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Zöliakie: Glutenfreies Essen ohne Unverträglichkeit: Macht das Sinn?

Zöliakie

Glutenfreies Essen ohne Unverträglichkeit: Macht das Sinn?

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    Viele Menschen verzichten auf Gluten, weil sie denken, dass es ungesund ist. Doch laut Studien ist diese Annahme falsch. Nur Menschen, die an Zöllakie leiden, müssen auf Gluten verzichten.
    Viele Menschen verzichten auf Gluten, weil sie denken, dass es ungesund ist. Doch laut Studien ist diese Annahme falsch. Nur Menschen, die an Zöllakie leiden, müssen auf Gluten verzichten. Foto: Peter Endig dpa/lsn

    Glutenfreie Diäten sind gerade en vogue. Experten betrachten die Entwicklung mit Kopfschütteln. Denn auf Gluten zu verzichten ist für gesunde Menschen eigentlich völlig sinnlos. Die Profiteure sind die Autoren von populären Büchern wie "Wheat Belly" ("Weizenwampe"), die das Protein als vermeintlich ungesund und dickmachend deklarieren. Die Medien befeuern den Ernährungstrend zusätzlich.

    Wissenschaftler der Universitäten Harvard und Columbia haben nun Ernährungs- und Gesundheitsdaten von rund 110.000 Amerikanern gesammelt. Das Ergebnis: Eine glutenfreie Ernährung kann Nachteile mit sich bringen. Deshalb sollten nur Menschen mit einer Unverträglichkeit auf Gluten verzichten.

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    Gefährlich ist Gluten nur für Menschen, die an Zöliakie leiden, also einer angeborenen Gluten-Unverträglichkeit. Bei Betroffenen löst das Eiweiß eine Dünndarmentzündung mit teils heftigen Darmbeschwerden aus. Weitere mögliche Folgen einer Zöliakie sind auch Blutarmut, Blähungen oder Osteoporose. Zudem gibt es Menschen, die von einer Weizenallergie oder Gluten-Sensitivität betroffen sind. Auch sie sind aus gesundheitlichen Gründen gezwungen, sich glutenfrei zu ernähren. Laut der Umfrage eines Marktforschungsinstituts lebt aktuell jeder zehnte US-Haushalt glutenfrei - und jeder vierte Amerikaner ist der Überzeugung, dass eine Ernährung ohne Gluten gesund sei. Allerdings leiden nur etwa ein Prozent der US-Bevölkerung tatsächlich an Glutenunverträglichkeit.

    Der Verzicht auf das in Verruf geratene Gluten, das in den meisten Getreidearten vorkommt, liegt im Trend. Doch glutenfreie Ernährung bringt offenbar keine Vorteile für Gesunde.
    Der Verzicht auf das in Verruf geratene Gluten, das in den meisten Getreidearten vorkommt, liegt im Trend. Doch glutenfreie Ernährung bringt offenbar keine Vorteile für Gesunde. Foto:  Armin Weigel (dpa)

    Eine glutenfreie Ernährung ohne Zöliakie-Hintergrund bringt jedoch keine gesundheitlichen Vorteile, wie eine neue US-Studie zeigt, die im "British Medical Journal" veröffentlicht wurde. Tatsächlich könnte sich der Verzicht auf Gluten sogar nachteilig auf die Gesundheit auswirken: Denn parallel zu Gluten reduzieren viele Menschen auch ihren Vollkornkonsum, der das Herz zu schützen scheint. "Basierend auf unseren Daten ist eine Gluten-arme Diät nur mit dem Ziel Herzgesundheit nicht zu empfehlen", resümiert der Gastroenterologe und Mitautor Andrew Chan von der Harvard School of Medicine.

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    Gemeinsam mit Benajmin Lebwohl vom Zöllakie-Zentrum der Columbia University (New York) und weiteren Kollegen hat er Material zweier US-Langzeitstudien ausgewertet: Von 1986 bis 2010 waren dafür alle vier Jahre vielfältige Ernährungs- und Gesundheitsdaten von 110.000 Amerikanern gesammelt worden. Je nach Gluten-Konsum teilten die Forscher die Teilnehmer in fünf Gruppen ein. Laut Chan konnte festgestellt werden, dass sich ein hoher Konsum an Gluten gar nicht auf die Häufigkeit koronarer Herzkrankheiten unter den Probanden auswirkt.

    "Gluten ist selbstverständlich schädlich für Menschen mit Zöliakie. Aber beliebte Diätbücher, die mit zufälligen und anekdotischen Beispielen arbeiten, haben die Ansicht befeuert, dass eine Gluten-arme Diät für jeden gesund ist", sagt Lebwohl. Wer jedoch auch auf Vollkorn-Produkte verzichte, laufe Gefahr, gleichzeitig deren schützenden Effekte vor Herzerkrankungen zu verlieren.

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    Martin Raithel (Waldkrankenhaus Erlangen), Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) sowie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie (DGAKI), sieht das ähnlich. "Vor allem B-Vitamine können das Herz schützen", sagt er. Außerdem bilden Ballaststoffe aus Vollkornprodukten wichtige Bestandteile der Darmflora. Sie regulieren die Darmtätigkeit und lassen gleichzeitig den Blutzuckerspiegel ansteigen. Raithel ist sicher: Wer Gluten in Getreide grundlos meide, halte dem Körper zugleich wichtige Polyamine wie etwa in Weizenkeimöl vor.

    Laut Raithel haben in Deutschland etwa zwei bis drei Prozent der Menschen eine Gluten-Unverträglichkeit. Ein weiteres Prozent leide an einer Weizenallergie oder einer Gluten-Sensitivität. "Die Zahlen der Weizen- oder Glutensensitivität werden in der Öffentlichkeit und in den Medien generell überschätzt. Problematisch ist, dass nach den einzelnen Ursachen nicht immer diagnostisch ausreichend gefahndet wird."

    Kinder ohne Zöliakie sollten sich nicht glutenfrei ernähren

    Wenn Eltern aufgrund einer eigenen Gluten-Unverträglichkeit oder aus sonstigen gesundheitlichen Gründen ihre Ernährung umstellen und Gluten meiden, sind meist auch die Kinder davon betroffen. Doch Experten mahnen zu mehr Vorsicht: Kinder sollten nicht automatisch die gleiche Diät wie ihre Eltern einhalten müssen. "Kinder sollten wirklich von allem etwas essen, auch Fleisch und geringe Mengen Zucker", betont der Darmexperte Raithel. "Denn mit jeder Einschränkung von Lebensmitteln verkleinert sich die Vielfalt der Darmflora. Und das ist wiederum ein Risikofaktor für die Entstehung von vielen Erkrankungen."

    Ein Rückgang des aktuellen Trends zur glutenfreien Ernährung ist für den Experten bislang nicht absehbar. Nicht zuletzt die Medien haben großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Menschen. Ergebnisse vom vermeintlich schädlichen Gluten in Tierversuchen lassen nicht unbedingt einen ähnlichen Rückschluss auf die menschliche Gesundheit zu, so Raithel. Wer Klarheit über die Wirkung und Verträglichkeit von Gluten auf den eigenen Körper erhalten möchte, sollte einen Arzt aufsuchen - und bei anhaltenden Darmbeschwerden nicht etwa mit Selbsttest aus dem Internet oder beim Heilpraktiker Hilfe suchen, so Raithel. AZ, dpa

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