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Gesundheit: Jedes Jahr sterben 30.000 Patienten an Krankenhauskeimen

Gesundheit

Jedes Jahr sterben 30.000 Patienten an Krankenhauskeimen

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    Keim–Zucht im Labor: In Deutschland sterben jedes Jahr 30000 Patienten an Krankenhauskeimen, die Zahl der Infektionen liegt bei 900000.
    Keim–Zucht im Labor: In Deutschland sterben jedes Jahr 30000 Patienten an Krankenhauskeimen, die Zahl der Infektionen liegt bei 900000. Foto: Fotolia

    Während der künstlich angelegte Teich im Innenhof im Dunkeln liegt, gleitet der Wischmopp über den glänzenden Boden der Eingangshalle. Um fünf Uhr morgens beginnt in der Klinik Vincentinum in Augsburg der Kampf gegen Schmutz, Viren, Keime und Bakterien. Bis die ersten Mitarbeiter, Patienten und Besucher über die Gänge laufen, haben die Putzkräfte alles sauber gemacht, Böden, Klinken und Handläufe desinfiziert. Eine wichtige Maßnahme gegen multiresistente Erreger – die unsichtbare Gefahr, die für Menschen tödlich sein kann.

    In Deutschland sterben jedes Jahr 30.000 Patienten an Krankenhauskeimen, die Zahl der Infektionen liegt bei 900.000. Das ergab eine Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Hauptverantwortlich sind multiresistente Bakterien, gegen die gängige Antibiotika nicht wirken. Doch woher kommen diese Keime? Dieser Frage ging das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung von der Uniklinik Köln nach und fand heraus, dass fast zehn Prozent der aufgenommenen Krankenhauspatienten die gefürchteten Keime bereits von zu Hause mitbringen.

    Dr. Axel Hamprecht von der Uniklinik Köln war überrascht, „dass fast jeder zehnte Patient mit multiresistenten Keimen besiedelt ist, wenn er in der Klinik ankommt.“ Er und sein Kollege Prof. Harald Seifert koordinierten zusammen mit der Charité Berlin eine der europaweit größten Studien zu multiresistenten Erregern. Insgesamt wurden über 4000 Patienten an sechs deutschen Universitätskliniken bei ihrer Aufnahme in die Einrichtung befragt und auf multiresistente Enterobakterien untersucht.

    30 Prozent der Menschen tragen die MRSA-Erreger auf der Haut

    Besonders anfällig für die Besiedelung mit den Bakterien sind der Studie zufolge zwei Gruppen: Patienten nach einer Antibiotika-Einnahme und Reisende, die außerhalb Europas waren. Die Verbreitung einer weiteren Gruppe antibiotikaresistenter Erreger, den sogenannten MRSA-Bakterien, ist noch größer. 30 Prozent der Menschen tragen die Erreger auf der Haut, teilt das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten, ECDC, mit. Während die bloße Besiedelung mit multiresistenten Keimen für gesunde Menschen ungefährlich ist, stellt eine Infektion vor allem für Patienten mit offenen Wunden, chronischen Krankheiten oder geschwächtem Immunsystem eine Gefahr dar.

    Im Kampf gegen multiresistente Erreger hat daher CDU-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe im vergangenen Jahr einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. Neben Meldepflichten für jeden nachgewiesenen Erreger und verpflichtenden Fortbildungen von medizinischem Personal im Bereich der rationalen Antibiotika-Therapie werden die Krankenhäuser mit einem Hygiene-Förderprogramm in Höhe von 365 Millionen Euro dabei unterstützt, bis 2016 notwendiges Hygienepersonal einzustellen sowie Ärzte und Pflegekräfte auf dem Gebiet der Krankenhaushygiene weiterzubilden.

    Als eines der ersten Krankenhäuser in Deutschland hat das Klinikum Augsburg bereits seit 2006 bei der Aufnahme von Risikopatienten ein konsequentes Screening, einen Test auf multiresistente Keime. Die Leiterin der Stabsstelle Hygiene und Umweltmedizin am Klinikum, Dr. Monika Schulze, erklärt, was dann passiert: „Je nach Befund werden betroffene Patienten streng von anderen Patienten isoliert und hygienische Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um eine Übertragung zu vermeiden und die Besiedlung mit multiresistenten Keimen zu behandeln.“

    Andere Länder sind deutlich weiter

    Andere Länder sind im Kampf gegen multiresistente Keime deutlich weiter. Beispiel Niederlande: Dort ist die medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärzte eher gering ausgeprägt, sagt die Hygieneärztin. „Die medizinische Versorgung konzentriert sich in den Krankenhäusern. Sie verfügen fast alle über Krankenhaushygieniker und Mikrobiologen, die die Antibiotikabehandlung und das Hygienemanagement steuern.“ Unter dem Prinzip „search and destroy“ werde dort schon seit langem aktiv bei den Patienten nach multiresistenten Erregern gesucht, um diese dann zu zerstören – etwa durch spezielle antibakterielle Waschungen. Dementsprechend sei die Verbreitung von multiresistenten Erregern dort in der Bevölkerung relativ gering.

    In Deutschland dagegen ist die ambulante und stationäre Versorgung von Patienten getrennt. „Bei Bedarf verschreibt der niedergelassene Haus- oder Facharzt seinem Patienten Antibiotika, um eine bakterienindizierte Erkrankung zu behandeln“, sagt Schulze. In der Regel habe der Arzt nicht die Ressourcen, bei „Risiko“-Patienten vor der Gabe eines Antibiotikums die Besiedlung mit multiresistenten Erregern zu überprüfen.

    Unnötige Antibiotikagaben reduzieren

    Ein Problem, bei dem die Politik in doppelter Hinsicht ansetzen müsse, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von CDU/CSU, Georg Nüßlein aus dem Landkreis Günzburg. „Ziel muss sein, zum einen unnötige Antibiotikagaben zu reduzieren und zum anderen neue Medikamente zu entwickeln, um gezielt gegen multiresistente Keime vorzugehen.“ Zudem seien die finanziellen Mittel für die Krankenhaushygiene in diesem Jahr im sogenannten Krankenhausstrukturgesetz fortgeschrieben worden. Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen multiresistente Keime, betont Nüßlein: „Wir haben große Fortschritte auf diesem Gebiet gemacht – auch wenn das noch nicht für alle Häuser in gleichem Maße gilt.“

    Kürzlich hat das Magazin Stern dramatische Hygienemängel im Gesundheitswesen aufgedeckt. Es testete die Sauberkeit an 17 deutschen Krankenhäusern mithilfe eines sogenannten „Glow-Checks“. Dabei wurden unsichtbare Markierungen an Türgriffen, Spülköpfen und Fahrstuhlknöpfen angebracht und nach einer gewissen Zeit unter UV-Licht überprüft, wie oft geputzt wurde. Das Ergebnis: Nur jede vierte markierte Fläche wurde wenigstens einmal am Tag komplett sauber gemacht. Türklinken wurden in 69 Prozent der Fälle nicht oder nur teilweise gereinigt.

    Eine Befragung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene aus dem Jahr 2013 hat ergeben, dass Krankenhäuser tatsächlich eine Verschlechterung bei der Qualität der Reinigung wahrnehmen. Grund dafür sei, dass ein Teil der Krankenhäuser in den letzten Jahren das Reinigungspersonal in Servicegesellschaften ausgelagert beziehungsweise auf externe Dienstleister umgestellt habe, sagt Dr. Antonius Reifferscheid vom Lehrstuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen. Wie die Umfrage zeigt, wird dieses Personal tendenziell auch etwas schlechter bezahlt. Ferner sei bei externen Dienstleistern häufig kein festes Personal eingesetzt, was bedeute, dass sich die Mitarbeiter immer wieder neu orientieren müssten, sagt Reifferscheid.

    Die Reinigungskräfte am Vincentinum in Augsburg sind über eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Klinik beschäftigt, viele von ihnen arbeiten dort seit Jahren. Gegen elf Uhr endet die Schicht des Morgen-Putztrupps. Wenn auf Gängen, Fluren und Stationen alles glänzt, geht die Arbeit hinter den Kulissen weiter. Arbeitskleidung und Lappen wandern in spezielle Waschmaschinen und werden keimfrei aufbereitet. Die Putzwagen werden desinfiziert, Handschuhe und Reinigungslösungen entsorgt und die Arbeitsmaterialien aufgeräumt. Dann ist Feierabend. Bis am nächsten Morgen der Kampf gegen den unsichtbaren Feind erneut beginnt. Die Waffen der Menschen sind effizient – wenn sie richtig eingesetzt werden.

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