Ist es gefährlich, mit dem Handy unter dem Kopfkissen einzuschlafen? Viele machen sich Sorgen, weil sie befürchten, dass die Strahlungen dem Gehirn schaden, und verbannen das Smartphone sicherheitshalber aus dem Schlafzimmer. Ein Fall in Italien scheint ihre Angst zu bestätigen: Ein Richter hat dort jetzt zum ersten Mal Handystrahlung als Ursache für einen Hirntumor anerkannt. Das Urteil löste in den italienischen Medien einen Aufschrei aus. "Das Handy provoziert Krebs", so lauteten die Schlagzeilen.
In dem Gerichtsurteil geht es um den Fall von Roberto Romeo. Der Manager eines großen Telekommunikationskonzerns musste für seinen Job viel telefonieren und verbrachte viele Stunden am Tag mit dem Handy am Ohr - 15 Jahre lang. Von einen auf den anderen Tag war plötzlich nichts mehr wie davor: An einem Wintermorgen bemerkte er erste Anzeichen von Taubheit. Die Stimmen seiner Frau und seines Sohnes schienen auf einmal ganz weit weg zu sein. Sieben Jahre ist das jetzt her.
Gericht: Handystrahlung machte Italiener taub
Ärzte stellten fest, dass seine Beschwerden durch ein sogenanntes Akustikusneurinom ausgelöst wurden. Dabei handelt es sich um einen meist gutartigen Tumor, der sich in Zellen des Hör- und Gleichgewichtsnervs ausbreitet. Roberto Romeo musste operiert werden, der Hörnerv seines rechten Ohres wurde entfernt. Seitdem ist der Italiener auf einem Ohr taub. Weil er überzeugt war, dass die Handystrahlungen, denen er beim Telefonieren auf der Arbeit ausgesetzt war, den Tumor verursacht hatte, zog er gegen seinen Arbeitgeber vor Gericht - und bekam Recht.
Die Richter in Ivrea waren überzeugt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Handynutzung und der Erkrankung gegeben hat. Nun bekommt Romeo eine monatliche Invalidenrente. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Zusammenhang zwischen Handystrahlen und Krebs wissenschaftlich nicht bewiesen
Ob es Handystrahlen wirklich Krebs auslösen können, ist wissenschaftlich weiterhin nicht bewiesen. Forscher sehen das Thema weit skeptischer als die italienischen Richter. Auch nach 20 Jahren Forschung gibt es keinen Beweis dafür. "Aktuelle Studien geben derzeit keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Handystrahlung auf der einen und Tumorerkrankungen auf der anderen Seite", sagt eine Sprecherin des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) in Berlin. Eine Untersuchung des BfS habe ergeben, dass es innerhalb der gültigen Grenzwerte keine Hinweise auf eine schädigende Wirkung des Mobilfunks gebe. Bestätigt wird dieser Fund von anderen Studien.
Die häufigsten Krebsarten in Deutschland
Prostatakrebs: Er ist mit rund 65.000 Neuerkrankungen jährlich der häufigste bösartige Tumor bei Männern. Über 12.000 Männer sterben pro Jahr daran. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 83 und 94 Prozent. Risikofaktoren: Männliche Geschlechtshormone sind mit dafür verantwortlich; genetische Vorbelastung.
Darmkrebs nennt man alle Krebserkrankungen, die den Dickdarm, den Mastdarm oder den After betreffen. Mit 16 Prozent ist er die zweithäufigste Krebsart und mit zwölf bis 14 Prozent die zweithäufigste Krebstodesursache. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 53 und 63 Prozent. Risikofaktoren sind Übergewicht, Bewegungsmangel, ballaststoffarme und fettige Kost, Alkohol, Tabak, erbliche Vorbelastung. Vorsorge ist ab dem 50. Lebensjahr kostenlos.
Lungenkrebs ist in Deutschland sowohl für Männer als auch für Frauen die dritthäufigste Krebserkrankung. 32.500 Männer und 14.600 Frauen erkranken jährlich daran. Die Prognose für diesen Krebs ist nicht gut: 26 Prozent der erkrankten Männer und zwölf Prozent der Frauen sterben daran. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 13 und 17 Prozent bei Männern, zwischen 13 und 19 Prozent bei Frauen. Risikofaktoren sind Rauchen, Asbest- oder Radonbelastung. Obst und Gemüse wirken sich schützend aus.
Brustkrebs (bei Frauen) Über 60.000 Frauen erkranken daran. Im Schnitt sind sie dann 64 Jahre alt. Seit 1990 geht die Zahl der Erkrankten zurück. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 83 und 87 Prozent. Risikofaktoren sind Kinderlosigkeit, ein höheres Alter bei der ersten Geburt, der späte Eintritt in die Wechseljahre, Einnahme der Pille, Alkohol, Rauchen, Bewegungsmangel.
Laut der US-Krebsbehörde gibt es zwar einige Studien, die einen Zusammenhang zwischen Handystrahlung und Tumorbildung bestätigen - der Großteil der Studien kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Dass sich die Forscher unsicher sind, liegt vor allem daran, dass die Mobilfunktechnologie noch zu jung ist, um Aussagen über die Langzeitwirkungen zu treffen.
Tumorbildung: Risiko hängt von Dosis der Handystrahlung ab
Wäre eine Gerichtsentscheidung wie in Italien auch in Deutschland möglich? Würde ein deutscher Richter Handystrahlung als Ursache für eine Tumorerkrankung anerkennen. "Nichts ist undenkbar," sagt Joachim Lüblinghoff. Er ist ist Vorsitzender des Oberlandesgerichts Hamm und stellvertretender Vorsitzende des Deutschen Richterbundes. Allerdings müsste für ein solches Urteil wirklich eindeutig bewiesen werden, dass der Gehirntumor durch die Handynutzung verursacht wurde. Dies müsste durch Experten wie Onkologen oder Neurologen bestätigt werden und würde dann als Vollbeweis vor Gericht gelten. Auch ein Beweis durch Ausschlussverfahren wäre denkbar, wenn also alle anderen möglichen Ursachen für eine Tumorbildung ausgeschlossen werden können.
Paolo Crosignani, der Physiker und Mediziner, der das italienische Gericht beraten hat, warnt in der italienischen Zeitung "La Stampa" vor Verallgemeinerungen. Er betont, dass das Risiko von der Dosis abhänge. Zudem habe der Manager ein sehr altes Handy benutzt, das höhere Radiofrequenzen aussendete als etwa Smartphones.
Bundesamt für Strahlungsschutz: Nicht unnötiger Strahlung aussetzen
Außerdem habe es sich bei seinem Tumor um eine seltene Form gehandelt. Ein Akustikusneurinom ist meist gutartig, bildet also keine Metastasen, die umliegendes Gewebe zerstören. Krebs wird nur durch bösartige Tumore ausgelöst, die sich schnell ausbreiten können.
Auch wenn der Fall Romeo ein Einzelfall ist und ein Zusammenhang zwischen Tumorbildung un Handystrahlung noch nicht beweisbar ist: Das Bundesamt für Strahlenschutz rät zu Vorsicht. Wer sich nicht unnötig der Strahlung aussetzen will, sollte Festnetz statt Mobiltelefon benutzen, lieber eine SMS schreiben anstatt zu telefonieren, oder ein Headset benutzen, dass den Abstand zwischen Handy und Kopf vergrößert. Jeder zusätzliche Zentimeter Abstand sei eine Verbesserung. AZ mit dpa
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