Cannabis auf Rezept soll denjenigen Patienten helfen, die unter chronischen Schmerzen leiden und bei denen herkömmliche Mittel versagen. Seit ein paar Wochen sollen Krankenkassen die hohen Kosten für Betroffene übernehmen. Doch sie können die Kostenübernahme auch ablehnen. Für Schwerkranke ist das ein Rückschlag. Viele sind zwischen Verwirrung und Hoffnung gefangen - wie positiv ist es wirklich, dass man Cannabis nun auf Rezept erhält?
Cannabis auf Rezept: Neues Gesetz hebelt alte Sondererlaubnis aus
Das sollten Sie über Cannabis wissen
Ausgangsquelle für Haschisch und Marihuana ist die Hanfpflanze "Cannabis sativa". Besonders stark konzentriert ist der Wirkstoff THC im Harz der Blüte, das als Haschisch konsumiert wird.
Marihuana ist eine Mischung aus getrockneten Blättern, Blüten und Zweigen.
"Hasch" wird geraucht, als Tee aufgebrüht oder in Nahrungsmitteln verarbeitet - gerne in Plätzchen.
Häufiger starker Konsum kann nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen zur psychischen Abhängigkeit führen.
Cannabis-Produkte werden seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt - manche Patienten dürfen Cannabis inzwischen legal verwenden.
Cannabis gehört nach dem deutschen Betäubungsmittelgesetz zu den illegalen Suchtmitteln. Besitz, Anbau und der Handel sind verboten.
Das Betäubungsmittelgesetz sieht Geldstrafen oder bis zu fünf Jahre Haft vor.
Beim Umgang mit "nicht geringen Mengen" - bei Haschisch und Marihuana 500 Konsumeinheiten liegt die Höchststrafe bei 15 Jahren.
Für "Gelegenheitskiffer" kennt das Gesetz die Untergrenze der "geringen Menge" zum Eigenverbrauch. Die Staatsanwaltschaft kann dann von einer Strafverfolgung absehen.
An welche Bedingungen Cannabis auf Rezept geknüpft ist, zeigt sich etwa in Patienten mit Morbus Crohn. Ein Beispiel dafür ist Andreas Dombrowski. "Ohne Cannabis zu leben, wäre der blanke Horror", sagt er und beugt sich auf seinem Stuhl nach vorne. Vor ihm auf dem Tisch steht eine kleine Plastikdose, daneben liegt ein Inhaliergerät. Als Dombrowski die Dose öffnet, steigt der süßliche Geruch getrockneter Cannabisblüten in die Luft. Illegal ist der Stoff nicht, er kommt aus der Apotheke.
Der 29-Jährige aus dem rheinland-pfälzischen Ingelheim leidet unter der chronischen Darmkrankheit Morbus Crohn und ist einer von rund 1.000 Menschen in Deutschland, die derzeit mit einer Sondererlaubnis Cannabis als Medizin konsumieren dürfen. Doch die Ausnahmegenehmigungen das Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) laufen demnächst aus. An ihre Stelle ist am 10. März ein neues Gesetz getreten, das es Ärzten ermöglicht, schwer kranken Patienten Cannabisarzneimittel ohne Sondererlaubnis zu verschreiben. Die Kosten für Cannabis auf Rezept soll die gesetzliche Krankenversicherung übernehmen.
"Die Idee an sich habe ich total begrüßt", sagt Dombrowski über Cannabis auf Rezept. Schließlich muss er seine Medikamente bisher aus eigener Tasche bezahlen. 850 Euro im Monat kostet den Auszubildenden das Cannabis in der Apotheke - deutlich mehr als auf dem Schwarzmarkt. Doch es gibt einen Haken: Die Krankenkasse muss das erste Rezept genehmigen. Und die habe zuletzt signalisiert, dass sie an der Wirksamkeit von Cannabis bei Morbus Crohn zweifle. "Da ist mir die Kinnlade runtergefallen", sagt Dombrowski.
Wann Kassen nicht für Cannabis auf Rezept zahlen
Nach der neuen Gesetzeslage dürfen Ärzte Cannabis nur dann verschreiben, wenn alternative Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Außerdem muss die Aussicht bestehen, dass Cannabis den Krankheitsverlauf positiv beeinflusst. "Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, im Gesetz einzelne Indikationen aufzuführen", sagt ein Sprecher der Barmer-GEK, bei der Dombroski versichert ist. Denkbar sei der Einsatz von Cannabispräparaten zum Beispiel bei Multiple Sklerose oder in der Palliativmedizin.
Zweifelt eine Krankenkasse an der Wirkung von Cannabis, kann sie den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit einem Gutachten beauftragen. Auch in Andreas Dombrowskis Fall ist eine solche Prüfung nicht unwahrscheinlich. Es liegen kaum Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis-Therapien bei Morbus Crohn vor", heißt es von Seiten der Barmer-GEK.
Für Dombrowski ist der Kampf um die Kostenübernahme von Cannabis auf Rezept die Fortsetzung seines Kampfes um ein Stück Lebensqualität. Die Geschichte seiner Krankheit beginnt, als er 14 Jahre alt ist. Er wird immer dünner und blasser, hat Darmbeschwerden und Durchfälle. Innerhalb kurzer Zeit magert er auf 46 Kilo ab. Schließlich die Diagnose: Morbus Crohn, nicht heilbar. Herkömmliche Medikamente wie Cortison helfen am Anfang. Doch die Dosis wird immer höher, und die Nebenwirkungen schlimmer.
Wenn nichts außer Cannabis hilft
Der heute 29-Jährige ist ein gründlicher Patient: Bevor er seine Krankheit zum ersten Mal auf eigene Faust mit Cannabis behandelt, liest er alles, was er zur Wirksamkeit der Hanfpflanze finden kann. Sein Arzt will von der Methode nichts wissen. Doch nach den ersten Cannabis-Versuchen stellt der Teenager fest: "Es geht nicht wieder los". Die Schübe bleiben aus. Für ihn bedeutet das: Kein Durchfall, keine Krämpfe, keine Schmerzen.
Cannabis auf Rezept wäre für Dombrowski die Rettung. "Es ist das einzige Medikament, das mir wirklich hilft", sagt er heute. Es dauert aber Jahre, bis er alle bürokratischen Hürden überwunden hat und das Bundesamt 2015 seinen Antrag auf eine Sondererlaubnis bewilligt. "Ich war ziemlich euphorisch", erinnert sich Dombrowski. Der Weg aus der Illegalität war da - bis zum März 2017. Für Dombrowski hat nun ein Wettlauf gegen die Zeit begonnen: Bis Juni gilt seine Sondergenehmigung für Cannabis, bis dahin will er die Krankenkasse mit seinem Antrag überzeugen. dpa/sh