Einziger Beleg: Eine rund 800 Jahre alte Handschrift der Maya. Dieses Buch befindet sich in der Dresdner Staats- und Universitätsbibliothek und ist nach deren Angaben eines der wertvollsten im Bestand.
Das Interesse am sogenannten Codex Dresdensis ist groß: "Wir bekommen fast täglich Anrufe aus Amerika, Mexiko, von überall her", sagt Bibliotheksdirektor Thomas Bürger. Darunter seien zahlreiche Wissenschaftler, Privatleute - und auch Freaks. "Die Flut der Gerüchte, die im Netz kursiert, ist gewaltig."
So kann auf Internetseiten zum Beispiel darüber abgestimmt werden, ob bald die letzte Stunde der Menschheit schlägt. In Foren wird vor dem Aufschlagen eines Kometen an diesem Tag gewarnt. Tipps kursieren, wie man sich in Sicherheit bringen kann. Damit sich jeder selbst ein Bild machen kann, haben Experten den Codex neu digitalisiert. Jetzt sind die 39 Blätter aus Feigenbaumrinde, die zusammen rund 3,5 Meter lang sind, auch im Internet abrufbar. "Wir wollen die Geheimnisse und Gerüchte nicht noch anheizen, sondern einfach gute Informationen bieten", betont Bürger.
Der Codex ist nach Bibliotheksangaben eines der bedeutendsten schriftlichen Zeugnisse der vorspanischen Zeit in Amerika. Er stammt aus der Mitte des 13. Jahrhunderts und befindet sich seit 1739 im Besitz Sachsens. Damals erwarb der kurfürstlich-sächsische Hofkaplan und Bibliothekar Johann Christian Götze den Codex für die Dresdner Bibliothek aus dem Besitz eines Privatmannes in Wien, erst im 19. Jahrhundert wurde der Codex als Maya-Handschrift erkannt.
Das Buch der einstigen Hochkultur besteht aus aneinandergereihten Blättern, auf denen Hieroglyphen, Bilder und Symbole aufgetragen sind. Maya-Priester notierten ihr geheimes Wissen über Krankheiten, Erntezeiten, religiöse Handlungen, Opfer und Astronomie. Der Kalenderteil konnte Ende des 19. Jahrhunderts von dem Dresdner Bibliothekar Ernst Wilhelm Förstemann entschlüsselt werden.
Maya-Codices gibt es noch in Madrid, Paris und in Mexiko-Stadt. "Aber in Dresden befindet sich die einzige Schrift, die einen Kalender und ein Apokalypse-Bild enthält", sagt Bürger. So zeigt das letzte Bild eine katastrophenartige Sintflut mit mythischen Tier- und Göttergestalten. Aus dem Maul eines Himmelsdrachens stürzen Wasserfluten auf die Erde.
Der Maya-Kalender inspirierte auch Hollywood-Regisseur Roland Emmerich zu seinem Kinofilm "2012". Darin inszeniert er mit einstürzenden Wolkenkratzern und riesigen Flutwellen das Ende der Menschheit am 21. Dezember 2012. Doch Bibliotheksdirektor Bürger sieht dem Datum gelassen entgegen und gibt sich optimistisch: "Wir werden für diesen Tag eine Survival-Party organisieren."
Auch sonst steht das nächste Jahr an der Sächsischen Staats- und Universitätsbibliothek in Dresden ganz im Zeichen der Mayas: Im Mai reisen internationale Wissenschaftler zu einer Tagung an, zahlreiche Veranstaltungen sind geplant, zudem wird ein neues Buch über den Maya-Codex erscheinen.
Das Original darf allerdings nicht berührt, bewegt oder transportiert werden. Es befindet sich in einem temperierten Glaskasten in der Schatzkammer der Staatsbibliothek und kann dort bestaunt werden. Rund 4000 Gäste reisen den Angaben zufolge jedes Jahr nur wegen der alten Maya-Handschrift an, im kommenden Jahr wird mit einem Besucheransturm gerechnet. (dpa)