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Foto: Ulrich Wagner (Archivfoto)
Foto: Ulrich Wagner (Archivfoto)

Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber startete im Corona-Jahr in ihr Amt.

Interview
25.12.2020

OB Eva Weber: "Auf eine Pandemie kann man sich eben nicht vorbereiten"

Von Stefan Krog, Nicole Prestle

Die Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber hatte sich vieles vorgenommen – doch dann kam Corona. Ein Gespräch über das Regieren in Krisenzeiten.

Seit acht Monaten ist Eva Weber Oberbürgermeisterin der Stadt Augsburg. Sie hatte sich vieles vorgenommen, doch dann kam Corona und damit alles anders. Das Krisenmanagement der Stadt wurde in den vergangenen Wochen immer wieder infrage gestellt, dennoch ist die Oberbürgermeisterin überzeugt, vieles richtig gemacht zu haben. Ein Gespräch über Regieren in Krisenzeiten, das Miteinander in Stadtrat und Gesellschaft und die Frage, wie dieses Jahr Weihnachten laufen wird

Frau Weber, lassen Sie uns über das beherrschende Thema sprechen, über Corona. In Augsburg gelten seit Wochen strenge Auflagen, der Inzidenzwert ist trotzdem hoch. Woran liegt das, haben wir an irgendeinem Punkt zu spät auf die Entwicklung reagiert?
Eva Weber: Zur Einordnung muss man sich die Gesamtsituation anschauen. Wir in Augsburg waren an der Spitze der ansteigenden Werte. Wenn ich mir nun andere Städte anschaue – München, Nürnberg, Schwabach, Hof, Coburg – dann sieht man, dass wir alle mit der gleichen Entwicklung zu kämpfen haben, manche früher, manche später. Wir in Augsburg haben die Situation insoweit im Griff, als wir ein Plateau auf hohem Niveau halten können.

Dennoch beschäftigt die Bürger hier speziell die Augsburger Situation...
Eva Weber: Viele fragen immer, ob wir im Nachhinein betrachtet etwas falsch gemacht haben. Ich glaube, es wäre seltsam, wenn man in der Rückschau nicht auch mal sagen müsste, dass es auch Punkte gab, bei denen es gehakt hat und die man hätte anders machen können. Wir haben eine Grafik erstellt, auf der man ganz gut ablesen kann, wann wo was genau passiert ist. Da erkennt man gut: Ab dem Wochenende der Friedenspreisverleihung, dem 10. Oktober, können wir ein exponentielles Wachstum verzeichnen. Da bin ich am Freitagabend aus dem Büro gegangen und wir hatten eine Inzidenz von 29. Am nächsten Tag in der Früh waren wir bei 35, Samstagabend kam die Meldung, dass wir über die 50 sind.

Was hat die Stadt dann gemacht?
Eva Weber: Wir haben sehr schnell reagiert, auch mit zusätzlichen Maßnahmen. Was wir damals gemacht haben – zusätzlich zum Personalaufbau im Gesundheitsamt – waren ja nicht nur die Maßnahmen der Infektionsschutzverordnung bei einer Inzidenz über 50. Wir haben diese nochmals verschärft und den Lockdown light vorgezogen. Das war für uns ein Risiko, weil noch nicht klar war, ob die Restaurants und Dienstleistungsbetriebe, die wir schon Freitag zugemacht haben, auch für das Wochenende bereits eine Erstattung des Freistaats für ihre Ausfälle bekommen. Mit dem damaligen Erkenntnisstand waren wir nicht zu spät dran. Im Nachhinein lassen sich Sachen aber immer kritischer betrachten.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Archivfoto)
Foto: Silvio Wyszengrad (Archivfoto)

„Jeden Tag passieren neue Dinge, auf die man reagieren muss.“ Eva Weber (CSU) ist seit Mai Oberbürgermeisterin der Stadt Augsburg – als erste Frau in diesem Amt.

Wäre es nicht besser gewesen, statt eines vorgezogenen soften Lockdowns einen kompletten zu beschließen?
Eva Weber: Wir müssen auch die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen und immer auch die Verhältnismäßigkeit wahren. Verfassungsrechtler haben immer betont, dass man im Frühjahr viel freier beschließen konnte, weil keiner wusste, wie sich eine Pandemie auswirkt. Je mehr man über diese Pandemie gelernt hat, desto mehr ist der Grundrechtsschutz und damit die Frage der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen in den Mittelpunkt gerückt. Deshalb musste man auch zunächst versuchen, mit milderen Maßnahmen das gleiche Ziel zu erreichen. Das ist aus meiner Sicht der Grund, warum Anfang November der Lockdown light kam.

Augsburg war damals beim Inzidenzwert Spitzenreiter. Fühlen Sie sich vom Freistaat im Stich gelassen, weil er keine schärferen Maßnahmen zuließ, wie es sie in Berchtesgaden schon bei einem niedrigeren Wert gab?
Eva Weber: Ich habe mich vom Freistaat zu keinem Zeitpunkt im Stich gelassen gefühlt. Und das sage ich jetzt nicht nur deswegen, weil der Ministerpräsident, die Gesundheitsministerin und der Gesundheitsstaatssekretär meiner Partei angehören, sondern weil’s einfach so ist. Wir sind in einem sehr engen Austausch gewesen und sind es immer noch. Es war gerade in der Zeit Oktober, November, wo wir in Augsburg mit den Zahlen so hochgeschossen sind, ein täglicher Austausch. Es hat auch eine Schalte gegeben, in der wir gemeinsam mit den Landräten Martin Sailer und Klaus Metzger und dem Regierungspräsidenten überlegt haben, ob man in Augsburg einen vorgezogenen, kompletten Lockdown macht wie in Berchtesgaden, weil wir so hoch lagen.

Video: Ina Marks und Jörg Heinzle
Video: Die Augsburger OB-Kandidaten über ihr Wahlergebnis

Warum hat man es nicht getan?
Eva Weber: Weil wir so enge Verflechtungen in die beiden umliegenden Landkreise haben. Die hätte man dann auch runterfahren müssen, trotz damals viel niedriger Inzidenzwerte, denn es macht keinen Sinn, im Stadtgebiet einen Lockdown zu verhängen, und außenrum geht das normale Leben weiter. Das hätte bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger, die vielleicht auch asymptomatisch waren und gar nichts von ihrer Infektion gewusst haben, ins Umland zum Einkaufen und zur sonstigen Freizeitgestaltung ausgewichen wären. Wir hätten die Infektionsherde damit verlagert. Wir haben das mit dem Gesundheitsstaatssekretär Klaus Holetschek, den Landräten und der Regierung von Schwaben diskutiert.

Sie sind also nicht sauer. Anders herum hört man, Ministerpräsident Söder war verärgert, weil Augsburg erst so spät die Hilfe der Bundeswehr angefordert hat.
Eva Weber: Die Aussage stimmt nicht. Ich habe nach der Berichterstattung Ihrer Zeitung Markus Söder angerufen und gefragt. Er sagte, die großen Städte seien seines Erachtens nach insgesamt zu spät dran gewesen. Söder hat das nicht allein auf Augsburg bezogen. Wir haben am 27. Oktober die Anforderung an die Bundeswehr gemacht, davor hatten wir schon die Polizei mit ins Boot geholt. Wenn uns jemand am 15. Oktober gesagt hätte, dass wir am 6. November bei einer Inzidenz von 370 landen, dann hätte man schon am 15. Oktober die Bundeswehr geholt. Die Dynamik des exponentiellen Wachstums war so einfach nicht absehbar.

Gesundheitsreferent Reiner Erben lehnte die Hilfe der Bundeswehr mit der Begründung ab, man müsse für diese Leute ja erst einmal Arbeitsplätze und Unterkünfte bereit stellen. Ein nicht gerade starkes Argument. Auch sonst hat Herr Erben als Krisenmanager oft unglücklich reagiert. War es wirklich richtig, das Gesundheitswesen nach der Wahl seinem Referat zuzuordnen?
Eva Weber: Städtische Ämter sind für sich organisiert und arbeiten selbstständig. Dass die Gesundheitsämter in ganz Deutschland überfordert sind mit der Pandemie, darüber wird immer wieder berichtet. In Augsburg gibt es ein städtisches Gesundheitsamt, das gibt es fast nirgends in Bayern. Alles, was hier passiert, kann man deshalb immer in Verbindung bringen mit Lokalpolitikern. Woanders gibt es diese Verflechtungen gar nicht. Ich weiß aber von Landrats- und Oberbürgermeisterkollegen, dass die Situation in anderen Städten zum Teil viel gravierender ist als in Augsburg.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Archivfoto)
Foto: Silvio Wyszengrad (Archivfoto)

Auf mehreren Pressekonferenzen schilderte Oberbürgermeisterin Eva Weber, wie sich die Corona-Lage in Augsburg entwickelt hatte.

Was läuft schief, anderswo und hier?
Eva Weber: In Augsburg haben wir mit Veränderungsprozessen zu tun. Innerhalb von wenigen Tagen wurde das Personal verdoppelt, das muss eine Organisation auch erst mal schaffen. Das ist ähnlich wie in Unternehmen, die gerade Schrumpfungsprozesse durch Kurzarbeit oder Homeoffice erleben. Damit muss man erst einmal umgehen lernen.

Noch mal: Herr Erben hat Ihrer Ansicht nach als Krisenmanager also alles richtig gemacht?
Eva Weber: Natürlich gibt es Prozesse, die nicht gut gelaufen sind. Die Umstellung der Software wurde nicht ausreichend kommuniziert und die damit auftretenden Fragen bezüglich der Richtigkeit der Zahlen waren nicht vertrauensbildend. Das war unnötig. Eine Ausnahmesituation wie eine Pandemie ist jedoch eine Mannschaftsleistung. Das kann man nicht auf eine Person fokussieren und die ist dann schuld oder nicht. Ich weiß nicht, ob man sich von außen auch nur halbwegs ein Bild davon machen kann, was hier in den letzten Wochen von den Mitarbeitenden geleistet worden ist. Ich bin dankbar, dass wir Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter haben, die von jetzt auf gleich ihren Stift haben fallen lassen bei ihrer eigentlichen Arbeit und in Führungsaufgaben gegangen sind, um ein Gesundheitsamt mit guten Strukturen für diese herausfordernde Zeit aufzubauen. Das ist nichts, was spurlos an einer Organisation vorbeigeht.

Das Krisenmanagement der Stadt wird auch in sozialen Netzwerken diskutiert, zum Teil scharf oder auch unsachlich. Hat sich der Umgangston in der Gesellschaft verändert?
Eva Weber: Ich finde schon, dass er sich verändert hat. Vor allem bei Facebook wird inzwischen ein grenzwertiger Ton angeschlagen. Wir stellen fest, dass – egal bei welchem Thema – es eine Handvoll Leute gibt, die knallhart unterwegs und mit allem nicht zufrieden sind. Da muss man sich leider oft sagen: links rein, rechts raus. Was strafrechtlich relevant ist, ahnden wir. Aber das ist offenbar der Ton in sozialen Medien.

Können Sie alle Anfechtungen einfach so wegstecken?
Eva Weber: Es gibt ein Sprichwort, das heißt: Wenn einem in der Küche zu heiß ist, sollte man nicht Koch werden. Wenn man politisch unterwegs ist, darf man nicht zart besaitet sein und wegen jeder Kritik zusammenbrechen. Kritik ist ja auch nichts, was grundsätzlich schlecht ist. Es ist normal, dass Fehler passieren – daraus muss man lernen – und es ist normal, dass nicht jeder einverstanden ist mit dem, was ich mache. Aber wenn Grenzen überschritten werden, ist bei mir auch Schluss.

Wie schützen und erholen Sie sich?
Eva Weber: Ich lese beleidigende Sachen nicht mehr. Das lohnt sich auch überhaupt nicht, man kennt die Kandidaten, die Hasskommentare loslassen. Wie ich Erholung finde? Das geht tatsächlich seit Monaten nicht, seit Monaten ist Volldampf voraus angesagt. Die Momente, in denen ich abschalten kann, kann man an einer Hand abzählen. Es ist Krisenzeit, ich bin im permanenten Dauermodus.

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Foto: Stefan Puchner, dpa
In Bildern: Das ist Augsburgs neue Oberbürgermeisterin Eva Weber
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Foto: Stefan Puchner, dpa

Haltestelle Rathausplatz am Stichwahl-Sonntag: Eva Weber auf dem Weg ins Rathaus. Sie setzte sich gegen Dirk Wurm (SPD) durch. Die Entscheidung fiel mit 62,3 zu 37,7 Prozent.

Foto: Annette Zoepf

Lechhauser Kirchweih 2018, Start mit dem Fassanstich: Eva Weber ist seit 2014 zweite Bürgermeisterin und Wirtschafts- und Finanzreferentin. Nun steigt sie zur Oberbürgermeisterin auf.

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Drei Mal pro Woche geht die neue Oberbürgermeisterin Eva Weber morgens um 6 Uhr joggen – unabhängig vom Wetter und von der Jahreszeit.

Foto: Michael Hochgemuth

Eine Grundsteinlegung in Augsburg: Eva Weber stammt aus Burgberg im Allgäu, am Grünten gelegen. "Was ich als Kind toll fand, war, dass um mich rum die gesamte Familie versammelt war."

Foto: Silvio Wyszengrad

Kommunalwahl 2020, CSU-Bundestagsabgeordneter Volker Ullrich macht ein Selfie. Abi machte Weber 1996, Mathe und Physik waren dabei nicht ihre Stärken, erzählt sie.

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Eva Weber bei einem Marktsonntag: Weber ist die erste Frau im Amt des Oberbürgermeisters in der Geschichte Augsburgs.

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Eva Weber mit ihrem Mann Florian: Sie lernten sich während des Jura-Studiums in Bayreuth kennen. Seit Oktober 2000 sind sie ein Paar.

Foto: Klaus Rainer Krieger

Eva Weber im Interview: "Ich war eigentlich immer schon politisch", sagt sie. Schon in der Grundschule konnte sie die Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung aufsagen.

Foto: Annette Zoepf

Immer mal wieder muss Weber anzapfen. Hier brauchte sie zwei Schläge. Warum sie Politikerin geworden ist? Wegen ihres Antriebs, dass "ich selbst was tun muss, dass sich etwas verändert."

Foto: Silvio Wyszengrad

Augsburgs starke Frauen: Martina Wild (Grüne) ist Eva Webers Stellvertreterin. Die CSU und die Grünen hatten sich im April auf ein schwarz-grünes Regierunsbündnis geeinigt.

Foto: Wyszengrad

Augsburgs neue Oberbürgermeisterin Eva Weber legt am 4. Mai 2020 den Amtseid ab. Bernd Kränzle als dienstältester Stadtrat leitete die Amtseinsetzung.

So hatten Sie sich ihr Amt als Oberbürgermeisterin wahrscheinlich nicht vorgestellt?
Eva Weber: Was heißt, nicht vorgestellt Ich bin ja nicht blauäugig. Ich weiß, was so ein Amt mit sich bringt, dazu war ich auch zu nah an Kurt Gribl dran, als dass ich nicht hätte einschätzen können, wie die Dinge laufen. Aber mit so einer Pandemie konnte niemand rechnen und darauf kann man sich eben auch nicht perfekt vorbereiten. Da passieren jeden Tag neue Dinge, die geregelt werden müssen. Auf was ich mich verlassen kann, ist ein Team, das funktioniert, und da meine ich jetzt nicht nur meine engsten Mitarbeiter, sondern auch die Führungsgruppe Katastrophenschutz, in der die Feuerwehr, Rettungsdienste und Uniklinikum dabei sind. Es gibt in dieser Stadtverwaltung so viele Menschen, die schlau sind und wissen, wovon sie reden. In so einer Krise werden die Kräfte gebündelt und es wird die ganze berufliche Erfahrung von allen zusammengepackt. Da ist in den letzten Monaten so viel Gutes gemacht worden, über das halt nur nicht immer berichtet worden ist.

Sie dürfen gerne ein Beispiel nennen.
Eva Weber: Ich glaube schon, dass wir in Augsburg die Pandemie und alles, was mit ihr zu tun hat und unter Beachtung auch der Fehler, die passiert sind, gut im Griff haben. Ich habe Zeiten in diesem Jahr erlebt, wo täglich unzählige Verfügungen des Freistaates und ministerielle Schreiben eingingen. Die müssen ausgewertet, eingeordnet, umgesetzt werden. Ich habe Mitarbeitende erlebt, die bis zum Rand der Erschöpfung auch an Wochenenden in Videokonferenzen präsent waren. Wenn am Adventssonntag Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten tagen, dann sitzt der operative Krisenstab, der nicht nur aus der Stadtspitze besteht, vor der Pressekonferenz und danach werden die Aufgaben verteilt, weil man keine Zeit verlieren will. Oder das Stammpersonal des Gesundheitsamtes, das mit seinem Fachwissen als Multiplikator eine Schaltzentrale für die Bekämpfung der Pandemie ist. Oder die Lehrer, Erzieher, die den Laden am Laufen gehalten haben. Ich bin stolz und dankbar auf diese Teams, die so viel geleistet haben.

Sie sind seit Mai im neuen Amt. Hat Corona in dieser Zeit alles bestimmt?
Eva Weber: Nein, aber vieles. Es sind aber auch viele andere Themen bearbeitet worden, eine Stadt steht ja nicht still und man darf nicht den Blick für das große Ganze verlieren. Es sind viele Beschlüsse gefasst worden – zu den Schulsanierungen, zur Linie 5, zum Klimaschutz und dann der Doppelhaushalt, der nur mit sieben Gegenstimmen verabschiedet wurde. Das war viel Arbeit, diese Mehrheiten zu gestalten, aber das hat mich glücklich gemacht, weil es zeigt, dass das gemeinsame Verantwortungsbewusstsein der Stadträte für Augsburg groß ist. Oder auch das Thema der digitalen Endgeräte für Schüler oder das Hundert-Millionen-Programm für künstliche Intelligenz… Es ist so viel dieses Jahr passiert. Corona hat nur alles überschattet. Man redet ja auch über nichts anderes mehr, das geht einem ja im Privaten auch schon so.

Sie hatten sich viel vorgenommen für die Zeit nach der Wahl. Welche Projekte, die jetzt nicht umgesetzt werden konnten, schmerzen Sie besonders?
Eva Weber: Da gibt es ganz viele, aber eines, das mir wirklich am Herzen lag, war das Thema Bildungsbüros. Das wollten wir dezentral aufziehen, nun muss man aufgrund der Finanzsituation sehen, wie man das machen kann. Oder zum Beispiel auch das Thema, die – ich nenne es jetzt mal so – Start-up-Denke in den Schulen zu etablieren. Es sind halt nicht nur finanziell, sondern auch personell Grenzen da, wenn zum Beispiel eine ganze Wirtschaftsförderung seit Monaten nichts anderes macht, als eine Hotline zu bedienen und den Unternehmen zu helfen, über die Existenzkrise hinwegzukommen. Das ist nun die vordringlich wichtigere Aufgabe.

Sie hatten vor der Wahl gesagt, Sie wollen sich um mehr Miteinander auch mit der Opposition bemühen. Bei den Beschlüssen zur Linie 5 und zum Theater war die Opposition geschlossen dagegen. Was ist denn geworden aus diesem Mehr an Miteinander?
Eva Weber: Ich möchte nicht sagen, dass das Klima rauer geworden ist, das finde ich nicht, weil man trotzdem einen guten Umgang miteinander pflegt. Ich denke aber, der Stadtrat ist in den vergangenen Monaten diskussionsfreudiger geworden und das ist etwas Positives. In den letzten Jahren gab es oft den Vorwurf, dass alles zu weichgespült ist, dass aufgrund der Großen Koalition nichts mehr infrage gestellt wurde. Das, was jetzt geschieht, tut der Demokratie doch gut.

Trotz der harten Debatten und einer teils spürbaren Distanz?
Eva Weber: Dass manche Dinge nicht funktionieren, da ist auch Corona schuld. Mir wäre es wichtig gewesen, dass wir als Gremium mehr zusammenwachsen. Teambuilding heißt das auf Neudeutsch. Mit den Stadträten, die neu sind und nicht meiner Fraktion angehören, habe ich bis auf Hallo und Tschüss noch nicht viel gesprochen. Aber es ist auch wichtig zu verstehen, wo die Schwerpunkte der Menschen liegen, was sie gerne mögen und umsetzen mögen, um das in die Arbeit zu integrieren. Was ich mit mehr Miteinander gemeint habe, ist aber etwas anderes.

Was haben Sie denn gemeint?
Eva Weber: Es ging mir nicht darum, dass künftig alle Beschlüsse einstimmig sein sollen, dass nicht mehr diskutiert wird oder so lange, bis sich alle einig sind. Was ich meinte, war, dass die Opposition einen größeren Spielraum bekommt – und zwar vor allem auch in Gremien, die nicht Stadtrat oder Ausschuss heißen, für die ja festgelegt ist, wie viele von welcher Fraktion oder von den Einzelstadträten dort vertreten sind. Es hat in den letzten Jahren kein einziges Mal Ausschussvorsitzende gegeben aus Reihen der Opposition. Das habe ich geändert. Oder nehmen Sie zum Beispiel die Aufsichtsräte. Da sitzen jetzt auch Vertreter der Opposition. Das war mir wichtig. Wir hatten in den letzten Monaten auch schon Situationen, in denen Oppositionsvertreter in Aufsichtsräten gegen etwas gestimmt haben. Das hat es früher nicht gegeben. Diese Zusammensetzung hätte ich so nicht gestalten müssen, aber mir war das einfach wichtig, dass es eine Einbindung über die Koalition hinaus gibt.

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Foto: Stefan Puchner
Foto: Stefan Puchner

Eva Weber mit ihrem Ehemann Florian Weber.

Nicht alle teilten die Begeisterung für eine schwarz-grüne Regierungskoalition...
Eva Weber: Ein Wort zur Koalition. Ich glaube, dass der Wählerwille nach dem 15. März deutlich ablesbar war. Schwarz und Grün haben eine sehr deutliche Mehrheit zusammen und ich glaube, dass das momentan das interessanteste Angebot ist. Diese Konstellation kann dafür sorgen, dass man Ökologie und Ökonomie verbindet. Das ist auch der Geist, unter dem der Koalitionsvertrag hier entstanden ist. Das wird nicht nur in Augsburg, sondern auch aus München und Berlin beäugt. Da schauen jetzt viele, wie das in der Großstadt funktioniert.

Und, wie funktioniert’s?
Eva Weber: Man darf eine Koalition nicht darauf runterbrechen, dass die Partner immer einer Meinung sein müssen. Wir sind nach wie vor zwei Parteien mit eigenen Gedanken und DNA. Da gibt es natürlich Diskussionen, aber nicht auf persönlicher Ebene. Das sind gute, sachliche Diskussionen. Der Koalitionsausschuss ist ein Gremium, das Spaß macht. Da wird um Themen gerungen, tief diskutiert. Das finde ich auch für unsere Stadt so wichtig. Wir als CSU müssen unsere Wähler mitnehmen und CSU-Politik machen, das gilt für die Grünen auch. Da die Schnittmengen rauszufinden, ist spannend.

Vom Klimacamp einmal abgesehen, wo sind andere Reibungspunkte zwischen Ihrer Partei und den Grünen, wo muss man Kompromisse machen?
Eva Weber: Das hört sich so an, als wären Kompromisse etwas Schlechtes. Ich finde Kompromisse gut, aber der Wille zum Kompromiss, der zu jeder Gesellschaft gehört, wird immer kleiner. Reibungspunkte gibt es in der Koalition bei vielen Themen, zum Beispiel auch bei der Frage, wie gestaltet man eine Innenstadt, wie geht man mit einem Stadtsommer um. Da geht es oft darum, wie genau etwas aussieht. Es gibt pragmatischere Ansätze und grundsätzlichere. Aber Kompromisse sind etwas, was unsere Gesellschaft handlungsfähig macht. Wenn wir Kompromisse finden, ist das Lebensgefühl der Augsburgerinnen und Augsburger bestmöglich abgebildet.

Wenn Corona hoffentlich irgendwann nicht mehr alles bestimmt, was wollen Sie politisch zügig anpacken?
Eva Weber: Ich möchte die Frage eine Ebene höher ansiedeln. Die wichtigere Frage wird sein: Wie geht es unserer Stadt, was braucht sie und wie überwindet sie diese Pandemie. Es gibt nicht wenige, die extrem darunter leiden – Kulturschaffende, Gastronomie, Einzelhandel aber auch viele, die in Kurzarbeit sind oder in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind. Es wird eine Riesenherausforderung, die Spätfolgen dieser Pandemie zu überwinden.

Spielen die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags da überhaupt noch eine Rolle?
Eva Weber: Es gibt im Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün viele gute Antworten, wie eine Stadt sich entwickeln muss. Das wird gerade überprüft und angepasst an die Situation. In acht Monaten Pandemie hat sich vieles verändert. Politik heißt auch, permanent nachzujustieren und das zu verändern, was die Gegenwart einem mit auf den Weg gibt.

Eine letzte Frage, Frau Weber. Wie werden Sie dieses Weihnachtsfest verbringen?
Eva Weber: Wir werden im allerkleinsten – wie soll es in diesem Jahr auch anders gehen – Familienkreis feiern.

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