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Diabetes: Warum Diabetiker im Job über ihre Erkrankung reden sollten

Diabetes

Warum Diabetiker im Job über ihre Erkrankung reden sollten

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    Viele verheimlichen am Arbeitsplatz, dass sie an Diabetes leiden.
    Viele verheimlichen am Arbeitsplatz, dass sie an Diabetes leiden. Foto: Gero Breloer, dpa (Symbolbild)

    Fabian Thümer pikst sich in den Finger und schaut auf sein Blutzuckermessgerät. Danach spritzt er sich Insulin. Seine Arbeitskollegen sitzen gleich nebenan. "Ich wollte mich auf der Arbeit nicht verstecken, nur weil ich Diabetes habe", erzählt der Zimmerermeister und Ausbilder aus Berlin.

    Die Kollegen reagierten verständnisvoll. "Warum spritzt du dich?", fragten sie. Andere wollten wissen, ob er noch an Baustellen und Maschinen arbeiten könne. "Manche befürchteten wohl, dass ich nun häufig ausfallen würde und sie mich ersetzen müssen", erklärt Thümer.

    Diabetes: Viele verheimlichen die Erkrankung

    Doch das ist nicht eingetreten. Heute gehen Thümers Kollegen ganz selbstverständlich mit seinem Diabetes um. "Inzwischen wollen manche sogar Ratschläge von mir für betroffene Freunde und Angehörige."

    Viele Menschen mit Diabetes verheimlichen ihre Erkrankung am Arbeitsplatz aber, weil sie fürchten, ihren Job zu verlieren. "Allein anhand der Diagnose Diabetes kann man aber nicht die beruflichen Risiken eines Betroffenen beurteilen oder gar auf eine Nichteignung schließen", sagt Kurt Rinnert, Leiter des Betriebsärztlichen Dienstes der Stadt Köln. Betroffene können nahezu jeden Beruf ausüben. "Mehrere Statistiken, etwa von Krankenkassen, belegen, dass Menschen mit Diabetes im Berufsalltag nicht mehr Arbeitsunfälle haben und auch nicht weniger leistungsfähig sind als andere."

    Diabetes kann zu Unterzuckerungen führen

    Während der Arbeit können bei Diabetikern allerdings gelegentlich Unterzuckerungen auftreten. Im Vorfeld fühlen sich die Betroffenen oft schlapp, sie schwitzen oder zittern, haben Heißhunger, Konzentrations- und Sprachprobleme oder sind leicht reizbar. "Diese Warnsymptome können sich im Laufe der Zeit aber dahingehend verändern, dass Betroffene nur noch ganz besondere Anzeichen wie eine kalte Nase wahrnehmen", sagt Rinnert.

    In Zukunft können sogenannte Closed-Loop-Systeme das Risiko einer Unterzuckerung noch weiter senken. Dabei sind eine Insulinpumpe und ein Sensor, der den Zuckerspiegel permanent misst, eng miteinander vernetzt.

    "Das führt dann bei zu niedrigem Blutzuckerspiegel dazu, dass die Insulinpumpe abgestellt wird, so dass der Blutzuckerspiegel wieder steigt", erklärt Rinnert. Solche Systeme sind klein und handlich und werden bereits erfolgreich getestet. "Ein verstärkter Einsatz kann in Zukunft dazu führen, dass Menschen mit Diabetes auch in bisher problematischen Bereichen arbeiten können."

    Diabetes: Wechselschichten sind für Diabetiker eine Herausforderung

    Das Risiko für Unterzuckerungen steigt bei Berufen, die mit starken körperlichen Belastungen einhergehen. "Problematisch ist auch, wenn keine Möglichkeit besteht, eine Pause zu machen, den Blutzucker zu messen und Traubenzucker einzunehmen", sagt Rinnert. "Etwa bei einem Feuerwehrmann auf einem Rettungseinsatz, weil er aufgrund der Hitze Schutzkleidung tragen muss und unter großem Zeitdruck steht."

    Auch Wechselschichten sind für Menschen mit Diabetes eine Herausforderung, weil sie dann zu unregelmäßigen Zeiten arbeiten, schlafen und essen. "Insulin hat zu unterschiedlichen Tageszeiten eine unterschiedliche Wirkung. Das macht es schwierig, die geeignete Insulinmenge zu ermitteln", erklärt Prof. Karsten Müssig von der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. In solchen Fällen helfen Insulinpumpen. "Mit ihnen kann man den Insulinbedarf genau anpassen, indem man ein Profil Tagschicht und ein Profil Nachtschicht hinterlegt."

    Bei Diabetes Insulin unmittelbar vor dem Essen spritzen

    Am Arbeitsplatz kann es zu Unterzuckerungen kommen, wenn sich Menschen mit Diabetes Insulin gespritzt haben und dann aber vom Essen abgehalten werden. "Zum Beispiel kommt der Chef kurz vor der Mittagspause mit einer dringenden Aufgabe ins Büro, oder auf dem Weg zur Kantine ergibt sich ein längeres Gespräch mit Kollegen", sagt Müssig. "Deshalb sollten sich die Betroffenen das Insulin am besten unmittelbar vor dem Essen spritzen, entweder direkt am Tisch, oder sie gehen kurz vorher auf Toilette."

    Wenn dennoch eine Unterzuckerung eintritt, sollten Betroffene sofort zu schnell wirksamen Kohlenhydraten greifen. "Das können Traubenzuckerplättchen oder ein Glas Orangensaft sein", rät Müssig. Nach rund zehn Minuten messen sie ihren Blutzuckerspiegel. "Um ihn stabil zu halten, sollten sie zusätzlich länger anhaltende Kohlenhydrate zu sich nehmen, zum Beispiel Vollkornbrot oder Obst."

    Diabetes am Arbeitsplatz ansprechen

    Manche können ihre Unterzuckerung aufgrund einer Wahrnehmungsstörung aber nur sehr spät oder gar nicht erkennen. "Gerade dann ist es wichtig, dass auch die Kollegen von dem Diabetes wissen, sodass sie auf die Symptome hinweisen oder Traubenzucker reichen können."

    Auch Thümer rät Betroffenen, ihren Diabetes von selbst anzusprechen: "In größeren Betrieben sollten sie zunächst den Personalrat und die Behindertenvertretung informieren - als Vorsorge, falls es am Arbeitsplatz Probleme geben sollte." Danach sprechen sie am besten mit ihren Vorgesetzten. Deren Sorge bestehe vor allem darin, dass die Diabetes-Erkrankung ihres Mitarbeiters haftungsmäßig auf sie selbst zurückfallen könnte. "Wenn man aber zeigt, dass man sich mit seiner Krankheit auskennt und auf Risiken vorbereitet ist, dann fühlen sich auch die Vorgesetzten und Kollegen sicherer." dpa

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