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ARD-Wettbewerb: 1. Preis: Augsburgs neuer Mezzosopran im Glück

ARD-Wettbewerb

1. Preis: Augsburgs neuer Mezzosopran im Glück

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    Die Freude steht Natalya Boeva ins Gesicht geschrieben: Soeben hat sie den ARD-Musikwettbewerb gewonnen.
    Die Freude steht Natalya Boeva ins Gesicht geschrieben: Soeben hat sie den ARD-Musikwettbewerb gewonnen. Foto: Richard Mayr

    Viel hat Natalya Boeva nicht geschlafen. Die Erschöpfung sieht man der Mezzosopranistin schon an, aber gleichzeitig strahlt die neue Sängerin des Staatstheaters Augsburg von innen heraus. Seit Mittwochabend darf sie sich 1. Preisträgerin des ARD-Musikwettbewerbs nennen (10.000 Euro). Sie hat ihn in der Kategorie Gesang gegen starke Konkurrenz gewonnen. Lange gefeiert hat sie im Anschluss an die Preisverleihung nicht, nur eine Stunde war sie auf dem nachfolgenden Empfang. Nur das mit dem Einschlafen habe nicht geklappt. Glück kann auch wachhalten.

    Sonderlich aufgeregt sei sie am Tag ihres großen Auftritts im Münchner Herkulessaal nicht gewesen, erzählt sie. Am Mittwochmorgen findet die Generalprobe statt. Boeva, 29 Jahre alt, geboren, aufgewachsen und ausgebildet in St. Petersburg, gerade fertig mit ihrem Aufbaustudium an der Theaterakademie in München, hasst das. Am liebsten wäre ihr, wenn die

    Natalya Boeva freut sich auf ihr Publikum in Augsburg

    Lampenfieber? Aber nein. „Eine positive Anspannung, aber nur ein wenig. Nicht schlimm.“ Boeva weiß, dass sie gut vorbereitet ist. Und sie freut sich auf das Publikum. „Ich will mit den Zuhörern in Kommunikation treten. Auf der Bühne zu singen, das ist für mich ein Fest, eine Feier.“

    Von den Auftritten der anderen Sänger im Wettbewerb bekommt sie nicht viel mit. Nicht, wie die Konkurrenten ihre Partien meistern, nicht, wie das Publikum reagiert. DerBayerische Rundfunk überträgt das Wettsingen per Livestream. Den Auftakt macht die schwedische Sopranistin Ylva Sofia Stenberg, die im ersten Durchgang ihre Koloraturfähigkeit demonstriert mit Verdis „Caro nome“ und vor allem mit „O zittre nicht“, der Arie der Königin der Nacht aus Mozarts „Zauberflöte“ – ausgerechnet da aber im letzten Spitzenton ein wenig patzt.

    Sie setzt ganz auf Ausdruck

    Umso spannender daraufhin die Nummer zwei in der Auftrittsfolge – Natalya Boeva. Größer als zu den Mozart-Koloraturketten könnte der Gegensatz nicht sein als mit der Trauer-Arie „Es ist vollbracht“ aus Bachs Johannespassion. Ganz klar: Boeva setzt nicht auf das Herausstellen von vokaler Technik, sondern ganz auf Ausdruck, auf die Tragfähigkeit ihrer Stimme in gemessenem Tempo und karger Instrumentalbegleitung. Nicht zuletzt spielt sie hier eindrücklich die gesättigten Farben ihres tiefen Registers aus. Danach ein Sprung ins 20. Jahrhundert mit Benjamin Brittens „The Rape of Lucretia“, woraus sie „Give him this orchid“ der Titelfigur interpretiert. Musikalisch nun deutlich bewegter, was Boeva Gelegenheit gibt, die Homogenität ihrer Stimme herauszustellen, die mühelos gleitende Registerabstimmung beim Übergang aus der tiefen in die hohe Lage und zurück.

    Der chinesische Tenor Mingjie Lei und der Bassbariton Milan Siljanov aus der Schweiz folgen noch, bevor es in die Pause geht und danach in der selben Reihenfolge alle Kandidaten noch einmal antreten. Natalya Boeva gelingt „O don fatale“, die große Arie der Eboli aus Verdis „Don Carlos“, leidenschaftlich und vor allem makellos. Auch

    Preisverleihung beim ARD-Wettbewerb in München: Plötzlich steht die Zeit still

    Plötzlich scheint die Zeit anders zu verlaufen. Die beiden 3. Preisträger werden zunächst aufgerufen. Für Boeva werden die Sekunden immer länger. Ihr Name ist nicht dabei. Siljanov wird aufgerufen, 2. Preis. Ihr Name ist immer noch nicht genannt. Die Zeit steht still. Jetzt hört sie ihren Namen: 1. Preis. Nur versteht sie nicht gleich, dass das auch bedeutet, dass sie tatsächlich gewonnen hat. Applaus von überallher. Tatsächlich, gewonnen.

    Für Boeva ist das kein Grund, von ihren Prinzipien abzuweichen. Den anschließenden Empfang verlässt sie nach einer Stunde. „Ich mag Partys nicht. Es ist laut, ich muss viel sprechen, laut sprechen, das tut meiner Stimme nicht gut.“ Auch bei Premieren sei das Fest für sie, auf der Bühne vor Publikum zu singen. „So feiere ich.“ In dieser Nacht liegt sie noch lange wach – überall Glück.

    Am nächsten Morgen steht Natalya Boeva trotzdem früh auf, fährt nach Augsburg ans Staatstheater, weil dort die Proben für ihre Augsburg-Premiere als Sängerin anstehen: Preziosilla in „La forza del destino“ im Martinipark, „Die Macht des Schicksals“. Eine Ahnung davon, was für Kräfte walten können, hat Boeva in den zehn Wettbewerbstagen bekommen. Ihre Methode, um dem gewachsen zu sein: Disziplin. „Disziplin hilft mir, glücklich zu sein.“ Auf die Charlotte in Massenets „Werther“, die im Februar in Augsburg Premiere hat, bereitet sich Boeva seit zwei Monaten vor.

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