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Nahtoderfahrung: Gibt es das Licht am Ende des Tunnels?

Nahtoderfahrung

Gibt es das Licht am Ende des Tunnels?

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    An der Universität Southampton haben internationale Forscher die „Aware-Studie“ durchgeführt: Sie untersuchten Menschen, die einen Herzstillstand überlebt hatten.
    An der Universität Southampton haben internationale Forscher die „Aware-Studie“ durchgeführt: Sie untersuchten Menschen, die einen Herzstillstand überlebt hatten. Foto: Gerhard Zwerger-Schoner, dpa (Symbolbild)

    Ein Vorhang öffnete sich und auf einmal war da überall ein helles, sanftes Licht. So schildert Werner Barz seine Nahtoderfahrung. Er machte sie an der Tankstelle beim Brenner, als er mit seiner Familie aus dem Italien-Urlaub zurückfuhr. Barz litt damals an einer schweren Gelbsucht und hatte hohes Fieber. Seine Frau hielt das Auto an und rief den Notarzt. „Ich bin in die Liebe gefallen, in die Geborgenheit“, beschreibt der Mann aus Eching diesen Moment des Lichts.

    Ob es Nahtoderfahrungen tatsächlich gibt, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Handfeste Beweise fehlen bislang. Um der Wahrheit ein Stück näher zu kommen, hat die Universität Southampton (England) an 15 Krankenhäusern im Vereinigten Königreich, in den Vereinigten Staaten und in Australien eine internationale Studie durchgeführt, die „Aware-Studie“.

    Außerkörperliche Beobachtungen und Lebensrückblicke im Zeitraffer

    Fast 40 Prozent der mehr als 100 Befragten haben nach ihrem Herzstillstand zumindest eine Art von Bewusstsein wahrgenommen, auch wenn sie keine genauen Erinnerungen an ihre Wiederbelebung hatten. Neun Prozent berichteten, Tiere, Pflanzen oder Familienmitglieder gesehen zu haben. Barz hingegen erinnert sich nicht nur an das Licht. Er erinnert sich auch daran, dass er von außerhalb seines eigenen Körpers beobachten konnte, wie ein zufällig anwesender Tauchlehrer versuchte, ihn zu reanimieren – was auch wirklich so passiert ist.

    Derartige Schilderungen überraschen den Diplom-Theologen und -Psychologen Dr. Joachim Nicolay nicht. Er sitzt im Vorstand des Netzwerks Nahtoderfahrung e.V. und beschäftigt sich schon seit fast 15 Jahren mit dem Thema. In Gesprächen mit Betroffenen bekommt der 67-Jährige oft Ähnliches zu hören: ein Licht, das meist mit Gott gleichgesetzt werde, ein Treffen mit verstorbenen Angehörigen, außerkörperliche Beobachtungen, Lebensrückblicke im Zeitraffer.

    „Jenseitserlebnisse" statt Nahtoderfahrung

    Seiner Ansicht nach ist der Begriff Nahtoderfahrung zu eng gefasst, er spricht lieber von „Jenseitserlebnissen“. Denn es gebe sie nicht nur bei Wiederbelebungsmaßnahmen, sondern auch in psychischen Krisen. Völlig gesunde Menschen hätten sie sogar einfach im Schlaf, berichtet Nicolay. Deshalb teilt er auch die Meinung von Skeptikern nicht, die Nahtoderfahrungen als Halluzinationen oder Illusionen abtun und sie auf Hormone oder Sauerstoffmangel im Gehirn zurückführen. „Das kann Auslöser, aber nicht Ursache sein“, sagt er.

    Doch warum fällt es so vielen Forschern schwer, Nahtoderfahrungen als wahr zu akzeptieren? „Das würde bedeuten, dass die Seele und das Bewusstsein den Tod überdauern können“, erklärt Nicolay. Der Geist sei demzufolge nicht so stark an den Körper gebunden, wie bisher angenommen. Die Funktionen im Körper, die der Mensch der wissenschaftlichen Lehre nach brauche, um eine Wahrnehmung zu verarbeiten, stünden ihm nach einem Herzstillstand nämlich eigentlich nicht mehr zur Verfügung.

    Barz zweifelt nicht an der Echtheit seines Erlebnisses – auch wenn er sogar in seinem persönlichen Umfeld mit viel Unverständnis zurechtkommen musste. „Mein Leben hat sich um 180 Grad gedreht“, erzählt er. Er litt unter Depressionen, seine Wertvorstellungen änderten sich, seine Ehe zerbrach. Er wünschte sich, gestorben zu sein, sich in dem wohligen Licht aufgelöst zu haben. Inzwischen ist ihm sein Leben aber wertvoll geworden, wie Barz selbst sagt. Er hat eine neue Partnerin, leitet die Münchener Gruppe des Nahtoderfahrungs-Netzwerks und engagiert sich als Hospizbegleiter.

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