Die Zahl der Tuberkulosefälle in Deutschland ist 2015 um rund 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Ein Grund ist unter anderem die große Zahl von Flüchtlingen, die bei ihrer Aufnahme in Unterkünfte zur Pflichtuntersuchung müssen. Experten sehen trotz des Anstiegs kein erhöhtes Ansteckungsrisiko für die Bevölkerung. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin verdreifachte sich im Vorjahr die Zahl der Erkrankungen bei Aufnahmeuntersuchungen für Asylbewerber auf rund 1250 (Stichtag: 1. März 2016). 2014 waren es gut 400 gewesen. Die Zahl der Erkrankungen insgesamt kletterte hierzulande auf 5865 Fälle, wie das RKI am Montag mitteilte.
Tuberkulose ist seltene Krankheit - trotz steigender Fallzahlen
"Bei uns ist die Tuberkulose eine sehr seltene Krankheit. Sie wird in absehbarer Zeit auch durch den Zuzug von Migranten nicht zu einer häufigen Infektionskrankheit in Deutschland werden", sagte der Tuberkulose-Forscher Prof. Christoph Lange vom Forschungszentrum Borstel in Schleswig-Holstein. Bereits 2013 und 2014 waren die Gesamtwerte leicht gestiegen.
"Erstmals seit Mitte des 20. Jahrhunderts erleben wir in Deutschland eine Umkehr des bislang rückläufigen Tuberkulosetrends", erläuterte RKI-Expertin Lena Fiebig.
"Die Strategien, die wir zur Eindämmung der Tuberkulose bisher hatten, scheinen nicht mehr zu funktionieren", sagte der Vizepräsident des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) in Berlin, Martin Priwitzer, der Deutschen Presse-Agentur. "Sie und ich erkranken zwar heute kaum mehr daran. Aber es sind Risikogruppen übrig geblieben, darunter alte Menschen, Obdachlose, HIV-Infizierte, Suchtkranke und eben auch Zuwanderer aus Ländern mit viel mehr TBC."
Infektionskrankheit Tuberkulose wird durch Bakterien ausgelöst
Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die durch Bakterien ausgelöst wird und meist die Lunge befällt. Für Asylsuchende, die in Gemeinschaftsunterkünfte kommen, schreibt das Infektionsschutzgesetz den Nachweis einer aktuellen Röntgenuntersuchung der Lunge vor. Das gilt für alle, die älter als 15 Jahre sind - mit Ausnahme schwangerer Frauen. Der Test erfolgt in der Regel durch die rund 400 Gesundheitsämter.
Angesichts der etwa eine Million Flüchtlinge 2015 beklagen Vertreter des Gesundheitsdienstes ihre Mehrarbeit: "Die massenweisen Röntgenuntersuchungen, aber auch Impfungen von Flüchtlingen bedeuten für die Gesundheitsämter in Deutschland eine große Herausforderung", sagte Ute Teichert, Chefin des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Ärzte im Gesundheitsamt würden rund 1000 Euro im Monat weniger verdienen als Klinikärzte. Teichert forderte mehr Stellen und höhere Einkommen. "Bayern hat mit der Ankündigung, wegen der Flüchtlingszahlen knapp 100 neue Arztstellen zu schaffen, das richtige Signal gesetzt", sagte sie. Das Gesundheitsministerium in München hat 94 neue Stellen angekündigt. dpa