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Interview: Wie Gedanken unsere Gesundheit beeinflussen können

Interview

Wie Gedanken unsere Gesundheit beeinflussen können

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    Allein die Vorahnung auf Stress kann Menschen übellaunig stimmen und stressen. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf das Wohlbefinden.
    Allein die Vorahnung auf Stress kann Menschen übellaunig stimmen und stressen. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Foto: Oliver Killig (dpa)

    Fr. Dr. Schmid, Sie haben ein Buch mit dem etwas unspektakulärem Titel „Kopfsache gesund“ geschrieben. Der Inhalt ist aber dafür umso spektakulärer. Sie behaupten nämlich, dass man sich mit der Kraft seiner Gedanken heilen kann. Und betonen zudem, dass Sie das naturwissenschaftlich begründen. Um Esoterik geht es Ihnen also nicht. Und Sie werfen der Schulmedizin vor, dass sie neueste wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert, geistig noch im 20. Jahrhundert steckt. Inwiefern ist die Medizin veraltet?

    Katharina Schmid: Die Schulmedizin basiert immer noch auf der klassischen Physik. Die Erkenntnisse der Quantenphysik hingegen ignoriert sie. Damit werden große Teile objektiver Wirklichkeit ausgeblendet. In der klassischen Physik geht es um die Erforschung und die Gesetzmäßigkeiten der Materie, auf der natürlich auch unser Körper aufgebaut ist. 99,99 Prozent des Raumes zwischen den Atomen unseres Körpers sind aus Sicht der klassischen Physik leer, Vakuum. Heute weiß man aber, dass dieses vermeintliche Vakuum prall gefüllt ist. Wie zum Beispiel mit elektromagnetischen Schwingungen, mit Photonen (früher sagte man Lichtteilchen), letztlich mit Informationen – die uns als Lebewesen erheblich betreffen.

    Warum ist das so sehr von Bedeutung?

    Schmid: Ein Beispiel: Unsere Gedanken sind im Kern ein Gewitter von elektrischen Entladungen im Gehirn – elektromagnetische Schwingungen, letztlich Photonen. Also genau das, was sich ohnehin zuhauf zwischen unseren Molekülen befindet. Es ist naheliegend, dass auf dieser Ebene Wechselwirkungen stattfinden. Auch wenn wir erst am Anfang stehen, diese Wechselwirkungen zu verstehen.

    Sie sagen, mit Gedanken kann man heilen. Das würde ja bedeuten, dass Gedanken Materie beeinflussen könnten. Wie soll das gehen?

    Schmid: Das passiert jeden Tag im Gehirn. Gedanken bauen dort Materie um. Das leitet sich unter anderem aus den Arbeiten des Nobelpreisträgers und Neurowissenschaftlers Eric Kandel ab. Er fand heraus: Wenn man bestimmte Gedanken hegt, etwa etwas Neues trainiert – sagen wir: Vokabeln lernt – dann verändern sich Verschaltungen auch physisch im Gehirn. Pro Tag bauen sich etwa 70.000 Synapsen im Gehirn – eine Synapse ist eine neuronale Verbindung von einer Nervenzelle zu einer anderen – ab und bilden sich neu. Wenn wir dann immer das Gleiche machen, entsteht so eine Routine im Gehirn. Wir können dann Dinge tun, über die wir nicht mehr groß nachdenken müssen – wie beim Autofahren etwa. 70.000 Synapsen pro Tag klingt viel, ist aber angesichts von 90 Milliarden Gehirnzellen wenig.

    Wenn man also denkt, ändern sich Verschaltungen im Gehirn. Ein Gedanke beeinflusst Materie. Aber wie schnell geht das?

    Schmid: Kandel fand heraus, dass es oft Wochen und Monate dauert, bis neue Gedanken die Materie im Gehirn entsprechend neu überschrieben haben. Als grober Richtwert gelten sechs Monate, wobei sich jüngere Menschen naturgemäß mit dem Umdenken leichter tun, als ältere, die oft schon Jahrzehnte immer die gleichen Gedanken im Kopf haben.

    Haben dann Gedanken auch Einfluss auf unser Immunsystem, das ja wiederum eng mit unserer Gesundheit verknüpft ist?

    Schmid: Heute weiß man: Weiße Blutkörperchen, die einen Teil des Immunsystems darstellen, haben Rezeptoren für Neurotransmitter, die bei Gedanken und Gefühlen im Körper ausgeschüttet werden. Ein unangenehmes Gefühl etwa löst Stress aus. Die Reaktion: Stresshormone wie Kortisol und Adrenalin werden ausgestoßen. Kortisol, das körpereigene Kortison, das therapeutisch eingesetzt wird, um Entzündungen im Körper zu unterdrücken, schwächt die Körperabwehr, der Blutdruck steigt. Bei Hoffnung hingegen werden „angenehme“ Hormone ausgeschüttet – wie Endorphin oder das Kuschelhormon Oxytocin. 70 Prozent unserer geschätzt 50.000 bis 70.000 Gedanken pro Tag sind harmlos, flüchtig. Gedanken beeinflussen die Materie unseres Körpers erst dann, wenn damit Gefühle und innere Bilder, also Vorstellungen, egal ob gute oder schlechte, verknüpft sind – und zwar über Neurotransmitter und Hormone.

    Wieso können uns Diagnosen kränker machen, als wir es sind?

    Schmid: Man muss als Arzt sehr sensibel damit umgehen, einem Patienten eine Diagnose mitzuteilen. Warum? Der Mensch neigt zu selektiver Wahrnehmung. Ein Beispiel: Wenn Sie sich ein neues Auto kaufen wollen, achten Sie plötzlich ständig auf Autos und was so mit einem Neukauf zusammenhängt. Wenn Sie schwanger sind, sehen Sie nur noch Schwangere. Wenn der Arzt Ihnen sagt, dass Sie zu hohes Cholesterin haben, lesen Sie alles Mögliche darüber und sehen sich schon mit einem Schlaganfall in der Ecke liegen. Viel schlimmer ist das noch bei einer schweren, etwa einer Krebsdiagnose.

    Aber es ist doch wichtig, etwas zu tun, wenn etwas die Gesundheit bedroht.

    Schmid: Natürlich ist das wichtig. Ich will nur skizzieren, welchen Einfluss eine Diagnose auf den Menschen haben kann. Eine negative Nachricht ist für unsere älteren Hirnregionen – ich nenne sie der Einfachheit halber Reptiliengehirn – eine Bedrohung. Reptilien kennen bei Bedrohungen drei Reaktionen: Kampf, Flucht oder Verstecken beziehungsweise Totstellen. Alles ist mit erheblichem Ausstoß an Stresshormonen verbunden. Cortison etwa. Es sorgt dafür, wie schon gesagt, dass der Blutdruck steigt und die Immunabwehr schwächer wird. Wer sich also beispielsweise in seiner Arbeit oder der Schule immer überfordert fühlt, leidet unter extrem schädlichen Dauerstress. Das Gehirn kann auf der Reptiliengehirnebene nicht unterscheiden, ob eine Bedrohung wirklich lebensbedrohlich ist oder nicht. Darum ist zum Beispiel für viele Menschen Lampenfieber oder das Sprechen vor vielen Menschen – beides ist ja nicht lebensgefährlich – ein Problem, das sie in ihrem Alltag ungemein einschränken kann. Die Angst lähmt den Menschen dann.

    Und diese Ängste können wiederum unsere Nervenzellen umbauen?

    Schmid: Genau. Wenn Ängste immer wieder durchlebt werden, bilden sie im Gehirn Neuronenroutinen, die man nur schwer wieder wegbekommt. Das nennt man dann chronische Angsterkrankung.

    Sie schreiben, dass es Studien gibt, wonach Placebos – also Scheinmedikamente – wirklich wirksam sein können.

    Schmid: Das kann man zunächst kaum glauben. Aber vor dem Hintergrund der Wirksamkeit von Gedanken im Körper wird daraus eine Logik. Nicht nur negative Gedanken setzen Prozesse in Gang, sondern auch positive. Wenn man nun an ein Mittel glaubt, dann wirkt es eben auf diese Weise.

    Wie verhelfen Sie Ihren Patienten zu besonders guten und somit vielleicht heilsamen Gedanken?

    Schmid: Ich arbeite mit einem ganz einfachen Werkzeug, das ich „Zielbilder“ genannt habe. Stellen Sie sich einen Zustand vor, den Sie für sich gern hätten. Dann malen Sie sich diesen Zustand so aus, als hätten Sie ihn schon mit Erfolg erreicht. Das ist die positive Botschaft, die das Gehirn versteht. Verneinungen sind zu kompliziert für das Gehirn. Nehmen wir an, Sie sind übergewichtig und wollen abnehmen: „Ich darf nicht zu viel essen“ ist dann schwierig für das Gehirn.

    Warum?

    Schmid: Das ist wie mit dem bekannten Satz: „Denken Sie jetzt gerade nicht an rosa Elefanten.“ Die meisten denken dann eben an einen rosa Elefanten. Nicht-Botschaften sind für das Gehirn nicht sinnvoll. Statt: „Ich darf nicht zu viel essen“ denken Sie sich lieber eine Szene, in der sie bereits schlanker sind und befreit durch eine schöne Landschaft spazieren. Oder welche Vorstellung auch immer Ihnen besonders gut gefällt. So fällt es ihnen viel leichter, nicht an Essen zu denken.

    Das soll helfen, vielleicht gar heilen?

    Schmid: Ich will keinerlei Heilsversprechungen machen. Ich behaupte nur, dass Gedanken, Zielbilder, Placebos das Heilen zumindest unterstützen, vielleicht in manchen Fällen sogar eine Krankheit ganz heilen können. Wer schwer krank ist, sollte sich – neben dem Denken in positiv besetzten Zielbildern – zudem unbedingt jemanden suchen, der die betreffende Krankheit schon überwunden hat. Denn der Mensch lernt durch Vorbilder, hält gedanklich Dinge für möglich, die andere schon geschafft haben. Und wir sind letztlich Säugetiere. Diese gesellen sich – je nach Art – gern. Das tut ihnen gut. Weil das ihre Überlebenschance in der Natur verbessert. Dieses Gesellen sorgt für positive Gefühle. Und wie wir inzwischen gelernt haben, haben diese eine viel stärkere Bedeutung, als man bisher dachte.

    Sie kritisieren auch, dass die Schulmedizin die Erkenntnisse der Epigenetik noch nicht hinreichend berücksichtigt. Was ist das eigentlich?

    Schmid: Die Epigenetik befasst sich mit der Frage, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklung einer Zelle zeitweilig festlegen. Bis zum Jahr 2000 ging die Wissenschaft davon aus, dass wir unseren Genen quasi ausgeliefert sind. Also: Das Paket, das ich mitbekommen habe, ist im Prinzip gesetzt und nicht mehr veränderbar – mit allen Vor- und Nachteilen.

    Das stimmt nicht?

    Dr. Katharina Schmid, Jahrgang 1969, hat in Wien Medizin studiert.
    Dr. Katharina Schmid, Jahrgang 1969, hat in Wien Medizin studiert. Foto: Katharina Schmid

    Schmid: Heute weiß man, dass das Verhalten – und das ist ja wiederum von unseren Gedanken gesteuert – das Auslesen der Gene beeinflusst. Nicht einmal eineiige Zwillinge haben die gleiche Genregulation. Im Laufe ihres Lebens ändert sich diese, auch wenn sie relativ ähnliche Lebensumstände haben. Heftige emotionale Ereignisse beispielsweise können die Gene beeinflussen. Das gilt für positive Gefühle, aber auch für negative. Traumatische Ereignisse wiegen dabei manchmal besonders schwer. Kriegserlebnisse oder Verbrechen können sogar noch Einfluss auf die Gene von Nachfahren haben. Die sich dann fragen, was eigentlich mit ihnen los ist. Manche meinen, es läge etwas unerklärlich schwer auf ihrer Seele. Früher sprach man abergläubisch von einem Fluch. Heute weiß man: Schlimme Ereignisse – schwere Schuld etwa – können sich auf nachfolgende Generationen auswirken. Das ist nun naturwissenschaftlich erklärbar.

    Sie schreiben in Ihrem Buch, dass es nun eine wissenschaftliche Erklärung sogar dafür geben könnte, warum Menschen über große Entfernungen spüren, dass es einem nahestehenden Menschen schlecht geht. Ein solches Gefühl war ja bisher auch nur auf der Gebiet der Esoterik verortet.

    Schmid: Dafür müssen wir wieder die Quantenphysik bemühen. Ich sagte vorhin, dass Gedanken elektromagnetische Wellen sind, die sich aus winzigen Energieportionen, den Photonen, zusammensetzen. Quantenphysiker wissen, dass Photonen Informationen transportieren können. Und nun kommen wir zu einem irre anmutenden Sachverhalt: der Quantenteleportation.

    Klingt ziemlich nach Science Fiction.

    Schmid: Quantenobjekte, also subatomare Teilchen und kleine Moleküle, können auch über große Distanzen hinweg in Verbindung stehen und sich beeinflussen. Dieses Phänomen bezeichnen wir als Quantenverschränkung. Einstein bezeichnete das als „spukhafte Fernwirkung“. Voraussetzung für die gegenseitige Beeinflussung ist es, die Teilchen vorher in einen gemeinsamen Zustand zu bringen. Das heißt, sie müssen gemeinsam die gleiche Information erhalten haben und die gleichen Eigenschaften aufweisen.

    Wie sah das Experiment nun aus?

    Schmid: 2012 gelang der Arbeitsgruppe des Wiener Quantenphysikers Anton Zeilinger dieses bahnbrechende Experiment. Auf der kanarischen Insel La Palma verschränkten die Forscher zwei Photonen. Sie wiesen also die gleichen Eigenschaften auf. Eines der beiden Photonen brachten die Forscher in einem Glasfaserkabel auf die 143 Kilometer entfernte Nachbarinsel Teneriffa. Dann verschränkten die Forscher das Photon auf La Palma mit einem dritten Photon. Das erste Photon nahm die Eigenschaften des dritten Photons an. Im selben Moment änderten sich – wie von Geisterhand – auch die Eigenschaften des zweiten Photons auf Teneriffa. Dieser Vorgang wird als Quantenteleportation bezeichnet.

    Ist also eine Mutter, die fühlt, dass es ihrem Kind, das weit weg ist, nicht gut geht, vielleicht auf Quantenteleportation zurückzuführen?

    Schmid: Das ist zumindest denkbar. Ein Kind entstammt der Mutter. Wir wissen überhaupt nicht genau, welche Bande es zwischen den beiden geben kann – um beim Beispiel Mutter-Kind zu bleiben. Eines ist aber klar: Die Schulmedizin ist in vielen Teilen nicht auf dem neuesten Stand. Wir müssen lernen, anders zu denken. Jedenfalls erscheinen mir viele bisher als esoterisch abgetane Phänomene in einem neuen Licht. 

    Zur Person: Das Buch „Kopfsache gesund“ von Dr. Katharina Schmid (Habilitation zur Privatdozentin 2011 an der Uni Wien) ist 2018 im Wiener Verlag „edition a“ erschienen und im Buchhandel erhältlich.

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