. Die CSU und Strauß-Sohn Max Strauß hatten solche Berichte stets zurückgewiesen. Holger Sabinsky

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden