Depressionen sind hierzuland weit verbreitet, sie gehören zu Deutschlands Volkskrankheiten. Und dennoch wird diese Krankheit oftmals unterschätzt. Gerade unbehandelt kann eine Depression schwere Folgen haben. Münchner Forscher haben nun herausgefunden, wie schwer ihre Auswirkung auf die körperliche Gesundheit sein kann.
Depressionen gefährden offenbar das Herz
Laut der aktuellen Studie stellen Depressionen ein ähnlich hohes Risiko für Erkrankungen am Herz dar wie etwa Übergewicht oder ein erhöhter Cholesterinspiegel. Lediglich Bluthochdruck und Rauchen brächten ein noch höheres Risiko mit sich, berichtet Studienleiter Karl-Heinz Ladwig.
Der Studie zufolge wären 15 Prozent der Todesfälle in Folge von Herzkreislauferkrankungen vermeidbar gewesen, wäre keine Depression mit dabei gewesen. "Das ist vergleichbar mit den anderen Risikofaktoren wie zu hohes Cholesterin, Fettleibigkeit und Rauchen", sagt Ladwig. Bei diesen Faktoren reiche der Anteil von 8,4 bis 21,4 Prozent. "Ein psychisches Phänomen kann größere Einflüsse auf den Körper haben, als man bisher dachte", betont Ladwig. Folglich könnte eine Therapie der Depression in manchen Fällen Herzinfarkte vermeiden helfen und im Extremfall sogar Leben retten.
Wissenschaft: So gefährlich ist eine Depression für das Herz
Der Forscher schlägt deshalb vor, bei Hochrisikopatienten eine mögliche Depression standardmäßig abzuklären. Es müsse für die betreffenden Ärzte klar sein, "dass die depressive Stimmungslage ein Teil des Risikobildes der kardiovaskulären Erkrankung ist".
Die Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München, der Technischen Universität München (TUM) und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hatten für die Studie Daten von 3428 Männern zwischen 45 und 74 über einen Zeitraum von 10 Jahren untersucht. Die Ergebnisse veröffentlichten sie nun im Fachmagazin "Atherosclerosis".
Die Studie hatte Daten von Männer ausgewertet, weil Frauen im Alter bis 65 selten Herz-Kreislauferkrankungen haben, erläuterte der Studienleiter. Die Ergebnisse seien aber grundsätzlich auf Frauen übertragbar - die zudem öfter an Depressionen leiden als Männer.
Begünstigen Depressionen einen Herzinfarkt?
Dass es einen Zusammenhang zwischen Depressionen und Herzkreislauferkrankungen gibt, haben schon frühere Studien nachgewiesen. Allerdings nicht in diesem Ausmaß. Neben der hohen Zahl der ausgewerteten Daten sei auch die Aussage neu, "dass Depression ein so großer Risikofaktor sein kann wie andere klassische Erkrankungen, von denen man das schon lange weiß," so Arno Deister, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).
Ärzte hätten zwar bei Menschen mit seelischen Erkrankungen meist auch die körperliche Seite mit im Blick, und bei körperlichen die seelische. "Aber bei der Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Kardiologen und Psychiatern könnten wir noch etwas besser werden", sagt Deister, der als Chefarzt das Zentrum für psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe leitet. Depression werde häufig bis heute nicht erkannt, schließlich gehen die meisten regelmäßig zum Hausarzt, aber nicht zum Psychiater. Teils gelte sie in der Gesellschaft noch immer nicht als ernsthafte Erkrankung. "Depressive haben oft den Eindruck, sie sind nicht richtig krank - oder denken, sie hätten etwas falsch gemacht und seien selbst schuld." Dabei greife Depression tief in den Organismus ein. "Depression ist eine Form von massivem Stress."
Laut Weltgesundheitsorganisation WHO leiden weltweit 350 Millionen Menschen an Depressionen. Die wissenschaftliche Behandlungsleitlinie in Deutschland geht davon aus, dass hierzulande 16 bis 20 Prozent der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens an einer Depression erkranken.
Depressive Herzpatienten haben dabei ein besonderes Risiko: "Die Patienten nehmen nicht so strikt ihre Medikamente und kümmern sich nicht so gut um Ernährung und sportliche Betätigung wie Nicht-Depressive", sagt die Münchner Kardiologin Petra Hoppmann.
Herzkreislauferkrankungen: Psyche beeinflusst Körper mehr als gedacht
Die Depression wirke auf die Gefäße aber auch über Stresshormone: Diese verändern den Stoffwechsel. Die Folge sind chronische Entzündungsvorgänge, die Gefäße verändern und die Blutgerinnung fördern. Damit können Adern leichter verstopfen. Die neue Studie zeige den Effekt deutlicher als bisher und anhand einer sehr guten Datenlage. Ähnliche Vorgänge hätten andere Forscher auch bei chronischer Erschöpfung beobachtet.
Das Herz reagiert über Stresshormone besonders stark auf die Psyche. Kardiologen befassen sich seit Anfang der 1990er Jahre auch mit dem "Broken-Heart-Syndrom"- im Fachjargon Stress-Kardiomyopathie - als akutes Krankheitsbild. Es geht bei schweren Verlusten, Trennungen und psychischer Belastung mit ähnlichen Symptomen einher wie ein Infarkt: Das Herz krampft sich zusammen, die Brust schmerzt. Ursache ist aber keine verschlossene Ader, sondern eine stressbedingte Schädigung des Herzmuskels, die aber normalweise heilt.
Auch wenn die Stress-Kardiomyopathie nicht gleich zum Tod führt: Redewendungen wie "Jemand stirbt an gebrochenem Herzen" und "sich etwas zu Herzen nehmen" bezögen sich auf den besonderen Zusammenhang zwischen Herz und Gefühl, sagt Deister. "Wir schreiben unter einen Brief ja auch 'herzliche Grüße' - und nicht 'gehirnliche Grüße'." dpa/AZ
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