Forscher haben in Deutschland ein Gen entdeckt, das Bakterien gegen Antibiotikum Colistin resistent macht. Colistin wird immer dann eingesetzt, wenn andere Antibiotika nichts mehr helfen, zum Beispiel bei einer Infektion mit multiresistenten Bakterien.
Das neue Gen trägt den Namen mcr-1 und wurde in der Bakterienprobe eines Menschen gefunden, ist aber auch bei Nutztieren weit verbreitet, sagten das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin und die Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo). Was den Experten besondere Sorgen macht, ist die Tatsache, dass sich das neue Gen zwischen Bakterienstämmen übertragen lässt. Also problemlos von einem harmlosen Darmbakterium zu einem Krankheitserreger wechseln kann. Das erschwert die Behandlung bei einer Infektion beim Menschen.
Antibiotika-Wirkung: Super-Resistenz durch Gen mcr-1
Doch damit nicht genug: Die Bakterien, die in der menschlichen Probe gefunden wurden, waren nicht nur gegen ein Antibiotikum resistent, sondern gegen mehrere. So könne bei der Behandlung eine "ausweglose Situation" entstehen, teilte die Universität Gießen mit, an der Forscher das Gen nachgewiesen hatten. Besonderer Knackpunkt bei dem Fund: Das entdeckte Gen in den Bakterien habe neben der Colistin-Resistenz auch eine Carbapenem-Resistenz aufgewiesen. Carbapeneme sind ebenfalls Notfall-Antibiotika, die zur Behandlung von multiresistenten Keimen gegeben werden.
Das erst Ende 2015 in China entdeckte Gen macht insbesondere Darmbakterien gegen Colistin resistent. Das relativ alte Medikament wird laut Robert Koch-Institut (RKI) in den vergangenen Jahren wieder häufiger verwendet, als "eine letzte verbliebene Therapieoption". Mediziner berichten von nicht unerheblichen Nebenwirkungen. Deutsche Proben von Colistin-resistenten Bakterien wurden nach dem Fund bei Tieren und Menschen in China gezielt auf das Gen mcr-1 untersucht.
mcr-1 schon seit 2011 in Deutschland
Die jetzigen Funde belegen den Forschern zufolge, dass das Gen mindestens seit 2011 in Deutschland vorkommt. Wie verbreitet es ist und in welche Richtung es zwischen Tier und Mensch übertragen wird, lasse sich aber noch nicht beantworten. Auch ältere Proben sollen nun untersucht werden. Das Resistenz-Gen wurde auch in anderen europäischen Ländern bereits bei Tieren und Menschen nachgewiesen. Dänische Behörden fanden es laut Bundesinstitut für Risikobewertung Anfang Dezember 2015 auch in Proben von deutschem Geflügelfleisch.
Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne) hat am Donnerstagabend ein Ende des verschwenderischen Umgangs mit Antibiotika in der Tierhaltung gefordert. Mehr als die Hälfte des bundesweiten Verbrauchs entfalle auf Niedersachsen. Der hohe Einsatz habe fatale Auswirkungen. "Ohne Richtungswechsel steuern wir geradewegs in ein Post-Antibiotika-Zeitalter", sagte Meyer. Irgendwann könne das letzte noch zur Verfügung stehende Reserveantibiotikum nutzlos werden. Damit stehe die Gesundheit insgesamt auf dem Spiel, so der Minister.
Keime werden gegen Antibiotika resistent
Auch in der Fachwelt schlägt die Nachricht ein: Schon der Bericht der chinesischen Forscher, wonach Resistenzen bei vielen Patienten, in Fleisch und in Nutztieren vorkommen, habe betroffen gemacht, sagte die Direktorin des Charité-Instituts für Hygiene und Umweltmedizin, Petra Gastmeier. "Trotzdem dachten wir noch: China ist ja weit weg." Sollte auch Colistin an Wirkung verlieren, blieben noch Kombinationstherapien: Patienten bekämen dann verschiedene Präparate.
"Der Einsatz der für die menschliche Gesundheit besonders wichtigen Reserveantiantibiotika (in der Tierhaltung) gehört gänzlich verboten", forderte der Vorsitzende des Bund Naturschutzes BUND, Hubert Weiger. Den Angaben nach wurden in der Tierhaltung 2014 in Deutschland circa 16 Tonnen Reserveantibiotika eingesetzt. Deren Verbrauch sei gestiegen, obwohl der Antibiotika-Einsatz bei Tieren insgesamt zurückgegangen sei. AZ/dpa