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Geriatrie: Alkohol im Alter bringt höhere Risiken mit sich

Geriatrie

Alkohol im Alter bringt höhere Risiken mit sich

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    Senioren müssen oft mehrere Medikamente einnehmen, da kann es zu Wechselwirkungen kommen. Doch das ist nicht das einzige Risiko, das Alkohol im Alter mit sich bringt.
    Senioren müssen oft mehrere Medikamente einnehmen, da kann es zu Wechselwirkungen kommen. Doch das ist nicht das einzige Risiko, das Alkohol im Alter mit sich bringt. Foto: Arno Burgi (dpa)

    „Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben.“ So dichtete Wilhelm Busch, der Urvater des Comics, schon vor mehr als 100 Jahren. In Maßen genossen mag das auch heute noch gelten, doch wer zu viel Alkohol trinkt, schädigt seine Gesundheit, so viel ist allgemein bekannt. Aber wie sieht es bei der älteren Generation aus, die zahlenmäßig weiter zunimmt?

    Das Thema wurde lange Zeit vernachlässigt

    Lange Zeit wurde das Thema „Alkohol bei Senioren“ in der Forschung vernachlässigt, erst seit 2010 werden entsprechende Studien mit Fördergeldern bedacht. „Das Problem wird größer, denn die heutigen Alten sind ihr Leben lang Alkohol gewöhnt“, betont Siegfried Weyerer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Im Jahr 1950 trank jeder Deutsche im Durchschnitt vier Liter Alkohol, heute sind es zehn Liter.

    Die Wirkungen von Bier, Wein oder Schnaps auf den Körper sind ausführlich untersucht. Alkohol ist ein Zellgift, das dosisabhängig und auf Dauer alle Organe schädigt. Frauen vertragen aufgrund von physiologischen Besonderheiten weniger Alkohol als Männer. Bei älteren Konsumenten, das heißt bei Personen, die älter als 60 Jahre sind, treten im Prinzip die gleichen Probleme auf wie bei jüngeren, aber einige spezielle Aspekte kommen hinzu, wie Helmut K. Seitz, Alkoholforscher und Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Salem in Heidelberg, erklärt: „Wenn man älter ist, sind die Organe empfindlicher.“

    Senioren haben weniger Körperwasser

    Es sind mehrere verschiedene Mechanismen, die bewirken, dass Alkohol und Alter – ganz im Gegensatz zu Wilhelm Buschs Meinung – keine gute Kombination ist. Ganz simpel ist der erste Grund: Da Senioren weniger Körperwasser haben als jüngere, verteilt sich der Alkohol in einer kleineren Menge Blut, sprich: Der Alkoholspiegel ist höher als in früheren Jahren. Für einen Mann, der in jungen Jahren unproblematisch täglich zwei bis drei Flaschen Bier getrunken hat, kann die gleiche Menge im Alter zum Problem werden.

    Alkohol wird im Körper zunächst zu dem giftigen Molekül Acetaldehyd abgebaut, das unmittelbar danach im zweiten Schritt zur harmlosen Essigsäure umgewandelt wird. Daraus entstehen dann schließlich Wasser und Kohlendioxid. Für den so wichtigen zweiten Schritt ist das Enzym Acetaldehyd-Dehydrogenase, kurz ALDH, verantwortlich. Beim älteren Menschen arbeitet die ALDH nicht mehr so schnell wie in jüngeren Jahren - mit dem unerfreulichen Resultat, dass sich das giftige Zwischenprodukt Acetaldehyd anhäuft. Dieser Stoffwechselprozess läuft nicht nur in der Leber ab, sondern beginnt bereits im Verdauungstrakt. „Da auch die Magenentleerung langsamer verläuft, bleibt Acetaldehyd länger im Magen, was häufig zur Magenschädigung führt“, erläutert Seitz.

    Mischkonsum von Alkohol und Medikamenten kann zum Risiko werden

    Doch der wichtigste Grund, weshalb der Heidelberger Alkoholforscher zur Vorsicht im Umgang mit Alkohol mahnt, hat nur indirekt mit dem Alter zu tun: Es geht um die zum Teil heftigen und unberechenbaren Wechselwirkungen zwischen Alkoholkonsum und Medikamenteneinnahme. Da ältere Menschen häufig Tabletten schlucken müssen, oft auch mehrere gleichzeitig, gehören sie zur großen Risikogruppe, die im Umgang mit dem Feierabendbier vorsichtig sein sollte.

    Die Ursache liegt darin begründet, dass Medikamente, aber auch Alkohol zum Teil über die gleichen Stoffwechselwege abgebaut werden. Dies passiert in der Leber, wo die Arzneistoffe von Enzymen des sogenannten Cytochrom-Systems so verändert werden, dass sie anschließend mit dem Urin oder mit dem Stuhl ausgeschieden werden können. Wenn der Körper es mit einer größeren Menge Alkohol zu tun bekommt, dann schaltet er als zweiten Abbauweg ebenfalls das Cytochrom-System hinzu. Nun konkurrieren also Medikamente und Alkohol um die gleichen Enzyme mit unvorhersehbaren Konsequenzen: Die Wirkung des Alkohols kann länger andauern als gewohnt, aber auch die Wirkung der Arzneimittel kann stärker oder schwächer ausfallen oder sich verlängern. Die nächste Tabletteneinnahme kommt dann eventuell zu früh, bevor der zuletzt eingenommene Medikamentenwirkstoff abgebaut wurde.

    Die Genetik spielt eine Rolle

    Doch das Chaos kann noch größer werden: Wenn der Körper chronischen Alkoholkonsum gewöhnt ist, ist das Cytochrom-System aktiver als bei anderen. „Der erhöhte Cytochrom-Spiegel vom Bier am Abend zuvor sorgt für einen schnelleren Abbau der Tablette, die am Morgen eingenommen wird“, erläutert Seitz. Der Experte beschreibt einige Beispiele, wie Senioren-typische Medikamente im Zusammenspiel mit Alkohol wirken können, wobei es jedoch immer genetisch bedingte Unterschiede gibt, wie Professor Seitz betont.

    Bei Statinen, die den Cholesterinspiegel senken, kann ein Viertel Liter Wein am Abend zuvor die Nebenwirkungen verstärken. Betablocker und Gerinnungshemmer wie Marcumar werden im Beisein von Alkohol schneller abgebaut, sodass die Dosis angepasst werden muss. Das Schmerzmittel Paracetamol kann auf die Leber toxisch wirken, wenn zusätzlich noch Alkohol im Spiel ist. Selbst die gegen Allergien eingesetzten neueren Antihistaminika, die eigentlich nicht müde machen sollten, führen im Gespann mit Alkohol zu Müdigkeit und setzen die Reaktionsfähigkeit gefährlich herab.

    "Alkohol ist janusköpfig"

    Immer wieder machen Meldungen die Runde, nach denen Alkohol auch positive Wirkungen auf die Gesundheit haben könnte. Dazu gehört ein leicht positiver Effekt auf die Herzkranzgefäße, wenn gesunde Senioren täglich ein Achtel Liter Wein trinken. Doch Seitz schränkt sofort ein: „Dafür steigt das Risiko für Leberzirrhose an.“ In die gleiche Richtung gehen auch Studien, die Siegfried Weyerer mit seiner Forschungsgruppe in Bezug auf Demenzerkrankungen gemacht hat: „Alkohol ist janusköpfig“, meint er. Die Mannheimer begleiteten drei Jahre lang mehr als 3000 Studienteilnehmer, die über 75 Jahre alt waren.

    Starker Alkoholkonsum erhöht das Risiko an Demenz zu erkranken

    Diejenigen, die kleine bis moderate Mengen Alkohol tranken, hatten eine signifikant niedrigere Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken. Bei stärkeren Alkoholkonsumenten erhöhte sich das Risiko. Allerdings lassen sich keine genauen Angaben zu den Mengen an Wein, Bier oder Schnaps machen, die zu dem einen oder anderen Ergebnis führen, betont Weyerer: „Jeder hat eine individuelle Schwellendosis, die man nicht angeben kann. Aufgrund der Gefahr der Alkoholabhängigkeit und der Toxizität kann Alkohol nicht zur Prophylaxe von Demenzerkrankungen empfohlen werden.“ Gelegentlich ein Glas Alkohol zu trinken, ist auch nach Meinung von Helmut K. Seitz in Ordnung, jedoch sollten mindestens zwei Tage in der Woche komplett alkoholfrei sein.

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