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Cannabis-Konsum: Psychose: Cannabis kann Gehirn beeinträchtigen

Cannabis-Konsum

Psychose: Cannabis kann Gehirn beeinträchtigen

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    Cannabis kann als Medikament gegen Schmerzen, Muskelkrämpfe oder Ängstlichkeit helfen.
    Cannabis kann als Medikament gegen Schmerzen, Muskelkrämpfe oder Ängstlichkeit helfen. Foto: Alexander Kaya

    Cannabis als Medikament gegen Schmerzen hat eine lange Geschichte. Es kann Patienten mit Epilepsie, multipler Sklerose oder Ängstlichkeit helfen, mit „Kiffen“ hat das dann nichts zu tun. Aber

    Cannabis wird gerne als eher harmloses Arzneimittel beschrieben. Stimmen Sie zu?

    Lutz: Die Frage ist, wie wir „harmlos“ definieren. Die Toxizität, also Giftigkeit, von Cannabis ist sicher gering. Man kann dadurch eigentlich nicht sterben. Das ist bei Opiaten ganz anders. Trotzdem hat Cannabis natürlich ganz klar Nebenwirkungen. Es kommt auch darauf an, wem man die Substanz verabreicht – ob das Kinder, Jugendliche oder erwachsene Personen sind. Wir wissen zum Beispiel, dass Cannabis während der Entwicklung des Gehirns sehr, sehr schädlich ist. Außerdem spielt die Dosis eine Rolle. Bei dem Medikament Sativex, ein Spray mit Cannabis-Extrakten, das man unter die Zunge sprüht, erreichen wir ziemlich geringe Dosen des Wirkstoffs THC, der maßgeblich für die berauschende, aber auch für die therapeutische Wirkung verantwortlich ist. Auch das Nebenwirkungsspektrum ist da sicherlich gering. Trotzdem würde ich Cannabis nie als „harmlos“ bezeichnen.

    Welchen Stellenwert hat Cannabis in der Medizin? Ist es wirklich ein unersetzliches Medikament?

    Lutz: Unersetzlich ist nicht das richtige Wort, aber Cannabis hat durchaus einen Stellenwert. Wir haben eine Substanz, die in gewissen Fällen besser wirken kann als das, was auf dem Markt ist. Es gibt Anwendungsgebiete, bei denen andere Medikamente einfach nicht richtig helfen, etwa bei der Schmerztherapie oder bei Epilepsie. Nicht jede Person spricht übrigens gleich gut auf Cannabis an. Da sind sehr große Spektren bekannt. Deshalb muss man genau beobachten, wie ein Patient reagiert.

    Cannabis kann helfen - aber auch eine Psychose auslösen

    Es gibt bestimmte Patienten, die von einer Cannabis-Therapie profitieren?

    Lutz: Ja. Nicht umsonst gibt es viele Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, die zur Linderung der Symptome Cannabis nehmen. Das ist nicht Jux und Tollerei, weil die Patienten high sein wollen, sondern weil die Substanz so gut wirkt.

    Bei welchen Krankheiten kann Cannabis sonst noch helfen?

    Lutz: Es wirkt auch bei Spastiken, also schmerzhaften Muskelkrämpfen, die bei multipler Sklerose auftreten können, und überhaupt gegen Schmerzen. Daneben gibt es sicher viele spezielle Erkrankungen, bei denen der eine oder andere Patient Cannabis ausprobiert und gute Effekte festgestellt hat, zum Beispiel bei Epilepsie oder Ängstlichkeit. Aber gerade bei Ängstlichkeit muss man auch sehr aufpassen. Wenn die Dosis nicht stimmt, haben wir ein Problem.

    Kann die angstlösende Wirkung von Cannabis ins Gegenteil umschlagen?

    Das sollten Sie über Cannabis wissen

    Ausgangsquelle für Haschisch und Marihuana ist die Hanfpflanze "Cannabis sativa". Besonders stark konzentriert ist der Wirkstoff THC im Harz der Blüte, das als Haschisch konsumiert wird.

    Marihuana ist eine Mischung aus getrockneten Blättern, Blüten und Zweigen.

    "Hasch" wird geraucht, als Tee aufgebrüht oder in Nahrungsmitteln verarbeitet - gerne in Plätzchen.

    Häufiger starker Konsum kann nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen zur psychischen Abhängigkeit führen.

    Cannabis-Produkte werden seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt - manche Patienten dürfen Cannabis inzwischen legal verwenden.

    Cannabis gehört nach dem deutschen Betäubungsmittelgesetz zu den illegalen Suchtmitteln. Besitz, Anbau und der Handel sind verboten.

    Das Betäubungsmittelgesetz sieht Geldstrafen oder bis zu fünf Jahre Haft vor.

    Beim Umgang mit "nicht geringen Mengen" - bei Haschisch und Marihuana 500 Konsumeinheiten liegt die Höchststrafe bei 15 Jahren.

    Für "Gelegenheitskiffer" kennt das Gesetz die Untergrenze der "geringen Menge" zum Eigenverbrauch. Die Staatsanwaltschaft kann dann von einer Strafverfolgung absehen.

    Lutz: Ja, genau, das ist die Gefahr.

    Sind die Effekte von Cannabis für die Bereiche, die Sie genannt haben, belegt?

    Lutz: Für Sativex gibt es Studien über die Wirksamkeit bei MS-Patienten. Das ist durchaus positiv zu bewerten.

    Stimmt es, dass es nur wenige gute, große Studien gibt, die die Wirksamkeit von Cannabis beweisen?

    Lutz: Ja. Das hat verschiedene Gründe. Weil Cannabis psychotrop wirkt, also die Psyche beeinflusst, ist es schwierig, Patienten für Studien zu rekrutieren. Diese Erfahrung hatte ich vor Jahren selbst gemacht, als wir in einer Zusammenarbeit mit einem Gastroenterologen eine klinische Studie mit Cannabis entwerfen wollten. Da kommt man an ganz große Hürden, weil man zum Beispiel berücksichtigen muss, dass die Leute unter Cannabis-Einfluss nicht Auto fahren dürfen oder keine Maschinen am Arbeitsplatz bedienen dürfen. Es ist auch schwierig, den Patienten Cannabis überhaupt zu verabreichen. Sie sollen ja nicht rauchen, weil das schlecht für die Lunge ist. Das ist alles sehr kompliziert. Abgesehen davon ist die Pharmaindustrie nicht an einer Finanzierung interessiert, weil man THC nicht mehr patentieren lassen kann. Große Gewinne lassen sich damit also nicht machen.

    Sie sind trotzdem von der Wirksamkeit überzeugt?

    Lutz: Diese Substanz hat 5000 Jahre Geschichte. Da kriegt man Sachen heraus, die einfach stimmen. Man weiß schon so lange, dass Cannabis gegen Spastik, gegen Schmerz, gegen Unruhe wirkt. Und wir wissen inzwischen auch, was die Wirkmechanismen sind. Und trotzdem können wir das nicht wirklich in die Klinik umsetzen, weil die Reserviertheit groß ist.

    Warum?

    Lutz: Ärzte können ja nicht einfach Cannabis verschreiben. Die haben ein Problem mit der Krankenkasse. Aber das wird sich im kommenden Jahr durch das neue Gesetz, durch das schwerkranke Patienten Cannabis auf Kassenrezept bekommen können, wohl ändern.

    Begrüßen Sie das neue Gesetz also?

    Lutz: Ja. Ich sehe Cannabis nicht als Wundermittel, aber es ist eine Substanz, die für gewisse Patienten sehr gut ist. Davon bin ich überzeugt.

    Worauf beruhen die wesentlichen Effekte von Cannabis, die für die Medizin von Bedeutung sind?

    Lutz: Die meisten dieser Wirkungen gehen auf die psychotrope Substanz THC zurück. Sie dockt an die Cannabinoid-Rezeptoren in den Zellen, CB1 und CB2, an. THC stimuliert die CB1-Rezeptoren, die sich vor allem in den Nervenzellen befinden. Dadurch werden die wesentlichen Wirkungen vermittelt. Daneben aktiviert THC auch den CB2-Rezeptor, der vor allem in den Immunzellen vorkommt und daher wahrscheinlich etwas mit Entzündungen zu tun hat. Cannabis enthält über 60 verschiedene Cannabinoide. Dazu gehört auch Cannabidiol, das wahrscheinlich ebenfalls Entzündungen hemmt und außerdem eine anti-psychotische Wirkung hat.

    Cannabis: Psychosen sind möglich

    Cannabis, sagt man, könne Psychosen auslösen. Trotzdem enthält es Stoffe, die

    Lutz: Ja, Cannabidiol wirkt nicht über den CB1-Rezeptor, sondern über andere Mechanismen, die nicht ganz so gut verstanden sind. Es stemmt sich ein bisschen den schlechten Wirkungen von THC entgegen. Das zeigt, dass man wissen sollte, was in Cannabis steckt. Ist es eine neue Sorte mit 15 Prozent THC? Oder enthält sie nur fünf Prozent? Deshalb ist es wichtig, dass man standardisierte Extrakte herstellt.

    Cannabinoide lassen sich auch synthetisch erstellen. Ließe sich so ein Arzneimittel entwickeln, das optimale Eigenschaften besitzt?

    Lutz: Es gibt verschiedene Ansätze, das körpereigene Endocannabinoid-System zu beeinflussen. Darum ging es auch bei dem Schmerzmittel, das kürzlich in Frankreich in einer Studie getestet wurde und die wegen tragischer Komplikationen abgebrochen werden musste. Für mich ist es unerklärlich, wie es dazu kommen konnte. Ansonsten kann man die Rezeptoren auch durch sogenannte allosterische Modulatoren beeinflussen. Sie bewirken, dass die Rezeptoren stärker oder schwächer auf körpereigene Stoffe reagieren.

    Von Dauerkonsumenten heißt es mitunter, sie würden sich das „Hirn wegkiffen“. Schädigt Cannabis in hohen Dosen das Gehirn?

    Lutz: Das hängt auch vom Alter ab. Wenn ich unter 22 bin und ständig Cannabis rauche, habe ich ein größeres Risiko, an Schizophrenie zu erkranken. Cannabis beeinträchtigt die Entwicklung des Gehirns, die erst mit etwa 21 Jahren abgeschlossen ist. THC verändert das ganze „Hard-Wiring“ im Gehirn, also die Verdrahtung – das ist wie bei einem Computer. Dadurch kann es bleibende Schäden geben. Patienten geht es aber nicht darum, sich das Hirn wegzukiffen. Sie wollen kein „High“ haben, sondern ihren Schmerz lindern. Ihr Umgang mit dem Stoff ist sehr vernünftig.

    Es ist also ein großer Unterschied, ob man Cannabis als Medikament oder als Genussmittel konsumiert?

    Lutz: Ja, das ist ein ganz anderes Thema. Die gesunde Person konsumiert Cannabis als Genussmittel und nimmt damit die unerwünschten Nebenwirkungen in Kauf. Es macht aber keinen Sinn, ein Arzneimittel zu nehmen, wenn man gesund ist.

    Cannabis als weiche Droge betrachtet: Kann schon ein einziger Joint schaden?

    Lutz: Das weiß ich nicht, aber die Null-Dosis ist auf jeden Fall die beste. Ich bin gar kein Befürworter der Legalisierung von Cannabis als Genussmittel.

    Warum?

    Lutz: Weil ich denke, dass Cannabis durchaus schädliche Effekte haben kann. Wenn ich etwas legalisiere, dann meinen natürlich die jungen Menschen, dass es harmlos ist. Und das wäre ein verheerendes Signal. Wie gefährlich die Freigabe ist, hat man in den USA gesehen. Seit der Legalisierung in manchen Staaten gibt es dort viel mehr Fälle von Psychosen. Dass Alkohol und Nikotin ebenfalls schädlich sind, ist kein Argument, Cannabis zu legalisieren.

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