Erst war die Europäische Zentralbank an der Reihe, dann die Federal Reserve: Die Notenbanker in Europa und den USA haben die Leitzinsen um je 0,5 Prozentpunkte nach unten geschraubt. Zuvor schon sind die Renditen von Anleihen mit längerer Laufzeit gesunken. Diese Zinssenkungen auf breiter Front drücken die Kosten für Baudarlehen und Immobilienkäufe spürbar. Stellt sich die Frage: Sind Immobilien zur Kapitalanlage wieder lukrativ?
Wer eine Wohnung oder ein Haus erwirbt, um selbst darin zu wohnen, sollte bei der Finanzierung zwar auch mit spitzem Stift rechnen. Doch die eigenen vier Wände bieten vielen Menschen etwas, dass sich aus ihrer Sicht mit Geld kaum aufwiegen lässt. Dazu gehört etwa die Unabhängigkeit von einem Vermieter und damit die Gewissheit, bis zum Lebensende einen festen Wohnort zu haben.
Bei vermieteten Immobilien zählen nur die Daten
Anders sieht es aus, wenn es um Immobilien als Kapitalanlage geht. „In diesem Fall geht es ausschließlich um die Frage, ob eine Immobilie zur Vermietung in Sachen Ertrag und Risiko die beste Variante für einen Anleger darstellt oder ob nicht doch bessere Alternativen existieren“, sagt Michael Thaler von der TOP Vermögen AG in Starnberg. Aus seiner Sicht haben Privatanleger nicht selten eine unrealistische Vorstellung von den Renditen, die sich während der Vermietung und bei einem möglichen späteren Verkauf der Immobilie erzielen lassen. „Das dürfte vor allem durch die letzten zehn Jahre bedingt sein, in denen die Immobilienpreise deutlich stärker gestiegen sind als im langfristigen Mittel“, so der unabhängige Vermögensverwalter.
Eine realistische Einschätzung bietet daher der Blick in die Statistik. Zuverlässige Daten hat etwa der Informationsdienst Bulwiengesa, der die Wertentwicklung von Immobilien in 125 deutschen Städten misst und die Daten der Bundesbank zur Verfügung stellt. Demnach sind seit 1990 die Preise für Eigentumswohnungen und Reihenhäuser in Deutschland jährlich um drei Prozent gestiegen. Das läuft in 34 Jahren auf eine Wertsteigerung von 170 Prozent hinaus. Der weltweite Aktienmarkt (MSCI World) brachte es ohne Dividenden auf ein Plus von 590 Prozent, der Dax immerhin auf 390 Prozent.
So rechnet man die Rendite von Mietimmobilien aus
Bleibt der Blick auf die Mieterträge und auf die Mietrendite. Die Brutto-Mietrendite gibt eine erste Orientierung, ob sich ein Immobilien-Investment lohnen könnte. „Dazu wird die Jahres-Kaltmiete durch den Kaufpreis geteilt und mit 100 multipliziert. Sie sollte bei mindestens fünf Prozent liegen, weil davon noch weitere Kosten abgehen“, erklärt der unabhängige Vermögensberater Michael Thaler. Dazu gehören nicht umlagefähige Ausgaben für die Hausverwaltung, die Instandhaltung der Immobilie sowie die Instandhaltungsrücklage, um für spätere Reparaturen gewappnet zu sein. „Nach dem Abzug dieser Kosten von der Jahres-Kaltmiete erhält man den Reinertrag – also das, was man als Vermieter tatsächlich verdient. Teilt man den Reinertrag durch die gesamten Investitionskosten, kennt man die Netto-Mietrendite“, erklärt Thaler. Zu den Investitionskosten gehören auch die Grunderwerbssteuer sowie die Gebühren für Makler und Notar.
Nach Angaben des Postbank-Wohnatlas 2024 liegt die durchschnittliche Netto-Mietrendite in Deutschland aktuell bei 3,2 Prozent. Hingegen lag die Dividendenrendite der Dax-Aktien im letzten Jahr bei 3,4 Prozent. Letztlich lässt sich sagen, dass Anleger, die attraktive Renditen erzielen wollen, mit anderen Anlageklassen wie Aktien daher besser bedient sind. Dies gilt umso mehr, als Einzel-Immobilien größere Risiken aufweisen, als Betongold-Fans bewusst ist.
Einzelimmobilien bergen für Kleinanlagen oftmals große Risiken
So besteht das Risiko, dass eine gekaufte Bestandsimmobilie technische Mängel hat, die erst später zutage treten und die Kalkulation verhageln. Weiter das Risiko, dass sie schlechter zu vermieten ist, als erwartet oder man einen Mietnomaden an Land zieht. Drittens kann sich die nähere Umgebung negativ verändern, was den Verkaufswert senkt. Einzelimmobilien zur Kapitalanlage kommen im Grund nur für Anleger mit mehreren Millionen Euro infrage.
Es gibt aber Alternativen, bei denen die Streuung besser und die Kosten niedriger sind als bei Einzel-Immobilien. Der in Deutschland bekannteste, aber nach Meinung von Michael Thaler definitiv nicht der beste Weg sind die offenen Immobilienfonds. Diese Finanzprodukte bieten wegen der hohen laufenden Kosten relativ geringe Renditen sowie wegen der gesetzlichen Vorgaben deutliche Nachteile bei der Rückgabe der Anteile an die Fondsgesellschaft.
Wie in Immobilien investiert werden kann, ohne Millionär zu sein
Eine Alternative dazu sind Real Estate Investment Trusts (REIT), die an der Börse gehandelt werden. REIT dürfen aber ausschließlich in Gewerbeimmobilien investieren. Dazu zählen Einkaufszentren, Hotels, Krankenhäuser sowie Büro- und Logistikimmobilien. Der Kauf von Wohnimmobilien ist in Deutschland hingegen Wohnungsunternehmen wie Vonovia und (der mit Vonovia fusionierenden) Deutsche Wohnen vorbehalten. Auch TAG Immobilien und LEG Immobilien gehören zu den Aktiengesellschaften, über die man auf einen Schlag in Hunderttausende Immobilien investieren kann.
„Über REIT oder Aktien vermeiden Anleger die angesprochenen Risiken und ersparen sich die Arbeit, die als Vermieter auf sie zukommen würde. Weiterhin schütten Real Estate Investment Trusts mindestens 90 Prozent der Erträge aus, wenn sie keine Körperschafts- beziehungsweise Gewerbesteuer zahlen wollen. Anleger haben sozusagen den Status eines Vermieters, der die Mieterträge kassiert, ohne sich darum kümmern zu müssen – eine charmante Lösung, wie ich finde“, sagt Thaler. Zudem gibt es ETFs, die das Geld auf Dutzende dieser REITs und Immobilienaktien streuen.
Im Allgemeinen erzielen Immobilien-Investments niedrigere Renditen als der breite Aktienmarkt, bieten dafür aber etwas mehr Stabilität. Wenn aber die Zinsen wie 2022 schnell und stark steigen, kommen sie deutlich unter Druck. Vor diesem Hintergrund hält Michael Thaler einen Anteil zwischen fünf und 20 Prozent am Gesamtvermögen für angemessen.
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