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Lebensgefahr bei "Legal Highs": Kräuterdrogen teils gefährlicher als Cannabis

Lebensgefahr bei "Legal Highs"

Kräuterdrogen teils gefährlicher als Cannabis

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    Illegale Kräutermischungen werden häufig in bunten, poppigen Beuteln verkauft.
    Illegale Kräutermischungen werden häufig in bunten, poppigen Beuteln verkauft. Foto: dpa

    "Lava Red" heißt eine Kräuterdroge. Sie wird als "Raumduftmischung" oder "Räucherware zum Meditieren" angeboten - und das völlig legal. Doch die Droge gilt als lebensgefährlich. Polizei, Ärzte und Psychologen warnen vor der Droge. Das Mittel besteht aus getrockneten pflanzlichen Stoffen, die mit einem künstlichen Cannabinoid besprüht werden.

    Kräuterdrogen verursachen Angst- oder Unruhezuständen

    Wer die Kräuterdrogen einnimmt, werde von Angst- oder Unruhezuständen heimgesucht und könne aggressiv werden, warnt Thomas Zilker, der Leiter des Giftnotrufs München, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. Genau wie der 14-Jährige, der im Landkreis Bamberg aus neun Metern Höhe vom Balkon stürzte und sich schwer verletzte. Ihm wurde die Kräutermischung „Jamaica Gold“ zum Verhängnis, wie der Giftnotruf vom behandelnden Krankenhaus weiß.

    Nach Ansicht von Experten ist die neue Droge lebensgefährlich. Das sagt unter anderem der Leiter der Suchtklinik "Teen Spirit Island" im Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover, Prof. Christoph Möller. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass der künstliche Cannabis-Wirkstoff süchtig macht. Er greift in den Gehirnstoffwechsel und die seelische Entwicklung ein", sagte Psychiater Möller. Vermehrt landen in seinem Krankenhaus inzwischen Jugendliche nach dem Konsum von "Lava Red" mit schweren Kreislaufstörungen und anderen Symptomen.

    Immer mehr Kräutermischungen

    "Es ist ein bundesweites Phänomen, dass immer mehr Kräutermischungen angeboten werden, die einen Rausch auslösen", berichtet Frank Federau vom niedersächsischen Landeskriminalamt. "Alle beinhalten synthetische Cannabinoide, die gefährlich sind. Ist ein solcher Baustein entdeckt und wird verboten, ändert der Hersteller einen Baustein in der chemischen Zusammensetzung und bietet den Stoff unter anderem Namen an."

    "Lava Red" ist so zur Nachfolgedroge von "Spice" geworden. "Lava Red enthält Inhaltsstoffe, deren Wirkungen unerforscht und bedenklich sind", erklärt Federau. Jede Packung, die das Landeskriminalamt bekommt, müsse im Labor untersucht werden, um die Inhaltsstoffe zu identifizieren. "Wir gehen davon aus, dass die Hersteller bewusst das Betäubungsmittelgesetz umgehen", sagt der Polizist. "Es werden vorsätzlich falsche Angaben zum Gebrauch gemacht. Dass eine Kräutermischung, die zehn Euro pro Gramm kostet, nicht als Badezusatz oder Räucherware eingesetzt wird, dürfte klar sein." Junge Abnehmer werden durch verharmlosende Erfahrungsberichte im Internet geködert.

    Kräuterdrogen: Lebensgefährliche Symptome

    Doch gerade Jugendlichen wird die gesundheitsschädigende und rauschauslösende Wirkung von "Lava Red" zum Verhängnis. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Kinderkrankenhauses Auf der Bult ist das Mittel bekannt, hier mussten schon mehrere Jugendliche mit einem "Kräuterrausch" ambulant behandelt werden. Neben Erbrechen und schweren Kreislaufstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit kann das Mittel auch lebensgefährliche Symptome wie Herzrhythmusstörungen, Wahrnehmungsveränderungen und Panikattacken hervorrufen.

    Professor Möller betont: "Vor allem Jugendliche, die ja noch in der Entwicklung sind, können leicht abhängig werden. Denn synthetische Cannabinoide greifen massiv in den Gehirnstoffwechsel ein, außerdem wird die seelische Entwicklung gestört."

    Die Hersteller profitieren davon, dass Substanzen nur dann verboten sind, wenn sie identifiziert, als schädlich eingestuft und in die entsprechenden Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommen worden sind. Ist ein synthetisches Cannabinoid erkannt und verboten, kann die chemische Formel leicht verändert und der somit legale Wirkstoff einer neu benannten Kräutermischung zugesetzt werden.

    Kräutermischungen selbst führten nicht zum Tod

    Die Entscheidung, welche Stoffe in die Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen werden, liegt bei der Bundesregierung. Sie fällt ihre Entscheidung aufgrund der Einschätzung eines Sachverständigenausschusses für Betäubungsmittel sowie des Bundeskriminalamtes, der Bundesopiumstelle und des Bundesministeriums für Gesundheit.

    166 Kliniken wandten sich vergangenes Jahr laut dapd wegen Kräutermischungen an den Giftnotruf München. Bei 30.000 Anfragen zu Vergiftungen im Jahr, sei das nicht viel, meint Zilker im Gespräch mit dapd. Aber er geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Kräutermischungen selbst führten nicht zum Tod. Aber wie der 14-Jährige aus dem Landkreis Bamberg hätten die Betroffenen in ihrem berauschten Zustand oft Unfälle. „Die Menschen verlieren das Gefühl für das, was gefährlich ist.“ AZ/dpa

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