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Sepsis: Blutvergiftung erkennen: Wie verläuft eine Blutvergiftung?

Sepsis

Blutvergiftung erkennen: Wie verläuft eine Blutvergiftung?

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    Nicht nur eine klaffende Wunde, sondern auch kleinere Verletzungen oder ein aufgekratzter Mückenstich können zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung führen.
    Nicht nur eine klaffende Wunde, sondern auch kleinere Verletzungen oder ein aufgekratzter Mückenstich können zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung führen. Foto: Franziska Gabbert, dpa (Symbolbild)

    Die meisten Menschen in Deutschland sterben an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und an Krebs. Doch schon die dritthäufigste Todesursache ist eine Blutvergiftung, im medizinischen Sprachgebrauch als Sepsis bezeichnet. Jedes Jahr gibt es hierzulande mehr als 70.000 Todesfälle mit der Diagnose Sepsis, wobei die Dunkelziffer vermutlich höher liegt. Viele Betroffene könnten gerettet werden, wenn die Erkrankung früher erkannt worden wäre.

    Ärzte beobachten Sepsis bei Covid-19-Patienten mit schwerem Verlauf

    Die Bezeichnung Blutvergiftung ist irreführend, denn der eigentliche Akteur bei einer Sepsis ist das persönliche Immunsystem. Auslöser ist immer eine Infektion, die von Bakterien oder Viren, in seltenen Fällen auch von Pilzen oder Parasiten verursacht wird. Das kann beispielsweise eine Lungenentzündung sein, aber auch eine zunächst harmlos wirkende Schürfwunde oder ein aufgekratzter Mückenstich, der sich entzündet. Außerdem beobachten Ärzte derzeit, dass viele Patienten mit schwerem Verlauf einer Covid-19-Infektion eine Sepsis entwickeln.

    Normalerweise werden die Erreger einer Infektion an Ort und Stelle von unserem Abwehrsystem bekämpft und schließlich ausgeschaltet. Doch manchmal überwinden die Eindringlinge die lokale Begrenzung und breiten sich über das Blut und die Lymphgefäße weiter im Körper aus. Die hohe Zahl an Keimen im Blut und in der Lymphflüssigkeit ruft nun die geballte Kraft des Immunsystems hervor: Botenstoffe zur Immunantwort werden massenhaft ausgeschüttet und überschwemmen den Körper. Das überaktivierte Immunsystem greift nicht nur die Infektionserreger an, sondern auch körpereigene Organe und Gewebe. Das ganze System gerät in Unwucht.

    Wenn nun – im Fall von Bakterien als Auslöser der Infektion – nicht schnell das passende Antibiotikum gegeben wird, entwickelt sich ein septischer Schock, bei dem die lebenswichtigen Organe nicht mehr mit Blut versorgt werden und ihre Funktion einstellen. Häufig führt dies zum Tod des Patienten. Der früher oft als Zeichen für eine Blutvergiftung ausgemachte rote, in Richtung Herz wandernde Strich auf dem Arm oder Bein gilt nicht mehr als notwendiger Hinweis. Er zeigt nur die Entzündung einer Lymphbahn an, woraus sich eine Sepsis entwickeln kann. Doch in den meisten Sepsisfällen ist dieses Symptom nicht zu sehen.

    Sepsis: Eine Gefahr für Covid-19-Patienten

    Viele Patienten mit einem schweren Verlauf einer Covid-19-Infektion entwickeln eine Sepsis und einen septischen Schock.

    In einer Studie, die im März in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde, untersuchten chinesische Wissenschaftler 191 Covid-19-Fälle aus einem Krankenhaus in Wuhan. 59 Prozent der Erkrankten entwickelten eine Sepsis, 20 Prozent erlitten einen septischen Schock. Bei allen Patienten, die starben, habe eine Sepsis vorgelegen.

    Da Covid-19 eine Viruserkrankung ist, können die Betroffenen nicht mit Antibiotika, die nur gegen Bakterien wirken, behandelt werden.

    Die derzeit zugelassenen Medikamente gegen Viruserkrankungen haben bisher keine gute Wirkung bei Patienten mit einer Covid-19-Sepsis gezeigt. (AZ)

    Blutvergiftung erkennen: Symptome sind zu Beginn relativ unspezifisch

    „Eine Sepsis ist immer ein Notfall und muss als solcher behandelt werden, wie ein akuter Herzinfarkt oder ein akuter Schlaganfall“, sagt Rainer Petzina vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und Leiter der Arbeitsgemeinschaft Sepsis des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e. V. „Die Erkrankung wird jedoch häufig nicht rechtzeitig erkannt; somit werden die notwendigen Maßnahmen oft zu spät eingeleitet.“ Nach Expertenschätzungen könnte rund ein Viertel aller Sepsis-Todesfälle in Deutschland vermieden werden, wenn Betroffene und Ärzte in einem frühen Stadium den Ernst der Erkrankung erkennen würden.

    Doch die Symptome sind zu Beginn relativ unspezifisch und ähneln denen eines grippalen Infektes. Der Zustand des Betroffenen verschlechtert sich schnell. Er leidet unter anderem an Fieber und Schüttelfrost, Kurzatmigkeit, Herzrasen, ein extremes Krankheitsgefühl und Verwirrtheit. Wenn mindestens zwei dieser Symptome vorhanden sind, sollten Betroffene und Angehörige an eine Sepsis denken und sofort den Notarzt (112) rufen. „Manchmal braucht man auch als Arzt ein wenig Detektivgespür, um die Ursache für den schlechten Zustand des Patienten zu erkennen“, so Petzina. Da die meisten Infektionserreger sich sehr schnell im Blut vermehren, zählt jetzt jede Stunde. Liegt tatsächlich eine Sepsis vor, muss mit der Behandlung so bald wie möglich begonnen werden, sonst ist die Situation von den Ärzten häufig nicht mehr zu beherrschen. Studien zeigen, dass mit jeder Stunde, die ohne Behandlung vergeht, die Überlebenschancen des Patienten signifikant sinken.

    Überlebende Patienten leiden nach Blutvergiftung oft an Langzeitfolgen

    Um die Früherkennung und Behandlung der Sepsis zu verbessern, hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. kürzlich eine Handlungsempfehlung für Ärzte und medizinisches Personal sowie eine Patienteninformation herausgegeben. Sie soll dazu beitragen, Leben zu retten. „Es wäre eine große Verbesserung, wenn mehr Aufmerksamkeit auf die Sepsis gelenkt würde“, betont Rainer Petzina. „Dann würde vielleicht nicht mehr so viel Zeit bis zur Behandlung verpasst.“ Andere Länder haben es erfolgreich vorgemacht: In Großbritannien sank nach einer groß angelegten Informationskampagne und verbesserten Diagnose- und Behandlungsverfahren die Sterblichkeit bei Sepsis von rund 45 auf 32 Prozent; in Australien halbierte sie sich fast auf 18,5 Prozent. In Deutschland liegt sie derzeit bei rund 41 Prozent.

    Patienten, die eine Sepsis überstanden haben, leiden oft unter Langzeitfolgen, die mitunter erst Jahre später in Erscheinung treten. Oft ist das Gehirn beeinträchtigt, es kommt zu Gedächtnisstörungen und Beeinträchtigungen der Funktionen im Alltag. Auch psychische Folgen wie Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen werden beobachtet. Viele Genesene berichten darüber hinaus von einer chronischen Müdigkeit. Etwa jeder Zweite kann seinen Beruf nicht mehr in gleicher Weise wie vor der Erkrankung ausüben.

    Zur Vorbeugung einer Sepsis sollte jede vermeidbare Infektion verhindert werden. „Hier spielen Abstand halten, Husten- und Niesetikette und Händewaschen, wie sie auch jetzt zu Corona-Zeiten großgeschrieben werden, eine entscheidende Rolle“, erklärt Petzina. Als weitere Vorbeugemaßnahmen weist er auf die von der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut empfohlenen Impfungen hin: „Insbesondere bei Älteren und immungeschwächten Personen etwa die Impfung gegen Pneumokokken, die eine Lungenentzündung auslösen können.“ Sobald es eine zuverlässige Impfung gegen das Coronavirus gibt, wird auch sie dazu beitragen, eine Vielzahl von Sepsisfällen zu verhindern.

    Über alle Entwicklungen rund um das Coronavirus informieren wir Sie auch immer in unserem Live-Blog.

    Mehr hilfreiche Informationen finden Sie hier in unserem Ratgeber zum Thema Gesundheit.

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