Bald beginnt die Barfuß-Zeit. Wer sie nutzt, tut seinen Füßen etwas Gutes: „Barfuß-Laufen stärkt die Fußmuskulatur und ist zur Vorbeugung eines Hallux valgus absolut empfehlenswert“, sagt Dr. Martin Jordan, Fußchirurg an der Hessingpark-Clinic in Augsburg. Schätzungen zufolge haben mehr als 20 Prozent der Erwachsenen schiefstehende große Zehen, sogenannte „Ballenzehen“. Schon bei leichteren Ausprägungen kann es zu Schmerzen und Problemen beim Gehen kommen. „In Gegenden, in denen man nur barfuß geht, gibt es diese Fehlstellung bei weitem nicht so häufig“, betont der Arzt.
Hat sich ein Hallux valgus entwickelt, kann Barfuß-Laufen und eine gezielte Stärkung der Muskulatur in einem frühen Stadium helfen. In späteren Stadien bleibt nur eine Operation. Die Chirurgie hat in diesem Bereich in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, wie Jordan erklärt.
Wie kommt es zu einem Hallux valgus?
Beim Hallux valgus ist der große Zeh verdreht: Der erste Mittelfußknochen schiebt sich nach außen, gleichzeitig dreht sich die Großzehe nach innen in Richtung der anderen Zehen. In der Folge kann es zu Beschwerden verschiedenster Art kommen: Am häufigsten sind Schmerzen und Entzündungen am Großzehenballen, daneben können auch die Nerven am großen Zeh geschädigt werden. Langfristig kann sich eine Arthrose im Großzehengelenk entwickeln. „Oft äußern sich die Probleme indirekt, zum Beispiel schmerzen die kleinen Zehen oder es bilden sich Druckstellen und Schwielen“, sagt Jordan. Außerdem kann es Folgen für andere Gelenke und die Wirbelsäule haben, wenn man auf Dauer eine Schonhaltung einnimmt: „Wir sehen häufig Patienten, die deshalb Probleme mit den Knien oder der Hüfte haben. Das kann bis in die Halswirbelsäule gehen.“
Frauen haben wesentlich häufiger „Ballenzehen“ als Männer. „Oft wird das auf enge, hochhackige Schuhe zurückgeführt. Das ist aber nicht die eigentliche Ursache“, sagt Dr. Anke Röser, Vizepräsidentin der Gesellschaft für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie. Bei einem Hallux valgus spiele die erbliche Veranlagung eine entscheidende Rolle. Daneben gebe es verschiedene Faktoren, die dazu führen können, dass sich die Fehlstellung verschlimmert: „Mit zunehmendem Alter wird das Bindegewebe schwächer, außerdem können die Beschwerden im Verlauf eine Schwangerschaft durch die Veränderung des Bindegewebes zunehmen“, erklärt Röser.
Fehlstellung wir mit gezielten Training Bein- und Fußmuskulatur behandelt
Auch Übergewicht und eine verkürzte Achillessehne können eine Rolle spielen. Manchmal wirkt sich außerdem eine Überlastung der Fußgelenke negativ aus. So berichtet Jordan: „Marathon-Läufer haben häufig einen Spreizfuß mit einer Hallux-valgus-Deformität.“
Wie die Fehlstellung behandelt wird, hängt stark von ihrer Ausprägung ab, nämlich: In welchem Winkel ist der Mittelfußknochen und der große Zeh verbogen? In einem frühen Stadium geht es darum, den Fuß zu stabilisieren und die Muskulatur zu stärken. Dazu kommt Jordan zufolge zum Beispiel das Konzept der Spiraldynamik infrage, bei dem Patienten unter Anleitung eines Physiotherapeuten ein neues Bewegungsverhalten lernen. Dabei trainieren sie gezielt die bein- und fußstabilisierende Muskulatur.
Eine andere Möglichkeit sind sensomotorische Schuh-Einlagen, die die Rezeptoren der Fußsohle durch Druckpolster stimulieren. So sagt die Fußchirurgin Röser: „Solche Einlagen können nützlich sein, da sie die Muskulatur aktivieren.“ Allerdings müssen sie gesetzlich versicherte Patienten unter Umständen selbst zahlen. Mitunter werden auch Nachtlagerungsschienen verschrieben, die den großen Zeh über Nacht in der gewünschten Position halten. Wie viel das Verfahren bringt, ist laut Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen allerdings unklar. Daneben gibt es Bandagen, Zehenspreizer und spezielle Socken, um die Stellung des großen Zehs zu korrigieren. Solche Hilfsmittel dienen in erster Linie jedoch nur dazu, die Beschwerden zu lindern.
OP: Wann sollte man einen Hallux valgus operieren lassen?
In weiter fortgeschrittenen Stadien ist eine Operation in der Regel die einzig effektive Therapie. „Anhaltende Schmerzen oder eine sich entwickelnde Arthrose am Großzehengrundgelenk sprechen für einen Eingriff“, sagt Röser. Es gibt weit über 100 verschiedene chirurgische Verfahren – gängig sind aber nur um die sechs davon. Welches infrage kommt, richtet sich nach der Schwere der Verformung. Grundsätzlich wird der Knochen durchtrennt, verschoben und in die richtige Position gebracht. Je nachdem kommen Titanschrauben- oder platten zum Einsatz, um ihn zu fixieren. Sie können meistens dauerhaft im Fuß bleiben.
„In diesem Bereich hat es in den vergangenen 20 Jahren einen enormen Wandel gegeben“, sagt Jordan. „Die Materialien haben sich stark verbessert, außerdem kann man manche Eingriffe jetzt auch minimal-invasiv vornehmen.“ Die Komplikationsrate sei vergleichsweise gering: Infektionen gebe es sehr selten, ebenso wie tiefe Beinvenenthrombosen. Allerdings kommt es gelegentlich zu einem Rezidiv – das heißt, dass sich wieder ein Hallux valgus bildet. „Die Rate liegt bei unter fünf Prozent und ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig wie zum Beispiel dem Ausmaß der Fehlstellung vor der Operation“, berichtet der Arzt.
Nach dem operativen Eingriff ist Geduld gefragt. Der Patient muss sich darauf einstellen, dass es eine Weile dauert, bis er den Fuß wieder normal belasten kann. „Man ist etwa sechs Wochen lang eingeschränkt und trägt in dieser Zeit einen Spezialschuh“, sagt Jordan. „Bis man wieder Sport treiben kann dauert es rund drei Monate.“
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