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Foto: Silvio Wyszengrad
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Die Intensivstationen der Uniklinik in Augsburg sind schon seit Wochen am Limit.

Augsburg
02.12.2021

Todesfälle, Intensivpatienten, R-Wert: Wie angespannt ist die Corona-Lage?

Von Jörg Heinzle, Stefan Krog

Beruhigt sich die Corona-Lage in Augsburg? Wie oft müssen Geimpfte und Ungeimpfte ins Krankenhaus - und wie sieht es bei den Todesfällen aus? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Stadt Augsburg ist zuletzt nicht mehr stark gestiegen - sie pendelt jetzt im Bereich von etwas über 500. Ist die vierte Corona-Welle damit überwunden?

Nein, überwunden ist die Welle nicht. Tatsächlich ist das starke Wachstum bei den Infektionszahlen in Augsburg gebremst. Während die Sieben-Tage-Inzidenz im November längere Zeit nahezu ungebremst in die Höhe schoss, hat sich die Situation jetzt etwas beruhigt. Am Donnerstag lag die Inzidenz in der Stadt laut Robert-Koch-Institut bei 528 - und damit in etwa auf dem Wert der Vortage. Augsburgs Umwelt- und Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) spricht von einer "Plateaubildung" bei der Inzidenzkurve. Bei der Stadt geht man davon aus, dass sich die Inzidenz auch in den kommenden Tagen auf diesem Niveau bewegen wird. Das heißt aber auch: Mit einem spürbaren Rückgang rechnet die Stadt derzeit nicht. Im Gegenteil: "Vermehrte Kontakte in der Vorweihnachtszeit können zu einem erneuten Anstieg bereits in den vor uns liegenden Wochen führen", warnt Erben.

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Was bedeutet es für die Krankenhäuser, wenn die Infektionszahlen zwar nicht mehr steigen, aber auf dem jetzigen Niveau bleiben?

Die Botschaft aus den Kliniken in der Region ist eindeutig: Das derzeitige Infektionsgeschehen ist zu hoch, um an den Krankenhäusern klarzukommen. Damit vor allem auf den Intensivstationen eine Entspannung eintreten könnte, müssten die Infektionszahlen deutlich sinken. Das zeigt eine einfache Rechnung: Rund vier Prozent der Infizierten in Augsburg mussten zuletzt in einem Krankenhaus behandelt werden, etwa ein Prozent der Erkrankten sogar auf der Intensivstation. Alleine in den vergangenen sieben Tagen wurden in Augsburg knapp 1600 neue Infektionen festgestellt – was ungefähr 16 weiteren Intensivpatienten entspricht. In der Stadt Augsburg und den beiden Nachbarlandkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg wurden am Donnerstag insgesamt 53 Corona-Erkrankte auf einer Intensivstation behandelt, nur sieben Betten waren laut Intensivregister frei gemeldet. Der Uniklinik-Chefarzt Prof. Axel Heller, der die Krankenhausbelegung im Großraum Augsburg koordiniert, sagt deshalb auch, dass die Zahl der Kontakte in der Bevölkerung dringend sinken muss.

Zuletzt wurden Corona-Patienten aus dem Raum Augsburg auch in andere Bundesländer verlegt, um für Entlastung zu sorgen. Geht das weiterhin?

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Ohne das Hin- und Verlegen von Patientinnen und Patienten wären die Kliniken schon längst nicht mehr handlungsfähig. Allerdings wird auch hier der Spielraum immer enger. Im vergangenen Winter wurden nach Angaben von Klinik-Koordinator Axel Heller innerhalb von drei Monaten 180 Patienten aus dem Großraum verlegt - teils in andere Häuser in der Region, teils auch darüber hinaus. Jetzt, in der vierten Welle, waren es alleine im November schon über 100 Verlegungen. 25 Erkrankte kamen in anderen Bundesländern unter. Sie wurden unter dem Stichwort "Operation Kleeblatt" auch mit einem Bundeswehr-Airbus und mit einem speziellen Intensiv-Bus transportiert. An diesem Freitag sollen noch mal weitere Patienten aus Schwaben per Flugzeug von Memmingen aus in andere Teile Deutschlands verlegt werden. Dr. Hubert Mayer, der ärztliche Koordinator im Regierungsbezirk Schwaben, rechnet aber damit, dass andere – bislang weniger stark betroffene – Bundesländer auch nur noch bis Ende dieser Woche über Aufnahmekapazitäten verfügen und danach auch diese Kleeblatt-Option nicht mehr zur Verfügung stehen könnte.

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So läuft die Arbeit auf der Intensivstation am Augsburger Uniklinikum
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Dieses Schild prangt auf der Tür am Eingang der Corona-Intensivstation am Augsburger Uniklinikum.

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Fein säuberlich sortiert sind die Klamotten, die das Personal auf der Station tragen muss.

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Stephanie Mammensohn ist stellvertretende Bereichsleiterin auf der Corona-Intensivstation.

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Die Monitore zeigen an, wenn sich ein wichtiger Wert eines Covid-Patienten außerhalb der Norm bewegt.

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Dieses Zimmer wird gerade für einen neu ankommenden Corona-Patienten vorbereitet.

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Die Ausstattung, die erforderlich ist, um Covid-Patientinnen und -Patienten zu behandeln, ist hochkomplex.

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Zwei Intensivpflegerinnen bereiten sich für einen Einsatz in den Zimmern vor.

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Stephanie Mammensohn kümmert sich um die schwersten Corona-Fälle am Augsburger Uniklinikum.

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Eine Corona-infizierte Lunge: Das gesunde Gewebe ist dunkel, der weißliche Bereich zeigt Flüssigkeit an - Anzeichen des Schadens, den das Virus hinterlassen hat.

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Über den Gang auf der Intensivstation hallen verschiedene Alarmtöne.

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Die Arbeit an Corona-Patientinnen und -Patienten ist für das Personal körperlich und psychisch belastend.

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Um bestmöglich gegen eine Infektion geschützt zu sein, sind verschiedene Schutzvorrichtungen erforderlich - unter anderem Brille, Haube und Maske.

Derzeit wird überall für die Impfung und die Auffrischung getrommelt. Doch wie oft müssen auch Geimpfte wegen einer Corona-Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert werden?

Die Stadt Augsburg hat dazu Zahlen für die Monate Oktober und November – und diese sind ziemlich eindeutig. Von den Infizierten in Augsburg, die im Oktober und November ins Krankenhaus kamen, waren demnach 26 Prozent vollständig geimpft, 74 Prozent dagegen ungeimpft. Bei den Intensiv-Fällen ist der Unterschied den städtischen Zahlen zufolge noch mal deutlicher. Nur 14 Prozent der Intensivpatienten aus Augsburg waren komplett geimpft, 86 Prozent dagegen hatten keine Impfung. Das zeigt: Wären alle Erwachsenen geimpft, wären die Klinik nicht am Limit. Der ärztliche Direktor der Hessing-Klinik, Prof. Stephan Vogt, sagt, die geimpften Patienten seien in der Regel wegen einer anderen Erkrankung in Behandlung – und die Covid-Diagnose eigentlich nur Begleiterscheinung. Auch an der Hessing-Klinik sind inzwischen sieben von insgesamt acht Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt.

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Wie entwickeln sich die Corona-Todesfälle in der Stadt Augsburg - und wie hoch ist hier der Anteil der Geimpften?

Im Sommer gab es in Augsburg nur noch einzelne Corona-Todesfälle. Seit dem Herbst steigt die Zahl wieder, besonders deutlich ist der Anstieg seit Mitte November. Zum Vergleich: Im September wurden zehn Todesfälle gezählt, im Oktober waren es 14 Fälle, im November dann 59 Tote. 21 Prozent der Covid-Toten im Oktober und November waren nach Angaben der Stadt Augsburg vollständig geimpft, 79 Prozent nicht. Das Durchschnittsalter lag bei den Todesfällen von Oktober und November bei etwa 81 Jahren. Bei den Todesfällen ohne vollständige Impfung lag das Durchschnittsalter in diesem Zeitraum bei 80 Jahren, darunter auch elf Personen unter 70 Jahren. Die beiden jüngsten Verstorbenen waren erst 49 Jahre alt. Bei den vollständig geimpften Verstorbenen lag das Durchschnittsalter höher bei 86 Jahren - und nur eine Person war mit 64 Jahren jünger als 70.

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Der sogenannte R-Wert spielt ein wichtige Rolle, um das Infektionsgeschehen einzuschätzen. Wie hoch ist er derzeit in Augsburg?

Der R-Wert gibt an, wie viele Personen durch einen Infizierten angesteckt werden. Liegt der Wert über 1, dann legt das Infektionsgeschehen zu. Liegt der Wert darunter, geht das Infektionsgeschehen zurück. In der Stadt Augsburg ist der Wert zuletzt gesunken und schwankt jetzt seit etwa einer Woche um die Grenze von 1 - am Donnerstag lag er nach den Berechnungen der Stadt sogar ziemlich genau bei 1,0. Aktuell gibt es laut Gesundheitsreferent Reiner Erben "keine Signale für eine wesentliche Änderung dieses Verlaufs in den nächsten Tagen". Das heißt aber auch: Die vierte Welle ist noch immer da - und ein baldiges Abebben noch nicht in Sicht.

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