Die 33-jährige Caroline hat Grund zur Freude. Sie hat eine Krebserkrankung überstanden und hält nun, entgegen aller Erwartungen, ihren drei Monate alten Sohn Maximilian in den Händen. Sie ist das Beispiel eines in Deutschland zuvor beispiellosen medizinischen Wunders. Maximilian ist das erste Kind einer Frau, die sich vor einer Krebsbehandlung Eierstockgewebe entnehmen und später wieder einpflanzen ließ. Die Frau war nach Angaben des Gynäkologen-Teams aus Dresden, Erlangen und Bonn auf natürliche Weise schwanger geworden, nachdem sie ihren Lymphdrüsenkrebs überstanden hatte. Der kleine Maximilian kam bereits im Oktober 2011 per Kaiserschnitt zur Welt.
Vor Chemotherapie und Bestrahlung sei der Patientin das Eierstockgewebe entnommen und tiefgefroren worden, sagte der Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Dresden, Professor Wolfgang Distler, der Nachrichtenagentur dpa. "Mittels Proben konnten wir zudem weltweit erstmals nachweisen, dass die Eizelle, die zur Schwangerschaft führte, nur aus dem Retransplantat stammen kann." Bisher wurden laut Distler weltweit 15 Babys nach einer solchen Behandlung geboren - aber ohne diesen Nachweis. Doch es gibt auch Kritik an dem Verfahren.
Trotz Krebs: Kinderwunsch konnte erfüllt werden
2003 kam für die 33-jährige Caroline die niederschmetternde Diagnose: Lymphdrüsenkrebs. Die Erkrankung schien überstanden, doch nach der Chemotherapie kehrte sie zurück. Ihre Familie habe sie gedrängt, Eierstockgewebe sichern zu lassen. "Für mich war in erster Linie nur wichtig, wieder gesund zu werden", sagte sie. Heute sei sie froh, dass sie sich habe überreden lassen. "Aus den Eierstöcken wurden Gewebe und Eizellen entnommen, tiefgefroren und eingelagert", erklärte Distler. Nach weiteren Chemotherapien und einer Stammzelltransplantation galt die Patientin als geheilt.
Sieben Jahre später wurde Caroline per Bauchspiegelung das fünf Jahre zuvor entnommene Gewebe wieder eingesetzt - nahe des alten Eierstocks an der rechten Beckenwand. "Wichtig war, dass das Retransplantat in Reichweite des Eileiters lag, damit dieser unbefruchtete Eizellen aufnehmen konnte." Mit Hilfe einer Hormonbehandlung formierte sich aus dem Gewebe ein Eierstock. Und er funktionierte. Bester Beweis: 2011 wurde die Patientin schwanger.
Kritik an Retransplantation von Eierstockgewebe
Für den Lübecker Reproduktionsmediziner Professor Klaus Diedrich sei diese Methode zu experimentell. Zu selten wurde das Verfahren erprobt, zu wenige Kinder seien auf diese Weise geboren worden. Dagegen habe die auch bei krebskranken Frauen praktizierte Entnahme und das Wiedereinsetzen von Eizellen eine 30-prozentige Erfolgsrate. Nach einer Chemotherapie können sich laut Diedrich die Eierstöcke wieder erholen. Distler betonte jedoch, dass nach einer hochdosierten Chemo die Ovarien in der Regel nicht mehr funktionsfähig seien.
Die Gynäkologen können nicht ausschließen, dass bei der Retransplantation von Eierstockgewebe auch Krebszellen verschleppt werden. Die wissenschaftlich neue Methode sei schon lange in der Diskussion gewesen, sagte der Erlanger Spezialist Professor Matthias W. Beckmann. "Das Kinderkriegen ist das eine, Frauen die Möglichkeit der Hormonproduktion zurückzugeben, das andere."
Ärzte für Retransplantation von Eierstockgewebe sensibilisieren
Distler und seine Kollegen wollen Mediziner für das Thema sensibilisieren. "Onkologen sollten Frauen mit Tumorerkrankungen, die vor Bestrahlung oder Chemotherapie stehen, über diese Option informieren", sagte er. Angestrebt werde zudem die Finanzierung der Behandlung durch die Krankenkassen. dpa/AZ