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Heuschnupfen: Umweltverschmutzung macht Pollen immer aggressiver

Heuschnupfen

Umweltverschmutzung macht Pollen immer aggressiver

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    Bei 40 Prozent aller Betroffenen führt Heuschnupfen langfristig zu Asthma.
    Bei 40 Prozent aller Betroffenen führt Heuschnupfen langfristig zu Asthma. Foto: Heiko Wolfraum, dpa

    Prof. Claudia Traidl-Hoffmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Umweltmedizin der TU München am Universitären Zentrum UNIKA-T Klinikum Augsburg. Wir sprachen mit ihr über Heuschnupfen und wie man sich dagegen schützen kann.

    Lassen Klimawandel und Luftverschmutzung die Zahl der Allergien ansteigen?

    Traidl-Hoffmann: Wir wissen, dass sich das Klima ändert und dass Allergien zunehmen. Und es gibt viele Untersuchungen, die nahelegen, dass da ein kausaler Zusammenhang besteht. Kohlendioxid beispielsweise führt zu einer verstärkten Pollenproduktion der Pflanze. Ozon ist ein maßgeblicher Faktor, der die Aggressivität der Pollen verstärkt. Und auch bei der Luftverschmutzung gibt es Daten, die zeigen, dass Staubpartikel die Freisetzung von Allergenen in den Pollen erhöhen. Das heißt, Klimawandel, Klimagase und Luftverschmutzung wirken auf die Allergenträger, also die Pollen, und machen sie aggressiver; viele Umweltschadstoffe wie Ozon und ultrafeine Partikel fördern darüber hinaus beim Menschen die Entwicklung einer Allergie.

    Leiden Pollenallergiker auch mehr als früher?

    Traidl-Hoffmann: Ja, die Pollen setzen mehr Allergene frei und auch mehr entzündungsfördernde Substanzen. Dadurch hat der Allergiker mehr Symptome. Das ist zwar von Jahr zu Jahr etwas unterschiedlich, aber: Heuer scheinen die Pollen wieder sehr aggressiv zu sein. Hinzu kommt: Die Pollenflugzeiten verlängern sich. Schon früh im Januar etwa flogen Haselpollen – so früh wie noch nie.

    Gibt es Pollen, die von Natur aus aggressiver sind als andere?

    So schützen Sie sich gegen Pollen

    Beim Betreten der Wohnung sollte man die Kleidung wechseln.

    Allergiker sollten sich vor dem Schlafengehen die Haare mit Wasser ausspülen.

    Die Pollenbelastung ist nicht überall gleich: Erreicht sie ihr Maximum auf dem Land in den frühen Morgenstunden, ist sie in der Stadt hingegen erst abends am stärksten. Experten empfehlen daher, das Schlafzimmer nachts zu lüften, die Fenster am frühen Morgen zu schließen und auch tagsüber geschlossen zu halten.

    Hilfreich ist auch ein Fensterschutz, ebenso wie ein Lüftungsfilter im Auto.

    Sport im Freien sollten Allergiker vermeiden.

    Wäsche sollte nicht an der frischen Luft getrocknet  werden, weil sich sonst die Pollen überall festsetzen.

    Bei ihrer Urlaubsplanung sollten sich Allergiker am Pollenkalender orientieren. Eine Ferienreise ist dann am günstigsten, wenn zu Hause der jeweils allergieauslösende Pollen «Hochsaison» hat. Vor allem in den Hochgebirgen und am Meer, wo es reichlich pollenarme Luft gibt, können Allergiker durchatmen.

    Werden die Beschwerden dennoch zur Qual, helfen Medikamente. Antiallergisch wirkende Antihistaminika werden bei akuten Symptomen eingesetzt, haben aber häufig auch unerwünschte Nebenwirkungen. Es gibt sie als Nasenspray oder Augentropfen sowie als Tabletten und Tropfen.

    Bei stärkerem Heuschnupfen kann der Arzt kortisonhaltige Mittel verordnen. Gut wirksam ist die sogenannte Grastablette. Studien zufolge kann die Allergietablette Heuschnupfensymptome deutlich senken.

    Auch die Wirksamkeit von Akupunktur bei der Behandlung von Allergien und Asthma ist belegt.

    Traidl-Hoffmann: Ja, die gibt es. Die Pollen der Ambrosie, des Traubenkrauts, das sich in Deutschland ausbreitet, haben eine hohe Aggressivität. Diese Pollen setzen Enzyme frei, die die Schleimhäute angreifen und in ein Sieb verwandeln. Durch dieses Sieb können die Allergene eindringen und entzündungsfördernde Substanzen freisetzen. Was die proentzündlichen Substanzen angeht, gehören auch Birkenpollen zu den aggressiveren Pollen. Birke ist das Hauptallergen in

    Gibt es heute mehr Pollen als früher?

    Traidl-Hoffmann: Ja, quantitativ und auch qualitativ. Durch den Klimawandel haben wir viele unterschiedliche Spezies, die Ambrosie ist das Paradebeispiel dafür. Birkenpollen nehmen weiter zu, Gräserpollen allerdings eher ab. Zu den Gründen gibt es unterschiedliche Überlegungen. Es könnte etwa ein verändertes Mähverhalten dahinterstecken.

    Hat das trockene Frühjahr den Allergikern besonders zu schaffen gemacht?

    Traidl-Hoffmann: Ja, heuer war es extrem schlimm. An den Tagen mit Birkenpollen-Spitzenwerten in der Luft haben die Patienten uns Ärzten regelrecht die Bude eingerannt.

    Kann es in solchen Zeiten auch zu neuen Allergien selbst bei älteren Menschen kommen?

    Traidl-Hoffmann: Ja, das ist ein besorgniserregender Trend, dass Leute auch in mittlerem oder höherem Lebensalter noch Allergien entwickeln. Es ist auch nicht ganz verstanden, warum das der Fall ist.

    Hat der Einzelne denn eine Möglichkeit, den Umwelteinflüssen aus dem Weg zu gehen und sich zu schützen?

    Traidl-Hoffmann: Er kann sich über den Pollenflug informieren. Die Stiftung Polleninformationsdienst hat eine Pollen-App entwickelt (www.pollenstiftung.de), mit der der Patient feststellen kann, wie hochaktuell die Pollenbelastung an dem Ort ist, an dem er sich befindet. Und er kann seine Symptome eingeben, sodass wir Pollenflug und Beschwerden in Verbindung bringen und lernen können, Pollenallergien besser zu verstehen. Ansonsten sollten Patienten an Tagen mit Spitzenwerten im Haus bleiben und nicht lüften, außerdem abends vor dem Zubettgehen die Haare waschen, damit keine Pollen ins Bett gelangen. Oft kommt auch die Frage, ob Masken sinnvoll sind. Ja, es könnte durchaus helfen, Atemschutzmasken und eine Brille zu tragen, aber die Frage ist, wie weit der Einzelne gehen möchte. Und nicht zuletzt: Eine Therapie, also z. B. die Hyposensibilisierung, kann helfen.

    Wie sieht Ihre Zukunftsprognose in puncto Allergien aus?

    Traidl-Hoffmann: Wir haben 80 Millionen Allergiker in Europa, und die Tendenz ist weiter steigend. Der Anstieg bei den Pollenallergien hat sich zwar etwas verlangsamt, dafür sehen wir eine exponentielle Zunahme der Lebensmittelallergien. Es ist zu erwarten, dass die Deutschen in Zukunft noch mehr durch Allergien gebeutelt werden. Sie werden noch mehr Beschwerden haben, wodurch auch ihre Arbeitsfähigkeit leidet. Wenn wir nicht verstärkt in die Forschung investieren, werden wir das Problem nicht lösen können. Patienten und Wissenschaftler müssen zusammenarbeiten, damit wir weiterkommen! Im Rahmen von KORA (Helmholtzzentrum München), der kooperativen Gesundheitsforschung in der Region Augsburg, werden wir 2015, unterstützt von der CK CARE, Christine-Kühne-Stiftung für Allergieforschung und Edukation, Allergien verstärkt anschauen. 

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