Weniger als die Hälfte der mit Aids infizierten Kinder weltweit bekommt nach Angaben von Helfern die Behandlung, die sie benötigen. Anlässlich des Welt-Aids-Tages an diesem Freitag rufen die SOS-Kinderdörfer die Weltgemeinschaft dazu auf, deutlich mehr zu tun. "Trotz aller Erfolge bei der Eindämmung der Pandemie - Kinder haben eine deutlich geringere Chance als Erwachsene, behandelt zu werden, das darf nicht sein", erklärte Sprecher Louay Yassin am Mittwoch in München.
Nur 43 Prozent aller HIV-infizierten Kinder unter 15 Jahren weltweit haben den Angaben zufolge im vergangenen Jahr Zugang zu einer antiretroviralen Therapie gehabt, die den Ausbruch des Immunschwächevirus verhindert. Im Vergleich dazu seien 54 Prozent der mit HIV infizierten Erwachsenen mit entsprechenden Medikamenten versorgt worden. "Dabei ist das Risiko, an Krankheiten im Zusammenhang mit Aids zu sterben, gerade für Kinder bis zu vier Jahren am höchsten, da sich der Erreger besonders schnell in ihrem Körper ausbreitet", so Yassin.
HIV und Aids: Mehr als zwei Millionen Kinder betroffen
Weltweit lebten 2016 den Angaben zufolge über zwei Millionen Kinder mit HIV. Am schwersten von der Epidemie betroffen seien afrikanische Länder südlich der Sahara: 90 Prozent der mit HIV infizierten Jungen und Mädchen lebten dort, 1,85 Millionen von ihnen seien jünger als 15 Jahre.
Zum Welt-Aids-Tag: Zahlen und Fakten
Am 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. Die lebensbedrohliche Immunschwächekrankheit hat sich seit Anfang der 80er Jahre weltweit ausgebreitet und Millionen Menschen getötet, insbesondere in Afrika. Allerdings hat sich mittlerweile der Zugang zu Medikamenten verbessert, die bei regelmäßiger Einnahme einen Ausbruch von Aids verhindern und auch die Übertragung des HI-Virus von Schwangeren auf ihre ungeborenen Kinder abwenden können. In Zahlen der UN-Organisation zur Bekämpfung von Aids (UN-Aids) spiegeln sich die Herausforderungen und Erfolge im Kampf gegen Aids:
17 Sekunden: 2016 haben sich nach UN-Angaben weltweit rund 1,8 Millionen Menschen mit dem HI-Virus angesteckt, das Aids auslöst. Umgerechnet ist das eine HIV-Infektion alle 17 Sekunden oder fast 5000 Neuinfektionen pro Tag.
Zwei Drittel: Bei Erwachsenen ist die Zahl der Neuinfektionen weltweit in den vergangenen Jahren kaum zurückgegangen. 2010 waren es 1,9 Millionen, 2016 noch 1,7 Millionen. Zwei Drittel der Neuinfektionen gibt es in Afrika.
Fast 50 Prozent weniger: Die Neuinfektionen bei Kindern sind hingegen deutlich zurückgegangen: Die Zahl halbierte sich nahezu von 300.000 im Jahr 2010 auf 160.000 im Jahr 2016. Entscheidend war dabei die verstärkte Untersuchung von schwangeren Frauen in Afrika und die Behandlung von HIV-infizierten Patientinnen mit anti-retroviralen Medikamenten, die eine Übertragung des Virus auf das ungeborene Kind verhindern können.
36,7 Millionen: Für 2016 gab UN-Aids die Zahl der HIV-Infizierten mit 36,7 Millionen an, seitdem stieg sie aber weiter. 20,9 Millionen Betroffene weltweit haben mittlerweile Zugang zu einer wirksamen Behandlung.
Eine Million: Die Todesfälle im Zusammenhang mit Aids sind im vergangenen Jahrzehnt um fast 50 Prozent zurückgegangen. Starben 2005 noch 1,9 Millionen Menschen an Aids, waren es 2016 eine Million. Von den 76,1 Millionen Menschen weltweit, die sich seit Ausbruch der Aids-Epidemie 1981 mit HIV ansteckten, starben 35 Millionen an der Krankheit.
Mehr als 16 Millionen Kinder in Afrika hätten mindestens einen Elternteil wegen Aids verloren. "Die Kinder sind Diskriminierung und Armut ausgesetzt, viele müssen in Folge dessen die Schule abbrechen, verlieren ihr Zuhause, haben überhaupt keine Perspektive mehr", betonte Yassin.
Er nannte allerdings auch positive Entwicklungen. So sei die Zahl der Kinder, die sich neu mit HIV infizierten, vor allem wegen der Behandlung schwangerer Frauen zurückgegangen: 2016 hätten sich 43 Prozent weniger Kinder neu angesteckt als noch 2010. Dennoch infizierten sich immer noch täglich rund 1.000 Embryos und Säuglinge mit dem tödlichen HI-Virus im Mutterleib - bei der Geburt oder beim Stillen.
Kampf gegen Aids - Von der ersten Infektion zur effektiven Therapie
1900: Vermutlich um die Jahrhundertwende geht ein HIV-Urtyp (SI-Virus) in Afrika vom Affen auf den Menschen über.
1959: Ärzte entnehmen einem Mann im Kongo eine Blutprobe. Jahrzehnte später wird festgestellt, dass sich darin HIV-Antikörper befinden.
1981: Die US-Gesundheitsbehörden melden, dass immer mehr Homosexuelle unter bis dahin seltenen Infektionen und Hauttumoren leiden.
1982: Krankheitsfälle treten auch bei Drogenabhängigen und Blutern auf. Die Krankheit bekommt den Namen Aids (Acquired Immune Deficiency Syndrome, Erworbenes Immunschwäche-Syndrom). In Deutschland wird die erste Aids-Diagnose gestellt.
1983: Luc Montagnier und seinen Kollegen vom Pasteur-Institut in Paris gelingt es, das Aids-Virus zu isolieren. Der New Yorker Arzt Joseph Sonnabend benutzt erstmals den Begriff "Safer Sex". Auch in Deutschland wird verstärkt über das Thema Aids berichtet.
1984: Robert Gallo entwickelt ein Zellkultursystem und schafft damit die Voraussetzung für die Entwicklung erster Aids-Tests.
1985: Die erste internationale Aids-Konferenz tagt. 27 Millionen deutsche Haushalte bekommen Informationsbroschüren zugeschickt.
1986: Experten bezeichnen den Erreger einheitlich als HIV (Human Immunodeficiency Virus, Humanes Immunschwächevirus).
1987: Das erste Aids-Medikament AZT wird in den USA und wenig später auch in Deutschland zugelassen. Es kann die Virus-Vermehrung etwas bremsen.
1991: Die rote Schleife (Red Ribbon) wird zum internationalen Aids-Symbol. Queen-Sänger Freddie Mercury stirbt an HIV.
1996: Für Aufsehen sorgt die Entdeckung, dass einige Menschen eine genetisch bedingte, wenn auch nicht vollständige HIV-Resistenz haben.
1999: Schweizer Ärzte haben außergewöhnlichen Erfolg mit einer Hochdosis-Kombinationstherapie aus mehreren Medikamenten (HAART), in der Folge wird diese Strategie zur Standardbehandlung.
2002: Der Globale Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria wird zur Finanzierung nationaler Maßnahmen gegen diese Krankheiten gegründet.
2003: Mit dem Fusionshemmer Enfuvirtid (Handelsname Fuzeon) kommt in den USA und der EU eine vierte Klasse von Aids-Medikamenten auf den Markt, nach den sogenannten Nukleosiden, Protease-Hemmern und Transkriptase-Hemmern.
2008: Luc Montagnier wird gemeinsam mit Françoise Barré-Sinoussi für die Entdeckung von HIV der Medizin-Nobelpreis verliehen.
2010: Barack Obama hebt das in den USA seit 1987 geltende Einreiseverbot für HIV-Positive auf.
2014: Bei dem zunächst als "funktionell geheilt" geltenden "Mississippi-Baby" entdecken Ärzte erneut das HI-Virus. Das Mädchen war kurz nach der Geburt mit drei Medikamenten behandelt worden, nach einem halben Jahr entzog es die Mutter einer weiteren Therapie. Monate später war das Kind dennoch virenfrei gewesen. Dies bezeichneten Mediziner als Sensation - bis der Erreger doch wieder auftauchte.
2016: Die Vereinten Nationen sprechen von einem Wendepunkt der Aids-Epidemie in Afrika. Zum ersten Mal würden auf dem Kontinent mehr Betroffene behandelt als sich neu infizieren.
"Wenn wir unser Ziel, die Krankheit weltweit bis 2030 zu besiegen, erreichen wollen, müssen wir uns viel mehr um die Kinder kümmern und dafür sorgen, dass sie die bestmögliche Unterstützung bekommen", so Yassin. KNA/sh