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Psychologie: Einsamkeit: Wenn das Alleinsein schmerzt

Psychologie

Einsamkeit: Wenn das Alleinsein schmerzt

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    Einsamkeit muss nicht unbedingt etwas mit Alleinsein zu tun haben: Relativ jung ist die wissenschaftliche Erkenntnis, dass Einsamkeit so ansteckend sein kann wie ein Schnupfen.
    Einsamkeit muss nicht unbedingt etwas mit Alleinsein zu tun haben: Relativ jung ist die wissenschaftliche Erkenntnis, dass Einsamkeit so ansteckend sein kann wie ein Schnupfen. Foto: Fotolia (Symbolbild)

    Hermann Hesse verglich die Einsamkeit mit einem isolierenden Nebel, Rainer Maria Rilke mit der Monotonie des Regens. Der Philosoph Jean-Paul Sartre schrieb einmal: "Wer einsam lebt, hat selten Grund zum Lachen." Das ist vielleicht nicht seine tief schürfendste Erkenntnis. Aber er hat recht.

    Die Folgen sind ähnlich: Wer isoliert ist, fühlt sich oft ungeliebt, alleingelassen, nicht verstanden oder vom Leben abgeschnitten. Einsamkeit kann Krankheiten auslösen. Das weiß man gesichert seit gut zehn Jahren. In unterschiedlichen Studien wurde nachgewiesen, dass Einsamkeit Ursache für Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Depressionen oder Schlafstörungen sein kann. Denn wer so fühlt, leidet unter chronischem Stress, mit all seinen schädlichen Konsequenzen.

    Einsamkeit: Der Effekt ist vergleichbar mit dem des Übergewichts

    Im Alter verlieren einsame Menschen schneller als andere an geistiger Beweglichkeit. Laut einer Großstudie amerikanischer Psychologen haben Einsame ein kürzeres Leben: "Der Effekt ist vergleichbar mit dem des Übergewichts", sagt die Wissenschaftlerin Julianne Holt-Lunstad, Professorin für Psychologie an der Brigham Young Universität in Utah. Darum sei Einsamkeit so etwas wie die neue Fettleibigkeit. Als Problem der öffentlichen Gesundheit werde sie allerdings nicht ernst genommen.

    Aber fühlen wir uns nicht alle mitunter allein gelassen? Die Frage ist: Ab wann wird Einsamkeit gefährlich? Dann, wenn man permanent über einen längeren Zeitraum darunter leidet, lautet die allgemeine Formel. Dabei gilt es aber, den wichtigen Unterschied zu machen. Zwischen sozialer Isolation, die vor allem beschreibt, mit wie vielen oder wenigen Menschen jemand Kontakte pflegt, und dem subjektiven Gefühl, verlassen in die Welt geworfen zu sein. Dieses schale Gefühl kann man auch inmitten einer großen Familie oder Gruppe empfinden. Das erfahren schon Schulkinder und spüren auch Bewohner von Wohngemeinschaften, Pflege- oder Altersheimen.

    Natürlich ist auch das Alter ein Risikofaktor fürs Verlassen werden

    Noch relativ jung ist die Erkenntnis, dass Einsamkeit so ansteckend sein kann wie ein Schnupfen. Die Isolierung Einzelner wirkt sich auf das gesamte Umfeld aus, heißt es. US-Wissenschaftler Cacioppo von der Uni Chigago wies dies in einer groß angelegten Studie nach. Sie hatte ein überraschendes Ergebnis: Wenn eine Person sich einsam fühlte, dann passierte es in über der Hälfte der Fälle, dass ein Familienmitglied oder ein enger Freund im Laufe der Zeit ebenfalls Gefühle der Einsamkeit verspürte. Am größten war die "Ansteckungsgefahr" in engen Beziehungen. Aber selbst für die Freunde des besten Freundes hatte sie noch Folgen. Erst bei Freunden dritten Grades, verliert die Einsamkeit langsam ihre Wirksamkeit.

    Natürlich ist auch das Alter ein Risikofaktor fürs Verlassen werden. Der Münchner Medizinprofessor Karl-Heinz Ladwig hat es zusammen mit Kollegen näher erforscht. Ausgewertet haben die Wissenschaftler Daten von Senioren aus dem Augsburger Raum in der sogenannten Kora-Age-Studie: Fast jeder Fünfte über 65 fühlt sich demnach einsam. Zwischen Männer und Frauen gibt es dabei keine Unterschiede. Auffällig ist, dass gerade einsame Männer erheblich öfter depressiv werden als sozial gut angeschlossene Altersgenossen. Bei einsamen Frauen sind Depressionen dreimal so häufig.

    Doch zeigt diese Studie auch: Nicht das nur allein leben – insbesondere nach dem Tod des Partners – ist der Hauptgrund für Einsamkeit. Denn selbst bei über 85-Jährigen wächst der Anteil der Einsamen nicht. Das Entscheidende ist, ein soziales Netzwerk zu haben und sei es im Seniorenheim. Schon ein Gespräch am Gartenzaun oder beim Bäcker könne ein Rezept gegen die Einsamkeit sein, heißt es.

    Wege aus der Einsamkeit gibt es jede Menge

    Der Medizinprofessor Ladwig rät: "Jeder sollte der Alterseinsamkeit gegensteuern, und zwar nicht erst, wenn er den Rentenbescheid in der Hand hält." Der Wissenschaftler hält nichts davon, nach mehr Senioren- Programmen zu rufen. "Es gibt bereits eine sehr große Zahl an Angeboten für ältere Menschen." Wenn überhaupt etwas gebraucht wird, dann mehr Motivation, diese Möglichkeiten auch anzunehmen.

    Denn Wege aus der Einsamkeit gibt es jede Menge. Die Autorin Eva Wlodarek ("Einsam - Vom mutigen Umgang mit einem schmerzhaften Gefühl") rät beispielsweise erst mal zur Eigeninitiative: "Mach dir klar: Letztlich liegt es an dir, dass du einsam bist. Deine Mitmenschen haben sich nicht gegen dich verschworen." Doch es ist nicht einfach, dass die Betroffene über ihren Schatten springen müssen: "Der Weg aus der Angst führt durch die Angst", rät Wlodarek: Menschen ansprechen, Fragen stellen, zuhören. Die meisten, so sagt sie, würden sich über so ein unaufdringliches Interesse des anderen freuen.

    Wlodarek warnt in diesem Zusammenhang aber auch davor, Enttäuschungen zu hoch zu hängen. Man solle sich nicht zu ärgern, wenn man auch mal auf Ablehnung stößt: "Nicht aus jedem neuen Kontakt entsteht sofort eine Freundschaft." Das habe aber vor allem mit den Erwartungen anderer zu tun. Ihre Kollegin Doris Wolf ("Einsamkeit überwinden. Von innerer Leere zu sich und anderen finden") wird noch konkreter: "Der erste Schritt aus der Einsamkeit ist der Schritt auf sich selbst zu", schreibt sie. Einsamkeit zu heilen bedeute, aufzuhören, sich selbst abzulehnen und stattdessen sich selbst anzunehmen.

    Betroffene müssen das Schneckenhaus verlassen

    Das klingt natürlich leichter, als sich das für Einsame darstellt: offen, freundlich, neugierig zu sein – das ist mal locker so dahin gesagt. Aber genau das umreißt das Problem. Da ist es doch einfacher, allein im Schneckenhaus zu versauern, denken viele. Doch genau darum es ist für Betroffene so wichtig, das Schneckenhaus zu verlassen, sagen die Expertinnen.

    Einfache Gesprächspartner fänden sich schnell: Man kann bei den Nachbarn beginnen, der Friseurin oder dem Verkäufer im Laden. Man müsse dabei keine tiefgründigen Dialoge suchen: "Reden Sie über Alltägliches: das Wetter, einen Zeitungsartikel oder das Fernsehprogramm, heißt es in Ratgebern. Empfohlen wird auch, sich eine Liste der eigenen Interessen anzulegen und dann zu schauen, wo man Menschen mit ähnlichen Hobbys treffen kann. Dies könne ein Kochkurs sein, ein Angelseminar oder Rückengymnastik für Anfänger.

    Die Anti-Einsamkeitsratgeber raten vor allem, keine Angst vor Neuem zu haben – ob Handy oder Computer. "Zu alt darf keine Ausrede sein", heißt es. Am besten ist es nach Meinung der Fachleute, sich einer sinnvollen Aufgabe zu stellen. Dies könne beispielsweise ein ehrenamtliches Engagement sein. Dadurch fühle sich jeder gebraucht und habe Kontakt zu Menschen. So könnten sich Betroffene selbst helfen und gleichzeitig auch anderen Menschen.

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