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Die Erinnerung ans Elternhaus passt in eine Hand

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Die Erinnerung ans Elternhaus passt in eine Hand

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    Josef Pfister mit einem Mörser, den ihm Bekannte bei einem Besuch seine alten Heimat, aus dem Wohnhaus seiner Familie mitgebracht haben.
    Josef Pfister mit einem Mörser, den ihm Bekannte bei einem Besuch seine alten Heimat, aus dem Wohnhaus seiner Familie mitgebracht haben. Foto: Andreas Lode

    Neusäß Josef Pfister aus Neusäß hat eine Überzeugung: Wenn Menschen aufeinander zugehen, jeder seinen Beitrag zur Verständigung leistet, dazu beiträgt, eine demokratische Gesellschaftsordnung zu unterstützen, wenn diese gefördert und beachtet wird, dann kann auch heutzutage Völkerverständigung und Integration gelingen, sagt er. Als sogenannter Donauschwabe hat Pfister es selbst erlebt, was es heißt, an einem fremden Ort neu anfangen zu müssen. Das erzählt er:

    „Wir waren die sogenannten Donauschwaben. Unsere Vorfahren sind im 18. Jahrhundert, überwiegend aus dem süddeutschen Raum, in das damals mächtige Königreich Österreich-Ungarn ausgewandert (meine Ahnen stammen beispielsweise aus dem Schwarzwald). Sie haben das Gebiet zwischen der Donau und der Theis, die sogenannte Batschka, besiedelt und urbanisiert. Etwa 250 Jahre später mussten wir flüchten.“ Josef Pfister erklärt auch die Hintergründe: „Dieses Gebiet fiel nach dem Ersten Weltkrieg an Jugoslawien. Doch die deutschstämmigen Auswanderer konnten sich mit der jugoslawischen Staatsbürgerschaft nicht identifizieren. Sie haben immer noch „deutsch“ gedacht und im Zweiten Weltkrieg sich mit Deutschland verbunden gefühlt. Das wurde ihnen nun zum Verhängnis.“ Auf der einen Seite rückte die Ostfront näher, auf der anderen Seite gab es dreiste Übergriffe von Tito-Partisanen, dem damaligen Machthaber in

    „Nach einer zweijährigen Odyssee auf der Flucht vor den Fronten des Krieges kamen wir zuerst nach Schlesien, dann mussten wir weiter nach Sachsen und schließlich zurück nach Ungarn.

    „Wir“, das waren Josef Pfister, damals sechs Jahre alt, sein vierjähriger Bruder, seine Mutter und die Großeltern Pfister. Zum Vater hatte die Familie damals keinen Kontakt. Er war im Sommer 1946 in einem amerikanischen Gefangenenlager in Dachau. Dort spürte ihn seine Schwester auf. Nach Stationen in mehreren Flüchtlingslagern bekam der Vater schließlich zwei Zimmer in Oberwaldbach, einer kleinen Gemeinde im Osten des Landkreises Günzburg, zugewiesen. 600 Einwohner hatte der Ort, durch die Flüchtlinge und Vertriebenen wurden es doppelt so viele. Im Spätsommer 1946 konnte er seine Familie dorthin holen.

    „Jetzt waren wir wieder eine richtige Familie und froh darüber, dass wir diesen unseligen Krieg einigermaßen heil überstanden und eine Unterkunft gefunden hatten. Hier gab es nun Familien aus den deutschen Ostgebieten Ostpreußen, Schlesien und dem Sudetenland, dazu ehemalige Auswanderer aus der Donaumonarchie aus Jugoslawien, Rumänien und aus Ungarn. Dieses Durcheinander und diese Enge hat zwangsläufig Konflikte und Zwistigkeiten ausgelöst – was man heute gut nachvollziehen kann. Schon allein die unterschiedlichen Dialekte der zusammengewürfelten Menschen waren nicht gerade förderlich im täglichen Miteinander. Und wie überall auf der Welt gab es auch hier hartherzige, aber Gott sei Dank noch mehr verständnisvolle Menschen, die sich den Fremden gegenüber mitfühlend verhielten. Schließlich ging es praktisch allen nicht besonders gut. Besonders betroffen waren aber die Kriegerwitwen mit ihren Kindern. Wir allerdings hatten es mit unseren Hausleuten gut getroffen.“

    Schokolade und Traubenzucker wurden zur Tauschware

    Beigesteuert von den Amerikanern, so berichtet Josef Pfister, erhielten die Kinder eine Schulspeisung. Und wenn die Schulkinder mal Schokolade oder Traubenzucker bekamen, dann wurde auch das teilweise zur Tauschware mit der Bauersfamilie. Weil den meisten Familien nicht ausreichte, was sie auf den Lebensmittelkarten erhielten, versuchten viele, über den Schwarzmarkt oder durch Hamstern ihren Lebensunterhalt aufzubessern. „In überfüllten Zügen, teils auf den Trittbrettern stehend, waren die Leute, Militärzonen überschreitend, zum Hamstern und Schachern unterwegs. Wenn man etwas Besonderes haben wollte, so war Vieles auf dem Schwarzmarkt zu bekommen. Statt der wertverfallenen Reichsmark gab es damals die „Zigaretten- und Tabakwährung“. Dafür waren so manch außergewöhnliche Sachen zu haben.“

    Und dann wurden die Zeiten besser, erinnert sich Josef Pfister. „Die Menschen kamen sich näher. Die Flüchtlinge haben sich integriert und die Einheimischen haben sie akzeptiert. Selbst jene, die den Flüchtlingen anfangs mit Geringschätzung begegneten, hatten schließlich erkannt, dass die ’Hura-Flichtleng‘ doch keine ’Zigeinr‘ waren“, erzählt er.

    Und nachdem die Flüchtlinge auch viel zu kulturellen Veränderungen beitrugen, stand schließlich auch Liebschaften oder Hochzeiten nichts mehr im Wege – was sicher auch zum gegenseitigen Verständnis beigetragen hat. (jah)

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