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Medizin: Jugend XXL: Wenn Übergewicht zur Krankheit wird (1)

Medizin

Jugend XXL: Wenn Übergewicht zur Krankheit wird (1)

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    In der Scheidegger Klinik erfahren die Jugendlichen, wie sie ihre Essgewohnheiten umstellen können. Täglicher Sport gehört ebenfalls zur Therapie.
    In der Scheidegger Klinik erfahren die Jugendlichen, wie sie ihre Essgewohnheiten umstellen können. Täglicher Sport gehört ebenfalls zur Therapie. Foto: Matthias Becker

    Nico starrt auf seine Hände. Darin: ein Plastik-Hähnchen. Er dreht das Kunstfleisch auf dem Tisch im Kreis. Immer wieder. Nico bleibt stumm. Die Frage quält ihn. Er weiß keine Antwort. „Ist das Hähnchen besser oder schlechter als der Käse?“, hakt Katharina Bezold nach. Sie bringt den Kindern alles über Ernährung bei, Diätassistentin nennt sich das.

    Lernen und Abnehmen

    Sie fragt ein letztes Mal: „Weißt du es nicht?“ Nein, Nico weiß es nicht. Nico ist gerade einmal neun Jahre alt. Trotzdem ist er in der Kinderklinik Prinzregent Luitpold in Scheidegg im Allgäu. Denn er ist zu dick. Früher hätte man die Einrichtung Abspeckklinik genannt. Doch der Begriff ist irreführend. In der Klinik sollen nicht einfach nur die Pfunde purzeln, die Kinder und Jugendlichen gehen dort sechs Wochen zur Schule.

    Von außen wirkt das Gebäude beinahe wie ein Schloss. Hundert Jahre ist das Haus alt, majestätisch ruht es auf einer Anhöhe, umringt von Wald und Wiesen. Auch im Inneren sucht man typisches Krankenhaus-Interior vergeblich, die Klinik wirkt mit seinen vielen alten Gängen und kleinen Zimmern eher wie eine übergroße Grundschule.

    Dort sollen die Kinder, die aus ganz Deutschland anreisen, Ruhe finden. Und lernen. Auf dem Lehrplan steht aber nicht Deutsch und Physik. Sondern Sport, Lehrküche, Einkaufstraining und psychologische Betreuung. Die meisten fangen hier noch einmal bei null an. Das Leben muss umgekrempelt werden. Ein Neustart – und das teilweise noch vor der Pubertät.

    Eine Diät und Bewegung reicht meistens nicht aus

    Der Grund trägt den Fachbegriff „Adipositas“. Im Volksmund auch Fettleibigkeit genannt. Nico ist da kein Einzelfall. Nicht nur die Amerikaner kämpfen mit dem Kalorien-Problem, auch in Deutschland gilt mittlerweile jedes fünfte Kind als zu dick. 800.000 seien sogar adipös, also krankhaft übergewichtig. Das hat eine Studie des Robert-Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland ergeben. Die Weltgesundheitsorganisation spricht inzwischen von einer „besorgniserregenden weltweiten Epidemie“.

    Wobei: Ob ein Kind zu dick ist oder nur ein paar Speckröllchen zu viel hat, ist nicht immer eindeutig. Noch gibt es nicht die eine, einzig wahre Messmethode, um Adipositas bei Jugendlichen zu bestimmen. Aber es gibt Untersuchungsmethoden, die international etabliert sind. Dazu gehört die Ermittlung des Body-Mass-Index (BMI), der vielen Medizinern und Behörden zumindest als Richtwert dient. Dabei werden Alter, Gewicht und Körpergröße ins Verhältnis gesetzt.

    Eines der vielen kleinen Büros in der Luitpold-Klinik ist wie ein Tante-Emma-Laden gestaltet. An den Wänden stehen Holzregale, die vollgestopft sind mit Lebensmittelverpackungen. Leere Pizzakartons, verschiedene Müslischachteln, Plastikgemüse, trockene Getränkeflaschen und, und, und. Alles reiht sich aneinander, fein säuberlich sortiert. Ganz wie im Supermarkt eben, nur ohne Inhalt. Ein Spielzeugparadies?

    Wohl kaum, denn im Schlaraffenland für Kartonliebhaber lernen die Kinder, was gesund ist und was nicht. Die Methode ist einfach: Die Schüler werden auf Erkundungsreise geschickt, sie müssen jeweils ein gutes und ein schlechtes Getränk, ein Fertigprodukt oder eine Süßigkeit aus den Regalen zusammensuchen. Dann wird das Sammelsurium zusammen analysiert.

    Fast Food und Co. auf dem täglichen Speiseplan

    Dabei wird schnell klar: Den meisten Kindern ist durchaus bewusst, was ungesund ist. Sogar der neunjährige Nico sagt mit stolzem Grinsen: „Cola macht fett.“ Aber ihm und vielen Älteren ist nicht klar, warum. Diätassistentin Bezold klärt auf: „In Cola und Eistee ist Zucker drin. Was schätzt ihr denn, wie viele Würfelzucker zum Beispiel in einer Tüte Eistee sind?“ Nico sagt: „Sechs“, seine zwölfjährige Mitschülerin tippt auf zehn. Knapp daneben. Es sind 72.

    Flüssige Nutella, Bissen von Butter: Lesen Sie im zweiten Teil, wieviele Kalorien manche zu sich nehmen. 

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