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Virologie: Gürtelrose kann zur Geißel werden

Virologie

Gürtelrose kann zur Geißel werden

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    So sehen die charakteristischen Gürtelrose-Bläschen am Bauch eines Patienten aus.
    So sehen die charakteristischen Gürtelrose-Bläschen am Bauch eines Patienten aus. Foto: Imago Images

    Gürtelrose? Dass es sich dabei um eine Krankheit handelt, dürfte den meisten Menschen klar sein. „Was die Ursache für die Erkrankung ist, welche Beschwerden sie macht und welche ernsthaften Komplikationen sie bereiten kann, wissen viele Menschen nicht“, sagt der Infektiologe Dr. Ernst Tabori vom Deutschen Beratungszentrum für Hygiene in Freiburg. Noch weniger bekannt ist vermutlich die Tatsache, dass es eine neue Impfung gibt, die Experten zufolge einen hohen Schutz bietet. Sie wird allen Menschen ab 60 öffentlich empfohlen und ist seit kurzem eine Kassenleistung.

    Jeder, der Windpocken hatte, kann eines Tages auch Gürtelrose (Herpes zoster) bekommen. Das

    Normalerweise verheilen die Bläschen nach zwei bis vier Wochen. Gefürchtet ist die Krankheit vor allem wegen der schwerwiegenden Folgen, die sie haben kann: Ist der Kopf betroffen, drohen bleibende Schäden wie etwa Schwerhörigkeit oder Blindheit. Solche dramatischen Verläufe sind allerdings selten. Dagegen kommt es häufig vor, dass Patienten auch nach Abklingen des Ausschlags unter Nervenschmerzen leiden: Etwa jeder fünfte Betroffene ab 50 leidet vier Wochen nach Krankheitsbeginn immer noch unter Schmerzen – je älter, desto größer das Risiko. Schlimmstenfalls werden daraus chronische Schmerzattacken, die jahrelang anhalten. „Eine solche postherpetische Neuralgie ist schwer behandelbar“, sagt der Virologe Prof. Thomas Mertens von der Uni Ulm.

    Gürtelrose mit Impfung vorbeugen

    Vorbeugen kann man einer Gürtelrose nur, wenn man sich impfen lässt. Seit vergangenem Jahr ist in Deutschland ein Totimpfstoff auf dem Markt, der Mertens zufolge große Vorteile gegenüber dem bisherigen Lebendimpfstoff hat. „Der neue Impfstoff ist hochwirksam, und das auch bei älteren Menschen, die ja über ein schwächeres Immunsystem verfügen“, erklärt Mertens, der auch Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko) ist. Außerdem könnten ihn auch immunsupprimierte Patienten erhalten, also zum Beispiel Menschen, deren körpereigenes Abwehrsystem nach einer Organtransplantation unterdrückt werden muss, damit das Organ nicht abgestoßen wird. „Der Impfstoff ist gut verträglich“, sagt Mertens. Allerdings könne es etwas häufiger lokale Reaktionen geben als bei anderen Impfungen, etwa Rötungen und Schwellungen an der Einstichstelle. Außerdem seien in den ersten Tagen grippeähnliche Symptome denkbar.

    Laut Robert Koch-Institut (RKI) ist der Impfstoff „äußerst reaktogen“: Bei jedem Zehnten träten solche vorübergehenden Impfreaktionen auf. Dass diese möglich sind, kann der Infektiologe Tabori aus eigener Erfahrung bestätigen: Er hat sich nämlich selbst bereits impfen lassen. „In der ersten Nacht danach hatte ich Allgemeinsymptome wie Fieber und Abgeschlagenheit“, berichtet er. „Doch schon am nächsten Morgen war alles wieder vorbei.“ Aber natürlich müsse so etwas nicht auftreten, und es gebe auch Geimpfte, die nur geringe Reaktionen beschrieben. „Man braucht vor der Impfung keine Angst haben, sollte aber vielleicht nicht gerade am Tag danach einen wichtigen Termin planen oder in den Urlaub fahren“, betont er.

    Die Immunität nach der Impfung hält offenbar auch bei alten Menschen jahrelang an. „Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass der Impfschutz in den ersten zehn Jahren abnimmt“, sagt Mertens. Für längere Zeiträume lägen noch keine Daten vor. Tabori findet es wichtig, dass gerade ältere Menschen über die Impfung hinreichend informiert sind: „Die Leute sollten darüber Bescheid wissen und nach der Impfung fragen, wenn sie das nächste Mal beim Hausarzt sind.“ Man könne sich auch zeitgleich gegen Grippe impfen lassen.

    Die Stiko empfiehlt die Impfung allen Menschen ab 60 Jahren. Wer an einer chronischen Krankheit wie zum Beispiel Diabetes, rheumatoide Arthritis oder Asthma leidet, sollte sich schon früher impfen lassen. In diesen Fällen und auch dann, wenn das Immunsystem wegen Krankheit oder Behandlung geschwächt ist, rät die Kommission bereits ab 50 Jahren dazu. „Prinzipiell können sich auch jüngere Leute impfen lassen“, sagt Mertens. „Dann müsste man aber vorher bei der Krankenkasse nachfragen, ob sie die Kosten übernimmt.“

    Schützt die Windpocken (Varizellen)-Impfung, die Kindern seit 2004 empfohlen wird, auch vor Gürtelrose? Meistens schon. Es ist aber laut RKI möglich, dass auch Impf-Viren einen Herpes zoster auslösen. Zum Schutz vor Windpocken wird nämlich ein Lebendimpfstoff verabreicht, der stark abgeschwächte Viren enthält. Sie können – wie das „Wild-Virus“ – in den Nervenzellen bleiben und später wieder aktiv werden. „Das ist aber selten. Außerdem verläuft die Krankheit dann milder“, sagt Mertens. Ob es in einigen Jahren deutlich weniger Gürtelrose-Fälle geben wird, weil immer mehr Menschen gegen Windpocken geimpft sind, ist unklar. „Auf jeden Fall werden weniger Varizellen unterwegs sein“, erklärt der Virologe. „Es gibt Modellrechnungen, wie sich das auf verschiedene Bevölkerungsgruppen auswirkt.“ Eine ganz zuverlässige Prognose könne derzeit aber niemand geben.

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