Die Zahl der Arzneimittelenpässe in der Krebstherapie ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Das teilt die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) mit. "Die Arzneimittelengpässe bestehen bereits seit Jahren, nehmen derzeit aber sicher deutlich zu", sagt Hermann Einsele, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO.
Die Ursachen seien vielfältig. Es gebe Probleme bei der Herstellung und durch die Abhängigkeit von Lieferketten im Ausland, aber auch einen erhöhten Bedarf. In einzelnen Fällen bestehe das Problem, dass Medikamente aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt genommen würden.
Betroffen sind demnach vor allem Medikamente, die seit Jahren in der Krebstherapie eingesetzt werden. Laut DGHO sind das zum Beispiel das Brustkrebs-Mittel Tamoxifen und Nab-Paclitaxel, das ebenfalls bei Brustkrebs sowie Bauchspeicheldrüsenkrebs und Lungenkrebs zur Anwendung kommen. Auch unterstützende Arzneimittel für Krebspatienten wie Antibiotika und Harnsäuresenker seien von Lieferengpässen betroffen.
Mehr Produktionsstätten für Medikamente gefordert
Engpässe gebe es vor allem bei "Standardmedikamenten", sagt Matthias Beckmann von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Alternativen seien nicht immer gleichwertig. Es könne etwa stärkere Nebenwirkungen geben. "Die Frauen brechen einfach die Therapie ab, wenn die Nebenwirkungen zu hoch sind." Zudem wirke sich die Situation auch auf die Beziehung zwischen Ärzten und Patienten aus. "Unser Vertrauensverhältnis mit den Patientinnen und Patienten ist nachhaltig gestört durch die Lieferengpässe."
Im vergangenen Jahr hätten von etwa 200 in Deutschland zugelassenen Krebsmedikamenten etwa 10 "kritisch gefehlt", sagt Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO. Die Sorge sei, dass ein nicht kompensierter Lieferengpass zu einem Versorgungsengpass werde. "Und eben dann auch, das ist für uns der Horror, dass es in der Tat zu einer Verschlechterung der Prognose kommt."
Bereits in den vergangenen Jahren sei ein Register für Lieferengpässe aufgebaut worden. Wörmann fordert, langfristig mehr Produktionsstätten in Europa aufzubauen. Nach Ansicht von Thomas Seufferlein, Mitglied im Vorstand der Deutschen Krebsgesellschaft, muss vor allem das Monitoring ausgebaut werden. "Wir brauchen wirklich ein präventives Frühwarnsystem und entsprechende Möglichkeiten, um ein gegebenenfalls entstehendes Versorgungsdefizit rechtzeitig abzuwenden."
(dpa)