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Forschung: Signale aus dem Inneren: Wie wichtig Körperwahrnehmung ist

Forschung

Signale aus dem Inneren: Wie wichtig Körperwahrnehmung ist

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    Es gibt "gute" und "schlechte" Herzwahrnehmer.
    Es gibt "gute" und "schlechte" Herzwahrnehmer. Foto: Psdesign1/fotolia

    Sie sind einer der bekanntesten Vertreter der Biologischen Psychologie. Wissen die Leute denn immer, was das ist?

    Meist herrscht die Vorstellung, das hätte mit Tieren zu tun, deshalb eröffne ich in der Regel das Gespräch mit einer Erklärung, worum es geht: nämlich überwiegend um Prozesse im Gehirn, darum, wie psychische Vorgänge vom Gehirn gesteuert werden. Für Psychologiestudenten ist die Biologische Psychologie eine Pflichtveranstaltung.

    Was fasziniert Sie besonders an diesem Fachgebiet?

    Wie Körper und Geist zusammenhängen, ist eine uralte Frage – das ist der eine Punkt. Der andere ist, dass sich gerade äußerst viel tut, was die bildgebenden Verfahren in der Hirnforschung angeht. Allgemein fasziniert mich die Verbindung von Naturwissenschaft und Psychologie.

    Sie haben sich vor allem mit den Wechselbeziehungen zwischen Herz und Gehirn befasst. Warum?

    Wir sind vor vielen Jahren ein bisschen zufällig darauf gekommen, nachdem wir gesehen hatten, dass es große Unterschiede gibt zwischen den Menschen in Bezug darauf, wie deutlich sie ihre Herzaktivität wahrnehmen.

    Außerdem gibt es seit jeher die Annahme, dass das Herz die Gefühle mitsteuert, und dass Gefühle wie Angst oder Liebe empfunden werden, wenn man das Herz wahrnimmt. Also haben wir angenommen, das Herz müsste sich auf das Emotionserleben auswirken, und dem ist auch so.

    Gute Herzwahrnehmer neigen mehr zu Ängstlichkeit

    Sie unterscheiden „gute“ und „schlechte“ Herzwahrnehmer. Auf welche Weise?

    Das ist eigentlich ein ganz einfaches Standardverfahren im Labor. Wir sagen den Leuten, sie sollen ruhig sitzen, sich auf ihren Herzschlag konzentrieren und anfangen, die Herzschläge zu zählen, während gleichzeitig ein EKG abgeleitet wird. Die Zahl der selbst gezählten und der mittels EKG gemessenen Herzschläge stimmt nur bei ziemlich wenigen Leuten überein, bei etwa zehn bis 20 Prozent. Teilweise liegen die Probanden massiv daneben.

    Ob man ein guter oder ein schlechter Herzwahrnehmer ist, spielt das irgendeine Rolle?

    Ja, es spielt schon eine Rolle. Wir haben viele Jahre Untersuchungen dazu gemacht. Gute Herzwahrnehmer neigen mehr zu Ängstlichkeit, Hypochondrie und Überachtsamkeit auf Krankheitssymptome. Und sie sind weniger risikobereit – denn sie nehmen mehr Signale wahr, die sie als Hinweise deuten, dass sie ihre Aktivitäten zurückschrauben sollten.

    Ist eine gute Körperwahrnehmung insgesamt wichtig?

    Ja, gerade was das Herz-Kreislauf-System angeht. Viele Menschen haben keine Sensibilität für Herz-Kreislauf-Symptome. Bluthochdruck oder einen stummen Infarkt bemerken sie nicht, generell spüren sie weniger Warnsignale und strengen sich körperlich mehr an. Auf einem Fahrradergometer etwa verausgaben sich schlechte Herzwahrnehmer stärker, weil sie Erschöpfungssignale nicht wahrnehmen. Gute Herzwahrnehmer sind vermutlich sensibler für Körpersignale insgesamt. Sehr gute Herzwahrnehmung ist nur dann ungünstig, wenn die Herzsensationen als Krankheitssymptome fehlinterpretiert werden.

    Und auch eine schlechte Körperwahrnehmung kann riskant sein?

    Es ist anzunehmen, dass dabei Hinweise zu Gefahrensituationen fehlen. Eine schlechte Herzwahrnehmung ist ungünstig, wenn Krankheitssymptome vorliegen, die nicht registriert werden.

    Körperwahrnehmung kann trainiert werden

    Gibt es Krankheiten, die mit einer gestörten Körperwahrnehmung zusammenhängen?

    Ja, da gibt es einige. Die diabetische Neuropathie ist ein altbekanntes Phänomen, durch die Nervenerkrankung ist die Schmerzwahrnehmung reduziert, die Betroffenen können einen diabetischen Fuß bekommen, weil sie die Schmerzen nicht spüren. Bei Depressionen ist ein Leitsymptom das „nichts mehr spüren“ im übertragenen Sinne, Körpersignale werden nicht mehr wahrgenommen. Und zu Essstörungen gibt es einige Studien, die zeigen, dass Hunger-Durst-Signale von den Betroffenen schlechter wahrgenommen werden. Für Übergewichtige etwa sind eher äußere Reize bedeutsam.

    Kann man die Körperwahrnehmung schulen beziehungsweise trainieren?

    Ja, das geht tatsächlich – wir haben das vor vielen Jahren mal versucht, dann aber wieder gelassen. Denn bei Kongressen kam der Einwand, man wisse nicht, ob das wirklich gut sei für die Menschen oder ob sie dadurch nicht ängstlicher würden. Es gibt ja eine sogenannte Herzphobie, eine Übersensitivität, bei der Betroffene ständig ihre Herzaktivität beachten und schon beim Spüren des normalen Herzschlags Panik bekommen. Das ist natürlich kontraproduktiv.

    Wie kann man die Wahrnehmung denn trainieren?

    Wir haben den Leuten einfach gesagt, sie sollten in den nächsten Wochen versuchen, beim Einschlafen auf ihren Herzschlag zu achten und mitzuzählen. Wenn sie dann wieder zu uns kamen, konnten sie es besser als zuvor.

    Aufmerksamkeitslenkung auf Körpersignale kann wohl schon Kindern beigebracht werden

    Ein Thema, das noch wenig beforscht ist, ist die Hochsensibilität.Was könnte der Grund dafür sein, dass manche Menschen empfindsamer sind als andere?

    Die Ursachen für solche Unterschiede haben uns auch viele Jahre beschäftigt. Zum einen kann die Aufmerksamkeitslenkung auf Körpersignale wohl schon Kindern beigebracht werden. Auf der anderen Seite ist es sicher so, dass tatsächlich Nervenprozesse dabei eine Rolle spielen und die Nervenleitung aus den inneren Organen zum Gehirn besser ist, was man aber kaum untersuchen kann. Alle Reize werden ja im Gehirn verarbeitet. Wir konnten zum Beispiel zeigen, dass bei guten Herzwahrnehmern die Reizverarbeitungssignale im Gehirn stärker ausgeprägt sind. Das spricht dafür, dass es auf neurophysiologischer Ebene tatsächlich Unterschiede gibt.

    Welches Thema außer der Herz-Gehirn-Interaktion hat Sie noch besonders interessiert?

    Der Zusammenhang zwischen niedrigem Blutdruck und kognitiven Leistungen. Hypotoniker klagen oft über Konzentrations- und Leistungsschwächen. Dass ein niedriger Blutdruck in der Tat die kognitiven Leistungen beeinträchtigt, kann man quantitativ nachweisen. Wenn man den Blutdruck etwas anhebt, was mit vielen – auch pflanzlichen – Präparaten möglich ist, lässt sich die Konzentrationsfähigkeit verbessern. Kampher ist so ein pflanzlicher Stoff.

    Gibt es etwas, was Sie gerne noch herausfinden würden?

    Das Thema Sensibilität für Körperprozesse ist bei weitem noch nicht abschließend bearbeitet. Die Symptomwahrnehmung bei Asthma hat mich immer fasziniert, mit diesem Thema will ich mich weiterhin befassen. Denn bei Asthma-Patienten gibt es ebenfalls große Unterschiede, was die Wahrnehmung von typischen Asthmasymptomen betrifft. Und weil Asthma-Patienten ihre Medikamente oft nur bei Bedarf einnehmen, kann es sein, dass die Medikamente entweder zu selten oder – aus Unsicherheit – zu häufig eingenommen werden, wenn die Behinderung der Atmung nicht richtig wahrgenommen wird.

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