Das Medikament Ozempic steht schon länger im Fokus der Öffentlichkeit und stellt mit seiner Wirksamkeit Abnehm-Tricks und Diäten in den Schatten. Ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt, wird es zunehmend auch zum Abnehmen verwendet. Der enthaltene Wirkstoff Semaglutid sorgt für eine gesteigerte Insulinfreisetzung, reguliert den Blutzuckerspiegel und vermittelt ein starkes Sättigungsgefühl. Dadurch nehmen viele Anwenderinnen und Anwender weniger Nahrung zu sich.
Während Studien eine deutliche Gewichtsreduktion bestätigen, gibt es auch Kritik an der „Off-Label-Nutzung“ des Medikaments. Neben bekannten Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen zeigen neue wissenschaftliche Untersuchungen nun zusätzliche gesundheitliche Risiken auf.
Für wen ist Ozempic zugelassen?
Ozempic ist ein verschreibungspflichtiges Medikament des dänischen Pharmakonzerns Novo Nordisk. Zugelassen ist es für die Behandlung von Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes. Eine Anwendung zur Gewichtsreduktion ist außerhalb dieser Indikation eine Off-Label-Nutzung, die nicht der ursprünglichen Zulassung entspricht.
Für Menschen mit starkem Übergewicht gibt es mit Wegovy ein weiteres Medikament mit dem gleichen Wirkstoff, das speziell für die Behandlung von Adipositas zugelassen ist. Nach Definition der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) kann Wegovy für Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 30 oder mit einem BMI über 27 und zusätzlichen Begleiterkrankungen verschrieben werden.
Trotz dieser klaren Differenzierung kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass Ozempic zur Gewichtsreduktion genutzt wird – was in der Vergangenheit bereits zu Lieferengpässen für Diabetes-Patientinnen und -Patienten geführt hat. Laut Studien sollen Menschen mit Übergewicht durch die Behandlung mit Ozempic im Schnitt zwischen zehn und 15 Prozent ihres Gewichts innerhalb von eineinhalb Jahren verlieren, wie der Deutschlandfunk berichtet.
Wie wirkt Semaglutid im Körper?
Semaglutid gehört zur Gruppe der GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1RAs). Diese Stoffe ahmen das Hormon Glucagon-like Peptide 1 nach, das eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Blutzucker und Appetit spielt. Die Wirkung setzt an mehreren Punkten im Körper an wie die Europäische Arzneimittelbehörde EMA erklärt:
- Steigerung der Insulinausschüttung: Der Blutzucker wird stabilisiert.
- Magenentleerung wird verlangsamt: Ein längeres Sättigungsgefühl tritt ein.
- Beeinflussung des Appetitzentrums im Gehirn: Weniger Hungergefühl und reduzierte Nahrungsaufnahme.
Diese Mechanismen erklären, warum viele Menschen während der Behandlung weniger essen und an Gewicht verlieren. Allerdings zeigen Studien, dass der Gewichtsverlust oft nicht dauerhaft ist: Wird die Behandlung beendet, nehmen viele Betroffene wieder zu.
Neue Nebenwirkungen: Das zeigt eine aktuelle Studie
Während die positiven Effekte von Semaglutid auf den Blutzucker und das Körpergewicht belegt sind, wächst die Liste der potenziellen Nebenwirkungen. Eine neue Studie, veröffentlicht im Fachjournal Nature Medicine, hat systematisch die gesundheitlichen Auswirkungen von GLP-1-Rezeptor-Agonisten untersucht. Die Forscherinnen und Forscher analysierten dabei die Gesundheitsdaten von über 1,2 Millionen Menschen.
Positive Effekte: Die Studie fand Hinweise darauf, dass GLP-1RAs mit einem geringeren Risiko für bestimmte Erkrankungen verbunden sein könnten, darunter:
- Suchtverhalten und psychotische Störungen
- Epileptische Anfälle
- Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Demenz
- Bluthochdruck und kardiometabolische Erkrankungen
- Bestimmte Infektionskrankheiten und Atemwegserkrankungen
Diese positiven Effekte sind jedoch noch nicht vollständig verstanden und bedürfen weiterer Forschung.
Neben bereits bekannten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall und Erbrechen wurden in der Studie zusätzliche Gesundheitsrisiken dokumentiert:
- Erhöhtes Risiko für Magen-Darm-Beschwerden
- Niedriger Blutdruck (Hypotonie)
- Synkopen (plötzliche Ohnmachtsanfälle)
- Arthritische Erkrankungen
- Nierensteine
- Interstitielle Nephritis (Nierenentzündung)
- Arzneimittelinduzierte Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis)
Besonders die Auswirkungen auf die Nieren sind neu: Studienleiterin Dr. Bianca Itariu erklärt, dass das Risiko für Nierensteine und Nierenentzündungen zwar nur leicht erhöht sei, aber dennoch genauer beobachtet werden müsse.
Langzeitfolgen: Ist Ozempic wirklich eine dauerhafte Lösung?
Und dann wären da noch die bisher bekannten Nebenwirkungen, die mit der Einnahme der Abnehmspritze Ozempic einhergehen. Laut der EMA sind besonders die Nebenwirkungen Übelkeit (sehr häufig), Durchfall (sehr häufig) und Erbrechen (häufig) bei vielen Patienten zu beobachten. Bei einigen treten sie während der gesamten Behandlungszeit auf. Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnt sogar davor, dass Ozempic das Risiko von Schilddrüsenkrebs erhöhe. Auch Bauchspeicheldrüsen-Entzündungen sollen immer wieder vorkommen. Alles andere als eine einfache Spritze also, die man einmal pro Woche zu sich nimmt und dann einfach abnimmt.
Ein weiteres Problem ist die Nachhaltigkeit der Gewichtsabnahme. Studien zeigen, dass viele Menschen nach dem Absetzen von Semaglutid wieder zunehmen. Diabetes-Experte Stephan Martin erklärte im Deutschlandfunk:
„Wenn man aufhört, diese Medikamente zu spritzen, dann wird innerhalb von ein bis anderthalb Jahren das Ausgangsgewicht wieder erreicht.“
Das bedeutet: Wer Semaglutid zur Gewichtsreduktion nutzt, müsste es möglicherweise lebenslang einnehmen, um den Effekt zu erhalten – mit den entsprechenden Nebenwirkungen und Kosten.
Lieferengpässe: Ozempic kommt nicht bei Menschen an, die es brauchen
Die steigende Nachfrage nach Ozempic hat in den vergangenen Jahren immer wieder zu Lieferengpässen geführt. Viele Diabetes-Patientinnen und -Patienten, die auf das Medikament angewiesen sind, konnten es zeitweise nicht erhalten.
Bereits im März 2023 hatte die EMA gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dazu aufgerufen, Ozempic nicht zur Gewichtsabnahme zu verschreiben. Im November 2024 wurde diese Empfehlung erneuert. In einer Mitteilung hieß es: „Trotz der erhöht verfügbaren Ozempic-Mengen bitten wir darum, Ozempic ausschließlich Typ-2-Diabetespatient:innen zu verordnen und von Off-Label-Verschreibungen abzusehen.“
Alternativ steht für Menschen mit Adipositas das zum Abnehmen zugelassene Medikament Wegovy zur Verfügung.
Übrigens: Es gibt einen neuen Trend, bei dem Fruchtgummis zum Abnehmen verwendet werden.