München Wer sein Körpergewicht stabil hält, lebt in einer gut austarierten Balance: Die Energiezufuhr durch die Nahrung entspricht dem Energieverbrauch. Dieser setzt sich aus zwei Größen zusammen: Zum einen ist dies die Menge an Energie, die der Körper nüchtern und in völliger Ruhe braucht, um seine Funktionen aufrechtzuerhalten. Man nennt dies den Grundumsatz. Er ist unter anderem vom Alter, Geschlecht, der Körpergröße und der Muskelmasse abhängig. Zweitens gehört der Arbeitsumsatz dazu – die Energiemenge, die der Organismus für seine Muskeltätigkeit braucht. Jemand, der den Tag vorwiegend am Schreibtisch sitzend verbringt, hat einen niedrigeren Arbeitsumsatz als ein Kellner oder Landwirt, die sich bei der Arbeit viel bewegen. Wenn man zusätzlich noch mehr Muskelarbeit macht, also zum Beispiel Sport treibt, kann man seinen Arbeitsumsatz erhöhen.
Dieser letztgenannte Aspekt beflügelt so manchen, der abnehmen möchte. Wird der Energieverbrauch größer als die Energiezufuhr, dann führt das theoretisch zur Gewichtsabnahme. Es klingt so schön: Ein bisschen mehr Bewegung am Tag, und schon gerät der Zeiger der Badezimmerwaage ins Trudeln, pendelt sich bei einem niedrigeren Gewicht ein. Doch was so einfach erscheint, funktioniert längst nicht immer. Das bestätigt auch Claudia Osterkamp-Baerens, die neben ihrer eigenen Praxis als Ernährungsberaterin in Ottobrunn die Leistungssportler am Olympiastützpunkt Bayern in Sachen Ernährung unterstützt. "Es klingt so logisch, mit Sport abzunehmen." Ihre Klienten haben oft schon genaue Vorstellungen: "Körperliche Aktivität erhöht den Energieverbrauch. Nachbrenneffekte vergrößern die Energieausgaben zusätzlich und das regelmäßige Training erhöht auch noch den Grundumsatz."
Arbeitet der Körper zu effizient, nimmt man schwerer ab
Doch was sich in der Theorie gut anhört, muss nicht unbedingt in der Praxis funktionieren. Viele erleben trotz Sport keine oder nur eine sehr geringe Gewichtsabnahme. "Das Training bringt nicht den erhofften Erfolg, was häufig zu einer hohen Unzufriedenheit führt", beschreibt sie die Gemütslage der Betroffenen. Der Grund dafür ist in der besonders effizienten Arbeit des Körpers zu sehen, der selbst bei Bewegung nur relativ wenig zusätzliche Kalorien verbraucht. Obwohl man sich beim Sport körperlich verausgabt und sich hinterher richtig ausgepowert fühlt, steckt der Organismus das gut weg.
"Der Energieumsatz beim Sport steht in keinem Vergleich zur gefühlten Anstrengung", dämpft Claudia Osterkamp-Baerens alle Hoffnungen auf schnelle Abnehmerfolge. Eine Stunde kombiniertes Krafttraining im Fitnessstudio verbraucht beispielsweise etwa 300 bis 400 Kilokalorien (kcal), das heißt, man müsste acht bis elf Stunden pro Woche trainieren, um auf relevante 3500 Kilokalorien Mehrverbrauch zu kommen. Auch ein schneller Freizeitläufer müsste fünf bis sieben Stunden wöchentlich trainieren, um diese Kalorienmenge zusätzlich zu verbrennen.
Untrainierte müssen viel Zeit ins Abnehmen investieren
Gerade bei Untrainierten könne ein Energieumsatz, der zur Gewichtsabnahme führen würde, nur durch einen hohen Zeiteinsatz erreicht werden, so die Ernährungsexpertin. Hinzu kommt noch ein weiterer Effekt: Wenn regelmäßig gleich viel trainiert wird, dann lernt der Körper damit umzugehen und verbraucht relativ wenig Energie dabei. Nur wenn das Training in Intensität und Umfang gesteigert wird – also ein richtiger Trainingsplan vorliegt, der abgearbeitet wird –, lässt sich der Arbeitsumsatz weiter erhöhen. Dies wird jedoch bei Freizeitsportlern eher selten der Fall sein. Auch der sogenannte Nachbrenneffekt, der so lange nach einem Training anhält, bis Atmung, Puls und Hormonhaushalt wieder auf dem Normallevel sind, hält sich bei normalen Anstrengungen in Grenzen.
Bleibt noch die durch den Sport erhöhte Muskelmasse. Muskeln verbrauchen auch dann Energie, also Kalorien, wenn sie gar nicht arbeiten. Mehr Muskeln bedingen also in der Folge einen höheren Grundumsatz, allerdings wirkt sich das auf der Waage des Abnehmwilligen erst einmal durch ein Plus und nicht durch ein Minus aus, schließlich bringt die neu gewonnene Muskelmasse zunächst mehr Gewicht: "Für eine Grundumsatzerhöhung, die sich auf die Gesamtenergiebilanz nachhaltig auswirken würde, muss Muskelmasse von mehreren Kilogramm zusätzlich aufgebaut werden", betont Osterkamp-Baerens.
Kalorienverbrauch durch Sport
Um ungefähr 500 kcal pro Tag oder 3500 kcal pro Woche sollte der Arbeitsumsatz erhöht werden, wenn man abnehmen möchte – ohne weniger zu essen. Beispiele, welche Sportarten wie viel bringen (Durchschnittswerte):
Yoga: 150 – 200 kcal pro Stunde
Langsames Gehen: 170– 225 kcal pro Stunde
Walking: 290 – 385 kcal pro Stunde
Golfspielen: 290 – 385 kcal pro Stunde
Laufen (6 km/h): 360 – 480 kcal pro Stunde
Schwimmen: 350 – 465 kcal pro Stunde
Fußball: 420 – 560 kcal pro Stunde (bref)
Wenn nur einige Kilo Übergewicht runter sollen, ist Krafttraining folglich nicht besonders zielführend. Im Allgemeinen wird eine Kombination von Ausdauersportarten und Krafttraining empfohlen, allerdings gibt es kaum gute Studien, die die Effekte der beiden Aktivitäten im Vergleich untersucht haben. Damit die Pfunde wirklich purzeln, muss jedoch zusätzlich auf die Ernährung geachtet werden, zumal viele Freizeitsportler meinen, sie hätten sich durch die Anstrengung eine Extraportion verdient. Besonders bei Zwischenmahlzeiten sollte man aufpassen. Da sei auch die Handvoll Studentenfutter mit 500 kcal pro 100 Gramm zu viel, so die Expertin.
Zusätzliche Kohlenhydrate nicht nötig
Eine zusätzliche Kohlenhydrat-Zufuhr sei im Allgemeinen nicht nötig, zumal die Ernährung in Deutschland sowieso reich an Kohlenhydraten sei. Wenn überhaupt sollten Freizeitsportler im Gegensatz zu Profisportlern eher vor dem Training Kohlenhydrate aufnehmen. Nach dem Sport müssen Wasser- und Mineralienverluste schnell wieder ausgeglichen werden; darüber hinaus wird empfohlen, ein bis zwei Stunden lang nichts zu essen, wenn man abnehmen will, denn dann wird der Fettstoffwechsel mobilisiert. Claudia Osterkamp-Baerens betont, dass jede Ernährungsberatung individuell sein müsse und dass keine Empfehlung in Stein gemeißelt sei. Nach zwei Wochen müsse man nachfragen, wie der oder die Klientin damit zurechtkomme.
Allein mit sportlicher Betätigung abzunehmen, klappt also kaum, wie viele Meta-Analysen zeigen, bei denen verschiedene Studien zum Thema zusammengefasst und ausgewertet werden. Das Fazit der Untersuchungen: Der Abnahmeeffekt mit Sport als einzige Maßnahme ist relativ gering, aber der dabei stattfindende Umbau des Körpers ist ein wichtiger Nebeneffekt.
Deshalb hat moderate Bewegung einen bedeutenden Stellenwert bei der Gewichtsreduzierung von übergewichtigen und adipösen Menschen: "Auch wenn das Gewicht dadurch gleich bleibt, so werden andere Faktoren, allen voran die Insulin-Sensitivität, verbessert – schon bei relativ wenig Sport", so die Ernährungsexpertin. Eine Besserung der Insulin-Sensitivität ist bei Diabetikern oder bei Menschen mit Diabetes-Vorstufen höchst wünschenswert. Außerdem lässt sich bereits durch ein wenig mehr Bewegung ein erhöhter Blutdruck senken und das Risiko für Herzleiden verringern.