Bei einer Blinddarm-Entzündung wird oft sofort eine Operation empfohlen - jedes Jahr gibt es rund 100.000 solcher OPs, womit sie zu den häufigsten Eingriffen in Deutschland zählen.
Aber ist eine Blinddarm-Operation wirklich immer sinnvoll? Bei einer Blinddarmentzündung ist ein kleiner Fortsatz am Blinddarm entzündet, den Ärzte Appendix nennen. Das liegt meistens daran, dass winzige Öffnungen zwischen diesem Fortsatz und dem Blinddarm beispielsweise mit Obstkernen oder Kotsteinen verstopft sind.
Mittlerweile lässt sich die Entzündung zumindest bei Erwachsenen auch mit Antibiotika behandeln. Da sie sich aber theoretisch jederzeit verschlimmern und zu einem lebensgefährlichen Durchbruch führen könnte, empfehlen Ärzte schnell eine Operation.
Siegbert Faiss, Chefarzt an der Asklepios Klinik Barmbek, sagt aber, dass sich zehn bis 40 Prozent der Operationen als unnötig erweisen. Auch der Bremer Hausarzt Hans Michael Mühlenfeld merkt an: "Die Diagnose einer Blinddarmentzündung ist schwierig."
Blinddarm-OP oft trotz unsicherer Diagnose
Die Symptome für eine Blinddarm-Entzündung sind nicht immer sicher erkennbar. Ein deutliches Signal sind Schmerzen, die vom Nabel in den rechten Unterbauch wandern. Aber: Die Schmerzen können auch an anderen Stellen auftauchen. Und: "Schmerzen im Unterbauch können außerdem viele Ursachen haben, bei Frauen im gebärfähigen Alter muss man beispielsweise immer auch an eine Eileiterschwangerschaft denken", sagt Mühlenfeld.
In vielen Fällen ist die Diagnose daher nicht hundertprozentig gesichert. Aber da der Fortsatz des Blinddarms keine lebenswichtige Funktion hat, wird er im Zweifelsfall entfernt.
Antibiotika statt Blinddarm-OP stoße auf Skepsis
Durch die mittlerweile mögliche Behandlung mit Antibiotika werden die schnellen Empfehlungen zu einer Blinddarm-OP mittlerweile aber hinterfragt. Eine Studie aus Finnland mit 530 erwachsenen Betroffenen zeigte im Jahr 2015, dass sich in 70 Prozent der Fälle die Entzündung mit Medikamenten behandeln lasse.
Doch dafür musste zuerst mittels einer Computertomographie (CT) sichergestellt werden, dass die Entzündung nicht schwer wiegt. Ärzte sind daher skeptisch. "Das ist eine enorme Erweiterung der Diagnostik", erklärt Hans-Joachim Meyer, Generalsekretär Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. Außerdem müssten die Patienten bei Behandlung Antibiotika stationär beobachtet werden - was viele Mediziner und Patienten als zu großen Aufwand einschätzen.