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Interview: Was ist so reizvoll an ungarischer Musik, Herr Héja?

Interview

Was ist so reizvoll an ungarischer Musik, Herr Héja?

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    Domonkos Héja, seit 2015 Generalmusikdirektor des Staatstheaters Augsburg.
    Domonkos Héja, seit 2015 Generalmusikdirektor des Staatstheaters Augsburg. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Héja, kommende Woche bringt das 2. Sinfoniekonzert der Augsburger Philharmoniker ausschließlich Musik von ungarischen Komponisten. Ungarn, das ja auch Ihr Heimatland ist, ist flächenmäßig relativ überschaubar, trotzdem stammen von dort so viele außergewöhnliche Musiker und Komponisten. Woran liegt das?
    DOMONKOS HÉJA: Ich weiß es nicht. Und ich denke auch, dass die Aussage, jedenfalls was die Komponisten betrifft, vielleicht für das 20. Jahrhundert gilt, nicht aber für das 19. Jahrhundert. Die deutsche Musik stand in jenem Jahrhundert, auch in der Relation gesehen, so viel besser da. In Ungarn gab es zu der Zeit zwar Ferenc Erkel, der ungarische Volksmusik in seinen Kompositionen verarbeitet hat. Aber die große Zeit der ungarischen Kunstmusik hat erst mit Kodály und Bartók begonnen.

    Zoltán Kodály und Béla Bartók sind zwei der Komponisten in Ihrem Konzertprogramm, Ernö Dohnány ist der dritte. Gibt es in der Musik dieser Meister ein typisch ungarisches Element, dass allen dreien zu eigen ist?
    HÉJA: Natürlich! Am Eklatantesten wohl bei Kodály. Der hat bei seinen "Tänzen aus Galanta", die wir im Konzert spielen, volkstümliche Tänze verarbeitet aus

    Kodálys "Tänze aus Galanta" sind auch in deutschen Konzertprogrammen ein fester Bestandteil des Repertoires. Ganz anders dagegen Ernö Dohnánys für Klavier und Orchester geschriebene Variationen über ein Kinderlied. Was hat Sie bewogen, gerade dieses Stück ins Programm zu nehmen?
    HÉJA: Ich mag das Stück ausgesprochen gern, ich liebe es geradezu! Dohnány war als Pianist herausragend, auch als Komponist war er gut, aber er wollte kein Neuerer sein. Trotzdem hat er unglaublich schöne Musik geschrieben, und dazu gehören diese Variationen. Mich berührt, dass das Variationsthema das Kinderlied "Morgen kommt der Weihnachtsmann" ist, diese ganz einfache Folge von Noten. Aber was Dohnány dann daraus macht, ist höchst reizvoll, denn er schreibt jede einzelne Variation im Stil eines seiner berühmten Kollegen, ob das nun Tschaikowsky, Ravel, Strauss oder ein anderer ist.

    Der Klaviersolist für die Aufführung des Stücks, József Balog, kommt ebenfalls aus Ungarn.
    HÉJA: Das war nicht speziell beabsichtigt. Ich war auf der Suche nach einem Pianisten, der die Variationen von Dohnány kennt, habe aber nicht nur in Deutschland, sondern auch darüber hinaus niemanden gefunden. Nur József war mit dem Stück vertraut.

    In einem der ungarischen Musik gewidmeten Konzertprogramm hätte man sich im Jahr 2023 auch einen Ungarn vorstellen können, der zweifellos zu den größten Komponisten seiner Zeit gehörte und heuer 100. Geburtstag gehabt hätte: György Ligeti.
    HÉJA: Ligeti werden wir in unserer Reihe "Zunkunft(s)musik" spielen.

    Aber nicht im großen Sinfoniekonzert.
    HÉJA: Mit unserem Artist in residence, dem Schlagzeuger Alexej Gerassimez, haben wir in dieser Spielzeit schon relativ viel Zeitgenössisches im Programm.

    Um noch einmal auf das "ungarische" Programm zurückzukommen: Von Béla Bartók wird das Konzert für Orchester zu hören sein, dessen Gattungsbezeichnung durchaus wörtlich zu nehmen ist – das Orchester ist hier nicht wenig gefordert. Gerade sind bei den Augsburger Philharmonikern durch den Weggang der Klarinettistin Bettina Aust und des Oboisten Sergio Sánchez zwei tragende Solistenstellen vakant. Wie steht es um adäquate Nachfolge?
    HÉJA: Wir bemühen uns natürlich darum. Für das kommende Sinfoniekonzert sind wir mit unseren Gastsolisten aber auch gut aufgestellt, denn nicht nur für Bartók ist das wichtig, sondern auch für Kodály, der in seine "Tänze" doch eine ganze Reihe von Klarinettensoli hineingeschrieben hat. 

    Seit Beginn Ihrer Augsburger Zeit haben Sie sich stark gemacht für die Aufführung ungarischer Musik, vorneweg für Béla Bartók, dessen Bühnenwerke Sie sämtlich konzertant aufgeführt haben und von dem zuletzt auch das Violakonzert zu hören war. Werden Sie die "ungarische Programmatik" weiterverfolgen?
    HÉJA: Unbedingt. Das gilt vor allem für Bartók, aber auch Dohnány, von dem wir auch schon dessen 1. Sinfonie gespielt haben, will ich weiter im Blick behalten. Und dann ist ja auch noch nach Bartók herausragende Musik geschrieben worden von ungarischen Komponisten: vom schon genannten Ligeti, aber auch von György Kurtág oder von Péter Eötvös.

    Zur Person

    Domonkos Héja, 1974 in Budapest geboren, ist seit der Spielzeit 2015/16 Generalmusikdirektor des Staatstheaters Augsburg. Das 2. Sinfoniekonzert der

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