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Medizin: Heilpraktiker sollen künftig besser qualifiziert sein

Medizin

Heilpraktiker sollen künftig besser qualifiziert sein

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    Bettina Schöne-Seifert, Professorin für Medizinethik in der ARD-Talkreihe Günther Jauch. Eine 17-köpfige Expertengruppe fordert das Aus für den Beruf der Heilpraktiker.
    Bettina Schöne-Seifert, Professorin für Medizinethik in der ARD-Talkreihe Günther Jauch. Eine 17-köpfige Expertengruppe fordert das Aus für den Beruf der Heilpraktiker. Foto: Paul Zinken/dpa Archiv

    Eine 17-köpfige Expertengruppe sieht durch schlecht qualifizierte Heilpraktiker das Wohl von Patienten in Deutschland gefährdet und spricht sich für tiefgreifende Reformen aus. Der Beruf des Heilpraktikers sollte entweder ganz abgeschafft oder grundlegend reformiert werden, heißt es im "Münsteraner Memorandum". Außerdem fordern die Experten Änderungen, was die Anerkennung von Heilpraktikern anbelangt.

    Die Politik dürfe nicht länger hinnehmen, dass sich Alternativmediziner nach einer kurzen, weitgehend unregulierten Ausbildung als staatlich anerkannte Heilpraktiker bezeichnen dürfen. Das erwecke bei Patienten den Eindruck, Heilpraktiker seien eine gleichwertige Alternative zu Ärzten, die ein langjähriges Studium absolviert hätten. Das könne gefährliche Folgen haben. Veröffentlicht wurden die Forderungen am Montag im Deutschen Ärzteblatt.

    Heilpraktiker: Gesetzliche Kassen erstatten Behandlung meist nicht

    Die Gruppe um die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert beklagt, dass die Alternativ-Mediziner trotz fehlender wissenschaftlicher Beweise für die Wirksamkeit ihrer Methoden tätig würden. Die Expertengruppe greift in dem Memorandum als Negativbeispiel den Fall eines Heilpraktikers am Niederrhein auf. Der hatte im Sommer 2016 Patienten in einer alternativen Krebspraxis behandelt. Drei von ihnen starben später. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Die Politik hatte daraufhin bereits angekündigt, die rechtlichen Grundlagen zu überprüfen. 

    Heilpraktiker benötigen für ihre Arbeit eine staatliche Erlaubnis, die sie nach einer erfolgreichen Prüfung ohne ein Medizin-Studium erhalten. Patienten schätzen unter anderem den fehlenden Zeitdruck in deren Praxen. Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten die Kosten der Behandlung allerdings in der Regel nicht.

    Heilpraktiker dürfen keine rezeptpflichtigen Arzneien verschreiben oder herstellen. Das gleiche gilt für Betäubungsmittel. Sie dürfen auch nicht röntgen, den Tod feststellen oder in Fachbereichen wie der Zahnmedizin oder Geburtshilfe tätig werden. 

    Experten: Heilpraktiker-Wesen grundlegend reformieren

    Die Autoren erhoffen sich von ihren Vorschlägen, dass das Vertrauen in das deutsche Gesundheitswesen gestärkt und die Patientenversorgung verbessern wird. Das Label "staatlich anerkannt" solle nach einer Reform wieder ein Qualitätsmerkmal für Patienten sein. Sie fordern die Politik auf, das Heilpraktikerwesen "nicht nur kosmetisch, sondern grundlegend zu reformieren". Dabei solle der Heilpraktikerberuf durch die Einführung eines spezialisierten Fach-Heilpraktikers abgelöst werden.

    Zehn Fakten über Osteopathie

    Der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still begründete 1874 die Osteopathie. Er reagierte damit auf den damaligen Mangel an Kenntnissen in der Schulmedizin.

    Das Fundament der osteopathischen Medizin bilden Stills Erkenntnisse über den menschlichen Organismus. Er ist laut Still als Einheit zu betrachten, in der Struktur und Funktion stets im Zusammenhang stehen.

    Die Osteopathie wird seit ihrer Gründung immer weiter entwickelt. William Garner Sutherland weitet sie zum Beispiel ab 1939 auf Bewegungen am Schädel aus.

    In Deutschland beginnen Heilpraktiker erst ab 1950 mit osteopathischen Behandlungen, die Verbreitung findet erst ab Ende der 80er Jahre statt.

    Die Osteopathie ist und war nie Ersatz für einen Arztbesuch. Sie wird eher ergänzend gesehen und meistens zur Schmerzlinderung eingesetzt.

    Hessen ist das einzige deutsche Bundesland, in dem die Ausbildung zum Osteopathen rechtlich geregelt ist. Auch der Begriff ist außerhalb Hessens nicht geschützt.

    Die Osteopathie gilt als Heilkunde und darf als solche nur vom Arzt oder Heilpraktiker eigenständig ausgeübt werden. Osteopathisch ausgebildete Physiotherapeuten dürfen nur auf Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers osteopathisch arbeiten.

    Osteopathen spüren zunächst beim Patienten tastend körperliche Blockaden, Dysfunktionen und Verspannungen auf, um sie dann aufzulösen.

    Eine Therapie-Einheit dauert 30 bis 60 Minuten. Der Körper kann etwa zwei bis drei Wochen lang auf eine osteopathische Behandlung reagieren.

    Eine Behandlung kann 50 bis 150 Euro kosten. Private Krankenkassen übernehmen die Kosten in der Regel, doch nur wenige gesetzliche Krankenkassen kommen dafür auf.

    Die Experten schlagen dazu vor, Mitarbeiter der bestehenden Gesundheitsfachberufe wie Alten- und Krankenpfleger zusätzlich zu qualifizieren. Unterschrieben haben das Memorandum Experten aus verschiedenen Fachrichtungen, darunter Medizin-Ethiker, Juristen, Historiker, Pflegeexperten und ein Journalist. "Wir wollten den gegenwärtigen Irrsinn nicht länger hinnehmen", sagt Schöne-Seifert laut Mitteilung.

    Die Deutsche Stiftung Patienschutz begrüßte das "Münsteraner Memorandum". "Es ist überfällig, dass das Heilpraktikerrecht grundlegend reformiert wird." Es fehlten einheitliche Standards für den Heilpraktikerberuf. "So können Patienten kaum zwischen einem seriösen Anbieter und einem Scharlatan unterscheiden", sagte Vorstand Eugen Brysch laut Mitteilung. Bundesgesundheitsminister Gröhe sei gefragt, dieses Thema umgehend auf die politische Tagesordnung zu setzen. Brysch: "Es darf nämlich nicht sein, dass es in Deutschland weiterhin einfacher ist, Heilpraktiker zu werden als Krankenpfleger." dpa/sh

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