Startseite
Icon Pfeil nach unten
Geld & Leben
Icon Pfeil nach unten

Neurologie: Willkommen im Gehirn

Neurologie

Willkommen im Gehirn

    • |
    ...den "Denkmuskel" (Gehirn) anstrengen und überlegen, ob man sich zwischendrin nicht einen...
    ...den "Denkmuskel" (Gehirn) anstrengen und überlegen, ob man sich zwischendrin nicht einen...

    Was geschieht im alternden Gehirn? „Die schlechte Nachricht zuerst: Die Leistung des Gehirns lässt unweigerlich nach, je älter man wird“, schreiben Sandra Aamodt, Chefredakteurin von Nature Neuroscience, und Samuel Wang, Hirnforscher an der Princeton University, in ihrem Buch „Welcome to your brain“ (Willkommen in Ihrem

    Negative Emotionen verfliegen im Alter schneller

    Die guten Nachrichten: „Ältere Menschen haben einen wichtigen Vorteil: Sie sind besser imstande, ihre Emotionen zu kontrollieren. Die Häufigkeit negativer Emotionen nimmt ab und sie verfliegen schneller, die positiven Emotionen bleiben hingegen etwa gleich stark.“ Und man kann der Abnahme kognitiver Leistungen entgegenwirken: mit intellektuell anspruchsvollen Hobbys – und vor allem mit körperlicher Bewegung. Moderater Sport, der den Herzschlag beschleunigt, hilft dem Blutkreislauf, das Gehirn mit Energie, Sauerstoff und Glukose zu versorgen.

    „Sobald sich unsportliche Menschen mehr bewegen, selbst in den Siebzigern, verbessert sich die Exekutivfunktion innerhalb von wenigen Monaten.“ Das sollte mehrmals in der Woche geschehen und jeweils länger als 30 Minuten dauern. „Aber es muss nicht sonderlich anstrengend sein. Zügiges Gehen genügt völlig.“ Bewegung kann auch die Ausschüttung von Wachstumsproteinen auslösen, die die Vermehrung von Dendriten und Synapsen fördern und die Bildung neuer Nervenzellen im Hippocampus steigern.

    Was Dendriten, Synapsen oder Hippocampus sind und leisten, hat der Leser dieses Buches über die aktuelle Hirnforschung schon gelernt. Die beiden Neurologen erklären auf ihrem „Rundgang“ durch das Gehirn für Laien leicht verständlich den Aufbau dieses immer noch sehr rätselhaften Organs und seine Funktionsweise. Sie erläutern die verschiedenen Sinne, die Gehirnentwicklung von der Kindheit bis ins Alter, erklären, wie Lernen und Gedächtnis funktionieren, Entscheidungen getroffen werden und Emotionen entstehen. Ein eigenes Kapitel widmen die Neurologen dem Wesen des Glücks, wie es im Gehirn entsteht und warum es nicht von Dauer sein kann – und geben praktische Tipps, wie man das eigene Glücksgefühl steigern kann.

    Warum das Abnehmen so schwierig ist

    Für viele hilfreich mag das Kapitel über die Gewichtsregulierung im Gehirn sein. Denn die Autoren erläutern, warum aus evolutionärer Sicht für das Gehirn viel Körperfett besser ist als die bei unseren Vorfahren sehr akute Gefahr des Verhungerns und warum das Gehirn sich deswegen so schwer tut, das Abnehmen zu unterstützen, obwohl pro Jahr allein in den USA 300 000 Menschen an den Folgen der Fettleibigkeit sterben. Eine Fülle von Botenstoffen signalisiert dem Gehirn Hunger, Sattheit oder den Verlust von Fettzellen. „Wenn Sie einmal versuchen, Ihr Gewicht zu ändern, indem Sie weniger essen, lässt sich Ihr Gehirn eine ganze Reihe von Tricks einfallen, um das Gewicht auf dem von ihm bevorzugten Stand zu halten. Es könnte etwa den Grundumsatz senken, also den Energieverbrauch des Körpers im Ruhezustand.“

    Den Grundumsatz möglichst hoch halten

    Daher geben Aamodt und Wang praktische Tipps, die Tricks des Gehirns zu überlisten. „An erster Stelle heißt das, den Grundumsatz so hoch wie möglich zu halten.“ Denn die Gehirne seien zu wahren Meistern darin geworden, den Körper vor Gewichtsverlust zu schützen. „Einer seiner wichtigsten Mechanismen besteht darin, den Stoffwechsel in Hungerperioden zu verlangsamen, bei manchen Menschen um bis zu 45 Prozent.“ Schlafmangel, zunehmendes Alter und Stress senken ebenfalls den Stoffwechsel.

    Auch hier ist Bewegung das beste Gegenmittel, weil sie zum einen den Energieverbrauch steigert, zum anderen verbrauchen die dadurch gebildeten Muskelzellen auch im Ruhezustand mehr Kalorien als Fettzellen. Der Stoffwechsel kann durch Bewegung um 20 bis 30 Prozent angekurbelt werden. Mehrere kleine über den Tag verteilte Mahlzeiten sind besser als wenige reichhaltige. Denn „die Hungersensoren im Gehirn reagieren auf die Füllmenge des Magens und auf den Fett- und Zuckergehalt im Blutkreislauf. Und schließlich sollten Sie sich eine Leidenschaft im Leben außer dem Essen suchen. Es ist viel leichter, das Gewicht zu halten, wenn man noch an andere Dinge denken muss.“

    Des Weiteren räumen die Autoren mit zahlreichen Mythen rund um unser Denkorgan auf, beispielsweise mit der Behauptung, der Mensch nutze nur zehn Prozent seiner mentalen Möglichkeiten. „Bei dieser Aussage stehen den Neurologen auf der ganzen Welt die Haare zu Berge.“ In Wirklichkeit nutzt jeder Mensch tagtäglich sein ganzes Gehirn. „Funktionelle Bildgebungsverfahren belegen, dass schon einfache Aufgaben eine Aktivität im gesamten Gehirn auslösen.“

    Frauen und Männer sind gleich launisch

    Zu den Mythen gehört die Meinung, Frauen seien launischer als Männer. Studien haben gezeigt, dass Männer und Frauenganz ähnliche Stimmungsschwankungen haben – merkwürdigerweise erinnern sich aber Männer wie Frauen in der Regel besser an jene der Frauen. Allerdings sind Gemütserkrankungen wie Depressionen und Angststörungen bei Frauen etwa doppelt so häufig wie bei Männern – vielleicht, weil „Frauen eher zum Arzt gehen“. Für einen weiteren Irrtum, nämlich, Männer würden Homosexualität erlernen, gibt es ebenfalls keinerlei wissenschaftliche Grundlage.

    Hätten Sie's gewusst?

    Die linke Seite der Großhirnrinde steuert bei den meisten Menschen Sprache, Rechnen und logische Problemlösungen. Sie scheint ein dringendes Bedürfnis nach Logik und Ordnung zu haben, sodass sie, wenn etwas keinen Sinn ergibt, eine plausible Erklärung erfindet oder Details zusammenreimt.

    Die rechte Hälfte steuert räumliche Wahrnehmung, Tastsinn und visuell-motorische Aufgaben. Das Gehirn arbeitet so effizient, dass es im Laufe eines Tages nur 12 Watt Energie und damit weniger als eine Kühlschrankglühbirne verbraucht, obwohl es viel mehr leistet. Dennoch ist es biologisch gesehen ein „Stromfresser“: „Das Gehirn macht nur drei Prozent des Körpergewichtes aus, aber es ist für gut ein Sechstel, nämlich 17 Prozent, des gesamten Energieverbrauchs verantwortlich“, so Aamodt und Wang.

    Sandra Aamodt, Samuel Wang: Welcome to your brain. Ein respektloser Führer durch die Welt des Gehirns. dtv, München 2010, 11,90 Euro

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden