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Interview: Von der Überholspur zur Diagnose Prostatakrebs: Ein Betroffener erzählt

Interview

Von der Überholspur zur Diagnose Prostatakrebs: Ein Betroffener erzählt

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    Michael Roth ist ein ehemaliger Handballspieler und heutiger Handballtrainer. 2009 erhielt er die Diagnose Prostatakrebs.
    Michael Roth ist ein ehemaliger Handballspieler und heutiger Handballtrainer. 2009 erhielt er die Diagnose Prostatakrebs. Foto: MT Melsungen/Lena Kuhaupt

    Prostatakrebs ist für Männer offenbar ein heikles Thema. Gerade die Vorsorgeuntersuchung beim Urologen scheuen viele Männer – ein Tabu. Dabei ist dieser Krebs heilbar, wenn er früh genug entdeckt wird. Darum werben immer mehr Männer mit Aktionen dafür, regelmäßig zu Untersuchung zu gehen. Gerade Sportler, wie die Augsburger Panther, eignen sich als Vorbilder. Die Eishockeyspieler lassen sich den ganzen "Movember" - eine Wortschöpfung aus Moustache (englisch: Schnurrbart) und November - einen Schnurrbart stehen. Damit unterstützen sie die Movember-Stiftung, die auf

    Michael Roth, Handballtrainer und ehemaliger Handballspieler, hat selbst vor sechs Jahren Prostatakrebs überstanden. Nun wirbt er mit seinem Zwillingsbruder, der kurz nach ihm am gleichen Krebs erkrankte, für die Vorsorge.

    2009 bekamen Sie Prostatakrebs. Wie haben Sie die Diagnose aufgenommen?

    Michael Roth: Ich hatte das Gefühl, ich habe nun etwas im Körper, dass da nicht hingehört. Es war wie in einem Tunnel, ich hatte Angst. Dann habe ich mich mit der Krankheit auseinandergesetzt.

    Wie haben Sie das gemacht?

    Roth: Ich habe gegoogelt, auch wenn jeder sagt, das soll man nicht tun. Da hatte ich dann einen riesen Berg an Informationen und tausend Möglichkeiten zu handeln. Es tauchten unglaublich viele Fragen auf: Chemotherapie, Inkontinenz, Impotenz und Tod. Ich hätte nicht gedacht, dass es auch mich treffen kann. Ich habe ein Leben auf der Überholspur geführt: Erfolg im Beruf, viele Partys und immer was zu tun. Ich habe meine komplette Lebenseinstellung noch einmal überdacht.

    Haben Sie etwas verändert?

    Roth: Nach der Biopsie, als klar war, dass die Prostata raus muss, habe ich meine Familie informiert. Das war sehr emotional. Am nächsten Tag habe ich meinen Posten als Handballtrainer aufgegeben. Mir war klar, jetzt zähle nur ich. Ich musste mich um mich selbst kümmern. Ich habe viel Ballast abgeworfen.

    Was war der nächste Schritt?

    Roth: Ich habe mir die Meinung von drei verschiedenen Ärzten eingeholt, bevor ich endgültig entschieden habe, dass ich mich operieren lasse. Dann kam ein sehr aufregendes Jahr. Die Operation und dann die regelmäßigen Nachuntersuchungen. Man versucht zu verdrängen, kann es aber nicht vergessen.

    Nun machen Sie Werbung für Vorsorgeuntersuchungen. Warum denken Sie, ist das nötig?

    Roth: Männer gehen nur zum Arzt, wenn etwas kaputt ist. Frauen sind da anders, die gehen schon viel früher zur Krebsvorsorge. Aber gerade bei Prostatakrebs ist eine frühe Diagnose wichtig. Denn man kann ab einem bestimmten Zeitpunkt nichts mehr tun. Wenn es zu spät ist, dann ist es wirklich zu spät.

    Warum gehen Männer nicht zur Vorsorge?

    Roth: Zum einen, weil sie nicht wollen, dass etwas gefunden wird. Außerdem entspricht es nicht dem Bild von Männlichkeit, sich vom Urologen unter der Gürtellinie untersuchen zu lassen. Ich nenne das Gorilla-Syndrom. Dabei ist vielen Männern nicht klar, welche große Rolle die Prostata für ihre Sexualität spielt.

    Wie oft sind Sie zur Vorsorge gegangen?

    Roth: Einmal jährlich. Sportler haben da vielleicht eine andere Einstellung, wir haben so viel mit Ärzten zu tun.

    Was hat sich seit Ihrer Operation verändert?

    Roth: Ich muss darauf achten, meine Blase regelmäßig zu entleeren. Gerade wenn ich schreie, geht ab und zu mal ein Tropfen in die Hose. Außerdem habe ich keinen Samenerguss mehr. Das war anfangs ungewohnt, aber ich habe mich daran gewöhnt. Außerdem bin ich ruhiger geworden und lebe bewusster. Aber ich habe natürlich trotzdem noch Spaß.

    Gemeinsam mit Ihrem Zwillingsbruder, der kurz nach Ihnen an Prostatakrebs erkrankte, haben Sie ein Buch geschrieben. „Unser Leben – unsere Krankheit“, erschienen beim ZS Verlag in München. Sie sprechen beide sehr offen über die Krankheit.

    Roth: Das ist für mich wie eine Therapie. Jedes Mal, wenn ich darüber rede, heile ich mich ein bisschen selbst. Mir hätte es auch geholfen, wenn ich Vorbilder gehabt hätte. Jetzt erzähle ich eben über Beckenbodentraining, Selbsthilfegruppen und mache den Männern Mut. Wir bekommen fast täglich E-Mails, in denen sich Männer bedanken, die wegen uns zur Vorsorge gegangen sind. Bei vielen wurde Prostatakrebs diagnostiziert. Aber es gibt ja auch gute Heilungschancen, wenn er rechtzeitig entdeckt wird.

    Haben sich Ihre Ziele verändert?

    Roth: Ich will, wenn mein Vertrag als Trainer 2020 abläuft, so viel Zeit wie möglich auf Mallorca verbringen – meine zweite Heimat.

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