Meterhohe Tsunamis, verheerende Erdbeben, Schockwellen und fliegende Trümmer: Was beim Einschlag eines Asteroiden auf der Erde passieren könnte, hat Hollywood in mehreren Filmen vorweggenommen. Gesteinsbrocken aus dem All mit einem Durchmesser von 1000 Kilometern wie im Katastrophenfilm "Armageddon" machen Wissenschaftlern aber keine allzugroßen Sorgen. "Diese Objekte kennen wir alle", beruhigt Detlef Koschny von der Europäischen Weltraumorganisation Esa. Von den sogenannten erdnahen Asteroiden, die weniger als einen Kilometer Durchmesser haben, sei dagegen nur etwa ein Prozent bekannt, sagt der Wissenschaftler vor dem internationalen Tag der Asteroiden am 30. Juni.
An diesem Datum verwüstete vor 110 Jahren ein Himmelskörper in Sibirien rund 2000 Quadratkilometer unbewohntes Gebiet - eine Fläche beinahe so groß wie das Saarland. Die Vereinten Nationen haben den Tag 2016 zum Welt-Asteroiden-Tag ausgerufen, um auf die potenzielle kosmische Bedrohung aufmerksam zu machen.
Vor fünf Jahren schlug überraschend ein Asteroid in der russischen Region Tscheljabinsk am Uralgebirge in der Erde ein. Etwa 1500 Menschen wurden verletzt und rund 7000 Gebäude beschädigt. Der gigantische Brocken aus dem All hatte einen Durchmesser von rund 20 Metern und ein Gewicht von 16.000 Tonnen, wie Koschny sagt. Das entspricht etwa 200 ICE-Zügen. Eine frühzeitige Warnung hätte Schlimmes verhindern können, sagt der Experte, der auch Dozent am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik der TU München ist. "Dabei hätte es schon gereicht, alle Fenster in den Gebäuden zu öffnen."
Viele Asteroiden kennt die Fachwelt gar nicht
Viele Asteroiden sind der Fachwelt gar nicht bekannt. "Je kleiner die Asteroiden sind, desto weniger kennen wir." Per Definition haben Asteroiden einen Durchmesser von mindestens einem Meter, kleinere Gesteinsbrocken heißen Meteoroide.
Um herauszufinden, wie viele Asteroiden es gibt, wo sie sind, und wann sie der Erde gefährlich nahe kommen, seien mehr Spezial-Teleskope notwendig. Ziel sei es, den ganzen Nachthimmel täglich abzuscannen, sagt Koschny.
Erst Mitte Juni legte die US-Raumfahrtbehörde Nasa zusammen mit anderen US-Behörden ein Strategiepapier vor, wie sich die USA besser auf den Einschlag von Himmelsobjekten vorbereiten könnten. Die Experten raten unter anderem, Möglichkeiten zu entwickeln, die Flugbahn der Gesteinsbrocken zu beeinflussen und Notfall-Protokolle für den Fall eines Einschlages zu entwickeln.
Die Esa will 2019 auf Sizilien ein ganz neues Teleskop aufbauen, das innerhalb von drei bis vier Nächten den Himmel absuchen kann. Damit das in einer Nacht geht, würden noch drei bis vier solcher Teleskope gebraucht. Die Kosten schätzt Koschny auf 10 bis 15 Millionen Euro pro Stück - "deutlich weniger als für eine Raumfahrtsmission". Derzeit gebe es zwei große Nachthimmel-Beobachtungsprogramme, die von den USA bezahlt würden. Jedes brauche jedoch drei Wochen, um am gesamten Himmel nach Asteroiden zu suchen.
Die größte Gefahr geht von diesen Asteroiden aus
Wie hoch schätzen die Wissenschaftler die Bedrohung aus dem Weltall ein? Vor rund 66 Millionen Jahren hat der Einschlag eines Asteroiden die Dinosaurier ausgelöscht. Sein Durchmesser betrug etwa 15 Kilometer. Ein solch gigantisches Himmelsobjekt treffe nach wissenschaftlichen Berechnungen alle 10 Millionen bis 100 Millionen Jahre auf die Erde, sagt Koschny. Bei einem Durchmesser von nur zehn Metern sind es dagegen alle 10 bis 100 Jahre.
Die größte Gefahr der bekannten Objekte aus Stein und Eisen gehe von "2010 RF12" aus - einem Asteroid mit geschätzt zehn Metern Durchmesser. Er werde voraussichtlich im September 2095 - also in 77 Jahren - auf die Erde einschlagen, mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 16. Bei der Größe sei allerdings nicht mit sehr großen Schäden zu rechnen. Wichtig sei es, "Apophis" im Auge zu behalten, der schon in neun Jahren an der Erde vorbei fliegen werde - und zwar so nah, dass er mit bloßem Auge zu erkennen sein sollte.
Die Nasa zählt "Bennu" zu den gefährlichsten der derzeit bekannten Asteroiden. Der schwarze Riesenbrocken mit einem Durchmesser von etwa 500 Metern könnte 2135 der Erde mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 2700 gefährlich nahe kommen, heißt es.
Erst wenn ein Asteroid nachweislich dreimal um die Sonne gelaufen ist, darf ihm der Entdecker einen Namen geben. "Apophis" ist nach dem altägyptischen Gott benannt, der für Finsternis und Chaos steht. (dpa)