Startseite
Icon Pfeil nach unten
Geld & Leben
Icon Pfeil nach unten

Prozess: BGH-Urteil: Arzt haftet nicht für künstlich hinausgezögerten Tod

Prozess

BGH-Urteil: Arzt haftet nicht für künstlich hinausgezögerten Tod

    • |
    Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sieht Urteilsfällung über Wert und Unwert eines menschlichen Lebens kritisch.
    Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sieht Urteilsfällung über Wert und Unwert eines menschlichen Lebens kritisch. Foto: Uli Deck, dpa

    Der medizinische Fortschritt macht es möglich, Menschen am Leben zu erhalten, die früher gestorben wären - was aber, wenn Ärzte deren Leiden damit künstlich in die Länge ziehen? Zu dieser schwierigen Frage positioniert sich der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag mit einem Urteil.

    Ärzte haften grundsätzlich nicht mit Geld, wenn sie einen Patienten zum Beispiel durch künstliche Ernährung länger als medizinisch sinnvoll am Leben erhalten und damit sein Leiden verlängern. Es verbiete sich generell, ein Weiterleben als Schaden anzusehen, entschieden die obersten Zivilrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe am Dienstag. Eine Klage auf Schmerzensgeld und materiellen Schadenersatz im Namen eines 2011 gestorbenen Demenzkranken wiesen sie deshalb ab.

    Der demente Mann, der sich damals nicht mehr bewegen und mitteilen konnte, war 2011 mit 82 Jahren gestorben. Ob er selbst die Ernährung per Magensonde gewollt oder abgelehnt hätte, weiß niemand mit Gewissheit. Er hatte nichts schriftlich verfügt und dazu auch nie etwas gesagt.

    Oberlandesgericht München spricht Sohn des verstorbenen Demenzkranken im ersten Prozess Schmerzensgeld zu

    Den Prozess führte der in den USA lebende Sohn des Mannes aus Bayern als alleiniger Erbe. Er hält es für einen Behandlungsfehler, dass sein kommunikations- und bewegungsunfähiger Vater ohne jede Aussicht auf Besserung jahrelang weiter per Magensonde ernährt wurde. 

    Die Klage richtete sich gegen den behandelnden Hausarzt. Dieser sollte mindestens 100.000 Euro Schmerzensgeld zahlen und Behandlungs- und Pflegekosten von mehr als 52.000 Euro erstatten.

    Vorsorglich können Menschen in einer sogenannten Patientenverfügung aufschreiben, in welchen Situationen sie wie behandelt werden möchten und wann sie keine Behandlung mehr wünschen. In dem Fall hatte der Vater nichts hinterlassen und konnte sich selbst nicht mehr äußern. Ob er die Magensonde noch gewollt hätte, war deshalb unklar. 

    Das Oberlandesgericht (OLG) München war 2017 der Ansicht gewesen, dass der Arzt die Sondenernährung trotzdem nicht einfach hätte weiterlaufen lassen dürfen, ohne die Situation mit dem bestellten Betreuer gründlich zu erörtern. Wegen verletzter Aufklärungspflichten sprachen die Richter dem Sohn damals 40.000 Euro Schmerzensgeld zu.

    BGH lehnt Klage ab und erklärt, nicht über den Wert eines Lebens urteilen zu wollen

    Dagegen legte der Arzt mit Erfolg Revision ein. Auch der Sohn und dessen Anwalt hatten die OLG-Entscheidung angefochten, um ein Grundsatzurteil herbeizuführen. Aus ihrer Sicht werden medizinische Standards nur eingehalten, wenn Ärzte für Verstöße haftbar gemacht werden. Das müsse auch für die Behandlung am Lebensende gelten. 

    Dem wollten sich die BGH-Richter aber nicht anschließen. Die Vorsitzende Richterin Vera von Pentz sagte, es könne dahinstehen, ob der Arzt Pflichten verletzt habe. "Das Urteil über den Wert eines Lebens steht keinem Dritten zu." Es fehle deshalb schon an einem immateriellen Schaden, der Schmerzensgeld-Ansprüche auslösen könnte. (dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden