Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten
Feuilleton regional
Icon Pfeil nach unten

Musikgeschichte: Historische Hammerklaviere: Verpasst Augsburg eine einmalige Chance?

Musikgeschichte

Historische Hammerklaviere: Verpasst Augsburg eine einmalige Chance?

    • |
    Christoph Hammer und einige der historischen Hammerklaviere im Musikhaus Marthashofen.
    Christoph Hammer und einige der historischen Hammerklaviere im Musikhaus Marthashofen. Foto: Stefan Dosch

    Europaweit wurde Augsburg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und darüber hinaus als Musikstadt wahrgenommen. Das lag etwa am gebürtigen Augsburger Leopold Mozart und seiner epochalen "Violinschule", die über das Musikalienhaus Lotter verbreitet wurde, ein Verlag, der seinerzeit zu den bedeutendsten überhaupt gehörte. Ein maßgeblicher Grund für den Klang Augsburgs als Stadt der Musik war aber auch ein Klavierbauer, der sich 1750 hier niedergelassen hatte und in den folgenden Jahrzehnten der Entwicklung des Instruments entscheidende Impulse geben sollte: Johann Andreas Stein (1728-1792).

    Stein war der Erfinder einer neuartigen Mechanik, durch deren Verwendung der Klang des damals noch relativ jungen Hammerklaviers voluminöser wurde und vom Spieler besser zu modulieren war. Eine Erfindung, die, weitergetragen unter anderem durch Steins Tochter Nannette in die Hauptstadt des Habsburgerreichs, als "Wiener Mechanik" noch das ganze 19. Jahrhundert hindurch für ein maßgebliches Segment des Klavierbaus ebenso stand wie für ein besonderes Klangideal. Mit aller Berechtigung widmet also die in Augsburg ansässige Deutsche Mozart-Gesellschaft den Klavieren aus dem Hause Stein jetzt ein ganzes Wochenende mit Konzerten und Vorträgen, wobei selbstverständlich auch der im Leopold-Mozart-Haus beheimatete originale Stein-Hammerflügel aus dem Jahr 1785 zum Einsatz kommen wird.

    Der Ruhm von Augsburg als Herkunftsort begehrter Klavier ist natürlich lange verblasst. Und doch bietet sich der Stadt gerade die Chance, eine Brücke zu schlagen zu dieser bedeutenden Klavier-Vergangenheit, nicht zuletzt als Abrundung und weitere Stütze des selbst gesetzten Diktums, als "die deutsche Mozartstadt" zu gelten: Augsburg könnte künftig Standort einer ausgesuchten Sammlung historischer Hammerklaviere sein.

    Ein Cellist mit einem Faible für Hammerklaviere

    Ideengeber ist Christoph Hammer, Professor für historische Tasteninstrumente am Leopold Mozart College of Music der Universität Augsburg. Der umtriebige Experte – Hammer steht als Präsident auch der Deutschen Mozart-Gesellschaft vor – ist zugleich einer von zwei Geschäftsführern der Stiftung Fortepiano. Die gemeinnützige Gesellschaft verfügt über eine Sammlung von zehn historischen Hammerklavieren – teils Originale, teils Kopien –, die Reinhold J. Buhl, ehemals Solocellist des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, zusammengetragen hat.

    Buhl, 2021 verstorben, hatte nach seiner Pensionierung die Marthashofener Kammerkonzerte in Grafrath nahe dem Ammersee ins Leben gerufen und hierfür auch einen eigenen Konzertsaal errichtet – renommierte Namen, unter ihnen das Henschel Quartett oder auch Christoph Hammer, waren vielfach zu Gast. Hier befindet sich nach wie vor die ausgesuchte Sammlung historischer Hammerklaviere, allerdings auf Abruf, denn absehbar ist, dass das Bleiberecht für das Musikhaus – es steht seinerseits auf dem Grund einer sozialen Stiftung – erlischt. Die Hammerklaviere der Stiftung Fortepiano suchen also ein neues Zuhause.

    "Am besten natürlich als vollständige Sammlung", sagt Christoph Hammer und führt vor Ort in Marthashofen die Vorzüge der einzelnen Instrumente vor. Rund 200 Jahre Klaviergeschichte dokumentieren sich hier, eine Spanne, die die Entwicklung der Hammermechanik – im Unterschied etwa zum Zupfmechanismus des Cembalos – umfasst bis hin zu ihrer reifen Ausformung, die noch den Stand heutiger Klaviertechnik bildet. Da ist etwa, aus der Mitte dieses Zeitraums, der Hammerflügel aus der Werkstatt von William Stoddard, ein typisches Instrument englischer Bauart, welche noch weiterentwickelt wurde von der Firma Broadwood, von der in Marthashofen ein originaler Flügel von 1812 steht – Beethoven liebte den wuchtigen Broadwood-Klang, besaß seit 1816 eines dieser Instrumente. Daneben Originale im schon erwähnten Wiener Klangstil, "spielerischer und von leichterer Ästhetik", wie Hammer erläutert, während er auf einem Flügel des Wiener Klavierbauers Michael Rosenberger von 1805 einige Akkorde anschlägt und Passagen aufglitzern lässt. 

    Beethofen besaß einen Broadwood, Brahms einen Streicher

    Und dann gibt es da in Marthashofen den Nachbau eines Instruments von Bartolomeo Cristofori, der um 1700 als Erster die Hammermechanik in Gebrauch brachte und damit den Bau von Tasteninstrumenten revolutionierte. "Jeder, der sich mit historischen Klavieren beschäftigt", sagt Christoph Hammer, "sollte den Cristofori kennen, der am Anfang der ganzen Klavierentwicklung stand." Wie rasch diese zur Blüte führte, welche Strömungen es gab – etwa die englische Stoßmechanik gegen die Wiener Prellmechanik –, führen die weiteren Instrumente der Stiftung Fortepiano vor, ein Bösendorfer von 1840, ein Streicher aus Wien von 1870 (auch Brahms besaß einen solchen), dazu ein französischer Pleyel sowie zwei Hammerklaviere des Wieners Conrad Graf.

    Das Leopold Mozart College of Music an der Grottenau in Augsburg. Für Christoph Hammer die ideale Bleibe für die Instrumente der Stiftung Fortepiano.
    Das Leopold Mozart College of Music an der Grottenau in Augsburg. Für Christoph Hammer die ideale Bleibe für die Instrumente der Stiftung Fortepiano. Foto: Bernd Hohlen (Archivbild)

    Eine Sammlung also, die die Entwicklung des Klavierbaus dem Musiker wie auch dem Hörer nachvollziehbar macht: Eine Sammlung, die wie geschaffen wäre, um in Augsburg unterzukommen, idealerweise in Räumen des Leopold Mozart College am Standort Grottenau. Christoph Hammer sähe hier nicht nur die Möglichkeit, Studenten mit den individuellen Spiel- und Klangeigenschaften der historischen Instrumente vertraut zu machen, hier gäbe es mit dem Konzertsaal Grottenau gleich auch noch kurze Wege, um die Instrumentenschätze in Konzerten erklingen zu lassen – die so oft bemühten Synergie-Effekte, hier wären sie gegeben.

    "Bei der Stadt nehme ich keine Begeisterung wahr", sagt Christoph Hammer

    Hammer hält auch nicht hinter dem Berg mit seiner Vorstellung, dass er die Räume, die jetzt von der städtischen Verkehrsüberwachung belegt sind im Gebäudekomplex an der Grottenau und die unmittelbar an den College-Konzertsaal grenzen, für ideal hielte als Standort für die Klaviersammlung. Diese Ideen, sagt Hammer, habe er schon vor Jahresfrist an die Stadt Augsburg herangetragen. Jedoch, so Hammer enttäuscht, "da nehme ich keine Begeisterung wahr". 

    Dass die historischen Hammerklaviere der Stiftung Fortepiano aufregende Konzerterlebnisse ermöglichen, hat Hammer im Rahmen von DMG-Projekten bereits wiederholt vorgeführt, bei der Augsburger "Schubertiade" in diesem Frühjahr, bei "Mozart in London" im letzten Herbst. Hier wie dort konzeptuell erlesene Konzertereignisse, für die Hammer die Instrumente jeweils eigens heranschaffte. Was natürlich nur möglich war durch die relativ kurze Distanz zwischen Grafrath und Augsburg. Sollte in Augsburg jedoch weiterhin "keine Begeisterung" einsetzen für die Idee einer dauerhaften Bleibe der Sammlung, dann, sagt Hammer, müsste die exquisite Sammlung woanders hingegeben, auseinandergerissen, verkauft werden.

    Das Programm zu Ehren von Johann Andreas Stein: Die Deutsche Mozart-Gesellschaft veranstaltet vom 22. bis 24. September ein Wochenende mit Konzerten und Vorträgen rund um den Augsburger Klavierbauer Johann Andreas Stein. Sämtliche Veranstaltungen finden im Schaezlerpalais statt, dabei erklingen der originale Stein-Hammerflügel von 1785 aus dem Mozarthaus sowie zwei Kopien Stein’scher Instrumente.

    • Auftakt ist am Freitag mit einem Programm für mehrere Tasteninstrumente (19 Uhr). Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate für zwei Klaviere KV 488 wird dabei ebenso aufgeführt wie Schwesterwerke der Zeitgenossen Franz Xaver Sterkel und Henri Joseph Rigel, während Ignaz von Beecke für eine seiner Sonaten sogar drei Klaviere zusammenspannt. Interpreten sind Pierre Goy, Christoph Hammer, Jovanka Marville und Christoph Teichner.
    • Vorträge und eine Gesprächsrunde über Johann Andreas Stein finden am Samstag um 11 Uhr statt. Über die Instrumente des Augsburger Klavierbauers spricht unter anderem Silke Berdux (Instrumentensammlung des Deutschen Museums München), musikalische Beispiele dazu präsentieren Pierre Goy und Christoph Hammer.
    • Mit einem Orchesterkonzert um 19 Uhr geht es am Samstag weiter. Von Wolfgang Amadeus Mozart erklingt unter anderem das Konzert für drei Klaviere KV 242 mit den Solisten Pierre Goy, Christoph Hammer und Jovanka Marville. Neben weiteren Werken kommt auch Mozarts 1. Violinkonzert zur Aufführung, interpretiert von Rüdiger Lotter, der auch die Hofkapelle München leitet.
    • 1770 fand im Schaezlerpalais ein Ball für die habsburgische Kaisertochter statt, die in Augsburg haltmachte auf ihrer Brautfahrt zur Vermählung mit Ludwig XVI. von Frankreich. In einer Matinee am Sonntag um 11 Uhr interpretieren die Sopranistin Siri Thornhill und Tenor Richard Resch, begleitet von Christoph Hammer auf dem originalen Stein-Flügel, Lieder und Klavierstücke "rund um Marie Antoinette".
    • Karten für die Konzerte gibt es an der Museumskasse im Schaezlerpalais, bei der Tourist-Info am Rathaus sowie über das Reservix-Portal. Die Vorträge am Samstag sind frei.
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden