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Mammografie: Kritik an Brustkrebs-Screening: Frauen sind verunsichert

Mammografie

Kritik an Brustkrebs-Screening: Frauen sind verunsichert

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    Brustuntersuchung an einem digitalen Mammografie-Gerät: Viele Frauen wissen zu wenig über die richtige Vorsorge.
    Brustuntersuchung an einem digitalen Mammografie-Gerät: Viele Frauen wissen zu wenig über die richtige Vorsorge. Foto: Peter Endig (dpa)

    Unter Frauen fordert der Brustkrebs die meisten Tumor-Toten. Das größte Risiko-Alter an

    Krebshilfe-Beraterin: Viele Frauen sind verunsichert

    Brustkrebs: Frauentypen beim Screening

    Die Befürworterin: Diese Frauen sind überzeugt von der Professionalität und Sicherheit des Screenings. Sie nehmen es vertrauensvoll als Muss wahr, neigen aber auch zu einer Überschätzung des Nutzens.

    Die Risikobewusste: Diese oft jüngeren Frauen haben einen engen Kontakt zu ihrem Frauenarzt und nehmen immer regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen teil. Viele neigen dazu, sich bereits vor einer Einladung einen Termin beim Screening geben zu lassen.

    Die Ambivalente: Dazu gehören häufig ältere und übergewichtige Frauen, die selten regelmäßig zum Frauenarzt gehen. Sie haben weniger Bildung und wissen nicht viel über das Screening, reagieren aber häufig auf eine Einladung.

    Die Verdrängerin: Diese Frauen verweigern trotz höherer Bildung eine Auseinandersetzung mit dem Thema Brustkrebs. Sie zweifeln an Vorsorge-Untersuchungen und neigen zu alternativen Heilmethoden.

    Die Ablehnerin: Diese gut gebildeten, oft älteren Frauen sind grundsätzlich skeptisch gegenüber dem Screening. Rund ein Drittel ist privat versichert und zieht Mammografie-Formen außerhalb des Screenings vor.

    "Viele Frauen sind auch nun wieder verunsichert", berichtet Gabriele Plettner, Beraterin bei der Deutschen Krebshilfe. Denn dort klingeln die Telefone jetzt häufiger als sonst. Nicht so pausenlos wie in der Zeit, als Schauspielerin Angelina Jolie von ihrer vorsorglichen Brustamputation wegen erblicher Risiken berichtete. Aber spürbar. Was sagt sie bei Fragen nach dem Mammografie-Screening? "Es ist nach den derzeitigen Daten eine sinnvolle Maßnahme zur Früherkennung", antwortet Plettner. Doch die Entscheidung für oder gegen das Screening müsse jede Frau selbst treffen.

    Dafür sind vor allem sachlich-neutrale Informationen über die Vor- und Nachteile des Screenings nötig. Der Gemeinsame Bundesausschuss will die Merkblätter, die mit der Einladung verschickt werden, nun überarbeiten lassen. Es gibt Forderungen, weniger für die Mammografie zu werben, sondern jeder Frau die Abwägung nach dem aktuellen medizinischen Stand selbst zu überlassen.

    Für-und-Wider-Debatte bei Mammografie

    Die angekündigte Überarbeitung der Info-Broschüre ist wohl der einzig brandneue Fakt in der laufenden Für-und-Wider-Debatte. Dass die Reihenuntersuchung der Brust auch Nachteile hat, war schon vor dem Start in Deutschland bekannt: Die Möglichkeit falsch-positiver Befunde zum Beispiel, die Frauen zwei bis drei Wochen in Angst versetzen kann. Lange bekannt sind auch Überdiagnosen und Übertherapien, wenn der Krebs im Frühstadium bekämpft wird, obwohl gar nicht sicher ist, dass er eine Frau töten würde.

    Das Grundwissen über das Screening gilt in Deutschland bisher allerdings als wenig berauschend. Es gibt Frauen, die ihr Brustkrebsrisiko überschätzen und ahnungslos aus purer Angst zum Röntgen eilen. Und es gibt Frauen, die glauben, dass die Untersuchung Tumore verhindern kann - ein Ammenmärchen.

    Brustkrebs kann früher erkannt werden

    Als Vorteil belegt ist bisher, dass Brustkrebs durch die regelmäßigen Röntgenuntersuchungen in einem früheren Stadium entdeckt wird als durch das zuvor übliche Abtasten der Brust oder durch Mammografien ohne Qualitätskontrolle. Das Operieren kleinerer Tumore führt nach den vergangenen Jahresberichten oft dazu, dass Ärzte Frauen nicht mehr die komplette Brust abnehmen müssen und sich Heilungschancen erhöhen. Das bedeutet häufig auch mehr Lebensqualität. Durch das Screening ist aber nicht ausgeschlossen, dass ein schnell wachsender Tumor trotz Früherkennung zum baldigen Tod führen kann - oder Tumore zwischen den zweijährigen Checks entstehen.

    Die Reihenuntersuchung ist auch eine Frage von Wirtschaftlichkeit und Konsens in der Gesellschaft. Welche Summen sind für Früherkennung gerechtfertigt, um Leben zu retten? Das deutsche Screening kostet 220 Millionen Euro im Jahr. Runtergerechnet auf eine untersuchte Frau sind das 80 Euro alle zwei Jahre.

    "Für mich ist nicht mehr die Frage, ob wir die Brustkrebs-Sterblichkeit durch das Screening senken, sondern um wie viel", sagt Tatjana Heinen-Kammerer, Geschäftsführerin der Kooperationsgemeinschaft Mammografie, die für das Screening verantwortlich ist. Die Meinungen über diese Quoten gehen bei internationalen Studien allerdings weit auseinander. Nur eine von 2000 Frauen wird gerettet, errechnete 2013 ein Bericht für das Cochrane-Netzwerk, das sich systematischen Übersichtsarbeiten in der Medizin verschrieben hat. Eine Arbeitsgruppe des Europäischen Screening Netzwerks kam mit Daten von 12 Millionen Frauen aus 18 Ländern 2012 darauf, dass 16 von 2000 Frauen gerettet werden.

    Geschätzt 2000 Brustkrebs-Patientinnen im Jahr das Leben gerettet

    Und in Deutschland? Das Screeningprogramm, das es seit 2009 flächendeckend für gesetzlich Versicherte gibt, hat einen großen Haken. Zwar schätzt das Robert Koch-Institut, dass damit 2000 Frauen im Jahr das Leben gerettet werden könnte. Belege dafür gibt es aber nicht, weil das Programm noch nicht lange genug läuft. Frühestens 2018 wird man wissen, ob mehr Frauen Brustkrebs langfristig überleben als vor dem Start des Programms.

    Genau dieser statistisch luftleere Raum ist das Problem der laufenden Debatte. Bisher ist unklar, welche Rückschlüsse aus Reihenuntersuchungen im Ausland auf Deutschland übertragbar sind. Viele Länder screenen anders, nicht flächendeckend zum Beispiel oder nicht qualitätskontrolliert bis zum Therapiebeginn. Internationale Studien reichen manchmal lange zurück - als es weder die moderne digitale Röntgentechnik noch genau festgeschriebene Anforderungen an Ärzte für die Auswertung der Aufnahmen gab wie nun in

    Befürworter des Screenings schauen gern auf die Niederlande, die schon seit 25 Jahren streng nach EU-Empfehlungen ähnlich screenen wie die Deutschen. Hier ist der Langzeiteffekt messbar. Das Programm rettet nach Angaben des niederländischen Gesundheitsrats jährlich rund 775 Frauen das Leben. Die dortigen Experten schätzen, dass dies zur einen Hälfte dem Screening zu verdanken ist - und zur anderen Hälfte besseren Therapien.

    Reihenuntersuchung zur Früherkennung von Darmkrebs und Gebärmutterhalskrebs im Gespräch

    Eine Diskussion über eine Neubewertung gebe es im Nachbarland nicht, sagt Tatjana Heinen-Kammerer. Sie vermutet, dass das Aufkochen der Argumente gegen das Screening in Deutschland zur Zeit weniger mit Brustkrebs zu tun hat, sondern vielmehr mit anderen Plänen im Gesundheitswesen. In Deutschland sei eine Reihenuntersuchung zur Früherkennung von Darmkrebs und Gebärmutterhalskrebs im Gespräch, berichtet sie.

    Die häufigsten Krebsarten in Deutschland

    Prostatakrebs: Er ist mit rund 65.000 Neuerkrankungen jährlich der häufigste bösartige Tumor bei Männern. Über 12.000 Männer sterben pro Jahr daran. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 83 und 94 Prozent. Risikofaktoren: Männliche Geschlechtshormone sind mit dafür verantwortlich; genetische Vorbelastung.

    Darmkrebs nennt man alle Krebserkrankungen, die den Dickdarm, den Mastdarm oder den After betreffen. Mit 16 Prozent ist er die zweithäufigste Krebsart und mit zwölf bis 14 Prozent die zweithäufigste Krebstodesursache. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 53 und 63 Prozent. Risikofaktoren sind Übergewicht, Bewegungsmangel, ballaststoffarme und fettige Kost, Alkohol, Tabak, erbliche Vorbelastung. Vorsorge ist ab dem 50. Lebensjahr kostenlos.

    Lungenkrebs ist in Deutschland sowohl für Männer als auch für Frauen die dritthäufigste Krebserkrankung. 32.500 Männer und 14.600 Frauen erkranken jährlich daran. Die Prognose für diesen Krebs ist nicht gut: 26 Prozent der erkrankten Männer und zwölf Prozent der Frauen sterben daran. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 13 und 17 Prozent bei Männern, zwischen 13 und 19 Prozent bei Frauen. Risikofaktoren sind Rauchen, Asbest- oder Radonbelastung. Obst und Gemüse wirken sich schützend aus.

    Brustkrebs (bei Frauen) Über 60.000 Frauen erkranken daran. Im Schnitt sind sie dann 64 Jahre alt. Seit 1990 geht die Zahl der Erkrankten zurück. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 83 und 87 Prozent. Risikofaktoren sind Kinderlosigkeit, ein höheres Alter bei der ersten Geburt, der späte Eintritt in die Wechseljahre, Einnahme der Pille, Alkohol, Rauchen, Bewegungsmangel.

    Am Deutschen Krebsforschungszentrum rät Susanne Weg-Remers als Leiterin des Krebsinformationsdienstes dazu, sich durch die jüngsten Studien-Interpretationen aus dem Ausland nicht verwirren zu lassen. "Es ist sinnvoll abzuwarten, was in rund fünf Jahren beim deutschem Mammografieprogramm rauskommt", sagt sie.

    Alternativen zum Screening sehen viele Experten in Deutschland ohnehin nicht. Was die Methode verändern könnte, sind eher weitere Fortschritte in der Molekulargenetik. Wenn sich das individuelle Brustkrebsrisiko einer Frau besser einschätzen ließe, könnten irgendwann vielleicht auch nur die Risiko-Fälle regelmäßig gescreent werden. "Auf längere Sicht wäre das sicher ein guter Weg", sagt Susanne Weg-Remers. dpa/AZ

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