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Neurobiologie: Umstrittene Wissenschaft: Dieser Mann forscht an Affenhirnen

Neurobiologie

Umstrittene Wissenschaft: Dieser Mann forscht an Affenhirnen

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    Neurobiologe Andreas Kreiter in seinem Labor in Bremen während eines Fototermins.
    Neurobiologe Andreas Kreiter in seinem Labor in Bremen während eines Fototermins. Foto: Carmen Jaspersen

    Mit Wüstenleguanen hat es begonnen. Sie nur zu halten, war dem Jugendlichen Andreas Kreiter zu wenig. Er wollte etwas Wissenschaftliches mit den Reptilien machen. Als ihn ein Lehrer  in Kaiserslautern auf die Idee brachte, das Aktivitätsverhalten der Tiere zu untersuchen, ahnte niemand, dass das den Grundstein für Kreiters Karriere als Hirnforscher legen sollte. Der Schüler baute eine Ultraschallanlage, um die Bewegungen der Tiere zu registrieren und einen elektronischen Speicher zur Auswertung. Dafür wurde der 17-Jährige mit einem Preis beim Wettbewerb "Jugend forscht" belohnt.

    Heute arbeitet der fast zwei Meter große Neurobiologe mit Affen. Seine Forschung an der Universität Bremen soll helfen, das menschliche Gehirn zu verstehen. Unter Vollnarkose schneidet er den Makaken die Schädeloberfläche auf und setzt ihnen eine Art Kappe aus medizinischem Knochenzement auf. Später legt er ihnen Elektroden aufs

    Leid fügt er den Tieren aus seiner Sicht nicht zu. "Da herrschen komplett falsche Vorstellungen", sagt der 50-Jährige, der verheiratet ist und drei Kinder hat. Ihm zufolge ist die Belastung weniger groß als bei einer Blinddarm-Operation. Tierschützer dagegen sehen solche Vergleiche kritisch und werfen dem Forscher Verharmlosung vor.

    Affen bekommen nur beim Experiment etwas zu trinken

    Bei den Versuchen sitzen die Makaken in einem Plexiglas-Kasten vor einem Bildschirm. Der Kopf ist fixiert, vor den Lippen ein Schlauch, aus dem Flüssigkeit kommt, wenn das Tier eine Aufgabe löst. Am Anfang soll es zum Beispiel einen kleinen Punkt beobachten. Sobald dieser dunkler wird, muss der Affe einen Hebel loslassen. Später lernen die derzeit rund 20 männlichen Affen, sich Figuren zu merken. Ohne direkt hinzuschauen, müssen sie erkennen, wann eine von ihnen die Ausgangsform erreicht. Was dabei im Gehirn passiert, beobachten Kreiters Mitarbeiter an einem Computer im Nebenraum.

    Um die Makaken mit Namen wie Fritz oder Bobo zur Teilnahme zu bewegen, bekommen sie nur während der Experimente etwas zu trinken. "Deshalb ist es auch das Tier, das bestimmt, wie lange das Experiment läuft", erklärt der Professor. "Ein Tier, das eine komplexe Aufgabe gut kann, arbeitet vielleicht drei Stunden pro Tag im Labor." Kreiter  ist überzeugt davon, dass die Versuche für die Tiere nicht unangenehm sind. Bei Tieren von bis zu 15 Kilo laufe nichts gegen deren Willen.

    "Für mich als Tierschützer ist das eine Quälerei von Tieren"

    Der Deutsche Tierschutzbund sieht das anders. Für den Leiter der Akademie für Tierschutz, Roman Kolar, verursacht Kreiter erhebliches Tierleid. An den Affen würden massive Schädeloperationen vorgenommen, außerdem sei das stundenlange Verharren in einem Primatenstuhl alles andere als artgerecht. "Sie bekommen nichts zu trinken, sondern nur im Versuch tröpfchenweise eine Flüssigkeit", betont der Biologe. Dass diese Tiere irgendwann "freiwillig" bei den Versuchen mitmachten, sei klar. Nach vielen Jahren als Versuchstiere würden die Affen dann getötet. "Für mich als Tierschützer ist das eine Quälerei von Tieren. Und zwar jeden Tag und über Jahre hinweg."

    Rückendeckung wiederum bekommt der Wissenschaftler von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die die Experimente auch finanziell unterstützt. Der Verein hält Kreiters Arbeit für unverzichtbar, wie Sprecher Marco Finetti angibt. Langfristig sei solche Grundlagenforschung die Voraussetzung, um Therapien zum Wohle des Menschen zu entwickeln. Nach übereinstimmender Bewertung mehrerer Expertenkommissionen und Gutachter erfüllten die Versuche alle Bestimmungen des deutschen Tierschutzgesetzes. Damit verweist die DFG auf Gerichtsurteile, die die Versuche als vertretbar einstuften.

    Die Politik musste seine Forschungen erlauben

    Seit 1997 ist Kreiter in Bremen, gleich zu Beginn sammelten Tierschützer mehr als 100 000 Protestunterschriften. 2008 weigerte sich das Gesundheitsressort, die 1998 erteilte Genehmigung zu verlängern. Ein juristisches Tauziehen begann, letztlich musste die Politik die Versuche erlauben. "Sofern sich das Forschungsvorhaben nicht wesentlich verändert, wird diese Rechtsprechung auch auf zukünftige Anträge anwendbar sein", teilte die Behörde mit.

    Umstritten wird der Forscher bleiben. Die Abwägung, welches Recht schwerer wiegt - die Forschungsfreiheit oder der ebenfalls im Grundgesetz als Staatsziel verankerte Tierschutz - ist schwierig und für viele emotional. Kreiter selbst lässt sich auch durch heftige Anfeindungen nicht aus dem Gleichgewicht bringen. "Für mich hat Grundlagenforschung einen ganz hohen ethischen Wert."  dpa

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