Neue Probleme. Im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi mussten am Montag wieder Einsatzkräfte in Sicherheit gebracht werden, weil aus einem Abklingbecken für alte Brennstäbe in Block 3 der Anlage grauer Rauch aufstieg. Der bedeutet möglicherweise erhebliche Gefahr für die Bevölkerung.
Um dies zu verstehen, muss man sich etwas genauer mit dem Siedewasser-Meiler 3 befassen. Dieser wird nämlich nicht mit angereicherten Uran-235-Brennstäben betrieben, sondern mit sogenannten Mox (Mischoxid)-Brennelementen, wie sie übrigens auch im Atomkraftwerk Gundremmingen verwendet werden. Sie enthalten nicht nur reines Urandioxid, sondern ein weiteres Oxid – in diesem Fall Plutoniumdioxid. Dieser Stoff ist zwar energietechnisch sehr effektiv, aber auch stark radioaktiv und hochgiftig.
Das Schwermetall Plutonium, sinnigerweise benannt nach Pluto, dem griechischen Gott des Totenreiches, ist, wie es im Fachjargon heißt, ein Alphastrahler. Diese Art einer sehr starken Radioaktivität reicht aber nur wenige Zentimeter weit und ist von außen nach Angaben von Experten für den Menschen vergleichsweise harmlos. Nimmt man Plutonium über Nahrung oder Trinkwasser auf, wird es aufgrund der schlechten Löslichkeit in Wasser ebenfalls größtenteils ausgeschieden. Ein Teil bleibt aber im Körper.
Plutoniumstaub lagert sich in Knochen und Organen ab
Wird Plutoniumstaub jedoch eingeatmet, lagert er sich großteils in menschlichen Organen und Knochen ab. „Bereits geringste Mengen können Krebs erregen“, wird das Schwermetall vom Atomkraft freundlichen Schweizer Nuklearforum als sehr gefährlich beschrieben. Kernkraftgegner sprechen sogar „vom giftigsten Stoff der Welt“. Schon ab einer Dosis von einem millionstel Gramm verursacht er Lungen-, Knochenkrebs und Leukämie. Durch die enorme Halbwertszeit von etwa 24 000 Jahren kann das Material auch noch nach Hunderttausenden von Jahren in der Umwelt als Gift nachgewiesen werden.
Plutonium, das in der Natur kaum vorkommt, entsteht bei der Kettenreaktion von Uran-235. Ein nach einigen Jahren verbrauchter Brennstab hinterlässt etwa vier Prozent hochradioaktive Abfälle, knapp ein Prozent spaltbares Uran-235, Uranerz 238 (nicht spaltbar) und eben ein Prozent Plutonium 239. Um es wiederverwerten zu können, stellt man die Mischoxid-Brennelemente aus Plutonium und Uran her.
Propagiert wurde die Plutoniumnutzung bereits in den 60er Jahren, als der Bau von Atomkraftwerken boomte. Wissenschaftler hatten damals sogar ein vermeintliches Patentrezept zur Lösung des Problems der endlichen Uranvorräte parat: Mit der Wiederaufarbeitungstechnik sollte aus abgebrannten Uran-Brennelementen Plutonium extrahiert und als Kernbrennstoff in spezielle Kraftwerke, den „Schnellen Brütern“, eingesetzt werden. Sie sollten noch mehr Plutonium „erbrüten“. Damit wäre eine Art Perpetuum mobile, eine fast nie versiegende Energiequelle entstanden. Wegen technischer Probleme und explodierender Kosten konnte sich diese Art der Plutoniumnutzung aber nicht durchsetzen. Später kam man auf die Idee, die Plutoniumabfallberge aus der Wiederaufarbeitung für Mischoxid-Brennelemente zu nutzen. Ein Brennstab enthält rund 3,5 Prozent spaltbares Plutonium. Auf diese Weise konnte man wenigstens einen Teil des hochriskanten Stoffes wiederverwerten.
Die Mox-Elemente gelten allerdings – selbst bei der Atomindustrie – als problematisch. Denn sie reduzieren aus physikalischen Gründen (erhöhter Innendruck durch höhere Spaltgasfreisetzung) die Wirksamkeit der Steuerstäbe. Der Reaktor laufe also instabiler und das Risiko steige, dass ein Unfall zur Katastrophe wird, heißt es. Greenpeace kritisiert das Verfahren seit Jahren vehement: „Der Einsatz von Mox-Elementen ist gefährlich.“
Warum es zur Rauchentwicklung in Fukushima kam, ist bisher übrigens unklar. Ursache sei möglicherweise eine „Anomalie im Abklingbecken“, heißt es. Immerhin, das ist die gute Nachricht aus Japan, die innere Reaktorhülle von Block 3 soll noch intakt sein.