Die Infiziertenzahlen sind in den vergangenen Wochen wieder angestiegen. Die Politik musste zum Einhalten der Regeln mahnen und verschärfte die Strafen. Und doch will eines nicht so ganz zur Dramatik zu passen: Die Gesundheitsämter melden weniger Todesopfer als noch im Frühjahr. Auch die Zahl der schweren Corona-Verläufe bleibt gering.
„Wir haben derzeit immer mal wieder einzelne Patienten in Behandlung und auch auf der Intensivstation, aber in deutlich geringerem Umfang als Anfang des Jahres", sagt auch Reinhard Hoffmann, Direktor des Instituts für Labormedizin und Mikrobiologie am Universitätsklinikum Augsburg. Das könnte am Alter der Infizierten liegen. Aber auch an der Anzahl der Tests.
Zahl der Todesfälle durch Corona deutlich niedriger als im Frühjahr
Vergleicht man die gesamte Zahl an Todesfällen in den vergangenen Monaten mit den Jahren zuvor, zeigt sich: Im April lag die Zahl der Verstorbenen mit etwa 83.700 gut zehn Prozent über dem Durchschnitt der Vorjahre. Die Zahlen im Mai mit 75.600, Juni mit 71.700 und Juli mit 72.700 Gestorbenen entsprechen in etwa jenen der Vorjahre.
Hier schienen Maßnahmen wie Masken- und Abstandspflicht zu greifen, die nicht nur das Coronavirus in Schach hielten, sondern auch andere Krankheiten.
So zeigten etwa die Meldedaten zu Norovirus-Erkrankungen deutlich weniger Fälle pro Meldewoche als im vergleichbaren Zeitraum der Vorjahre. Auch die akuten Atemwegserkrankungen liegen laut RKI deutlich niedriger als in den Vorjahren. Und nicht zuletzt endete die vergangene Grippewelle überraschend abrupt und fiel mit elf Wochen im Vergleich zu den vorangegangen drei Saisons um mindestens zwei Wochen kürzer aus.
Ein Grund für die niedrigen Todeszahlen könnte das Alter der Infizierten sein
Warum jetzt die Todesfälle nicht steigen, wo sich doch wieder mehr Menschen infizieren, lässt sich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Reinhard Hoffmann sieht aber zwei mögliche Erklärungen. „Ein Effekt ist - und das ist wahrscheinlich der kleinere von beiden - dass sich jetzt ein anderes Kollektiv, eine andere Gruppe von Menschen infiziert. Mit den Reiserückkehrern scheinen es im Moment doch jüngere Leute zu sein.“
Das bestätigen auch die Zahlen des Robert-Koch-Instituts. Ende Mai waren noch 19 Prozent der bis dahin positiv getesteten Menschen über 70 Jahre alt.
Heute sind es heute noch 15 Prozent. „Es ist zwar nicht so, wie man Anfangs dachte, dass nur Ältere auf die Intensivstation kommen und beatmet werden müssen“, sagt Hoffmann. Es kann junge Menschen genauso treffen. „Aber die Wahrscheinlichkeit, dass man als junger Mensch schwer erkrankt, scheint doch niedriger zu sein."
Was die Zahl der Corona-Tests mit der Todesrate zu tun hat
Der zweite, aus Hoffmanns Sicht wohl einflussreichere Effekt, ist die Zahl der Tests. Deutlich mehr Menschen lassen sich auf Corona untersuchen. Auch solche, die gar keine Symptome haben. „Bei Covid 19 ist es ja wahrscheinlich gar nicht so selten, dass Menschen sich zwar infizieren, aber einfach nichts davon merken.“
Durch die höhere Anzahl an Test steigt die zwar die Zahl der positiv Getesteten, nicht aber zwangsläufig die Zahl der klinisch Erkrankten. „Was man machen könnte, wäre, dass wir uns von den Erkrankten die Sterblichkeit anschauen. Also nicht von denen, die positive Tests haben, sondern von denen, die wirklich was merken von der Erkrankung. Dies würde möglicherweise Zahlen liefern, die besser vergleichbar sind mit denen von Beginn der Pandemie, als ja auch hauptsächlich Patienten mit Symptomen getestet wurden."
Das Problem: Hier ist die Datenlage dünn. Was sich aber beobachten lässt: Unter denen, die aufgrund von Covid-19 in eine Klinik aufgenommen werden müssen, ist die Sterblichkeit hoch. Gut ein Fünftel der Corona-Patienten hat laut einer Studie nicht überlebt. Besonders hoch war die Sterblichkeit mit 53 Prozent bei Patienten, die beatmet wurden.
Das geht aus einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido), der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) und der Technischen Universität Berlin hervor. Insgesamt lagen der Untersuchung Daten von rund 10.000 Patienten zugrunde, von denen etwa 1700 beatmet wurden. Von den Krankenhauspatienten, die nicht beamtet wurden, starben 16 Prozent.
"Saisonalität" und Corona: Ob das Virus im Sommer weniger gefährlich ist, lässt sich nicht eindeutig sagen
Ein Grund der im Zusammenhang mit schweren Verläufen häufig angeführt wird: Das warme Sommerwetter sorge für eine bessere Funktion des Immunsystems, außerdem überlebten dabei wohl weniger Viren. Mediziner sprechen dabei von der „Saisonalität“.
Das könnte zwar eine mögliche Erklärung sein, beweisen lässt es sich aber kaum. „Ich glaube, es ist noch zu früh, um zu beurteilen, inwieweit das mit der Jahreszeit zusammenhängt“, sagt Hoffmann. Dafür müsse man die nächsten Jahre abwarten.
Denn: Das Bild wird verfälscht. „Wenn man sich die Kurve der Infektionen jetzt anschaut, könnte man ganz grob sagen, als der Sommer angefangen hat, sind die Infektionen zurückgegangen. Aber das hat in erster Linie nichts mit der Jahreszeit zu tun, sondern mit den Maßnahmen, die man getroffen hat.“
Außerdem passt diese Erklärung nicht zum Infektionsgeschehen, das sich in anderen Ländern beobachten lässt. „Wenn ich mir die Daten aus den USA anschaue, muss man ja sagen, ist es in deren Sommer erst richtig losgegangen“, sagt Hoffmann.
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