Erstmal einsteigen und die Fahrkarte später beim Schaffner kaufen - das müssen sich kurzentschlossene Bahnkunden abgewöhnen. Vom nächsten Jahr an werden keine Papier-Fahrkarten mehr in Fernzügen verkauft. Wer dann noch spontan einsteigt, muss sein Ticket schnell am Laptop oder Handy buchen, zehn Minuten bleiben dafür nach der Abfahrt. Die Bahn verlegt damit eine weitere Dienstleistung ins Internet. Zugbegleiter haben kein gutes Gefühl dabei - Fahrgastvertreter dagegen schon.
Bordzuschlag für Fahrkartenkauf im Zug liegt aktuell bei 17 Euro
"Kein großer Verlust", heißt es beim Fahrgastverbande Pro Bahn. "Nach unserer Beobachtung nutzen das vor allem Geschäftsleute, denen es auf das Geld nicht ankommt und die zwei Handys dabei haben", sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. Diese Kunden könnten problemlos online nachlösen. Die meisten übrigen Kunden buchten frühzeitig, weil sie die sogenannten Spar- und Supersparpreistickets wollen.
Denn wer an Bord bucht, bekommt nur noch den vergleichsweise teuren Flexpreis. Plus 17 Euro Bordzuschlag. 2016 lag der Zuschlag noch bei 7,50 Euro. Die Bahn erhöhte die Gebühr jedoch bewusst, um den Kauf beim Schaffner zurückzudrängen, wie die Verantwortlichen damals erklärten. Fahrgäste sollten mehr Handy-Tickets buchen und Zugbegleiter mehr Zeit für den Service bekommen.
"Der Ticketkauf an Bord soll einfacher, preiswerter und digitaler werden", warb die Bahn am Dienstag. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft hält die Entscheidung jedoch für falsch. "Wir haben immer für ein offenes System plädiert, das Reisenden im Fernverkehr spontan die Möglichkeit eröffnet, den Zug als ideales Verkehrsmittel zu wählen", betonte die Gewerkschaft. Die Bahn verwies auf die Erweiterung beim Online-Ticket, die schon ab April 2021 gilt. "Es wird auch weiterhin für spontan Reisende im Fernverkehr die Möglichkeit geben, noch im Zug ein Ticket zu kaufen."
Bahn-Gewerkschaft kritisiert Digitalisierung bei spontanem Fahrkartenkauf
Nach Bahn-Angaben wurden in den vergangenen Jahren stets weniger als ein Prozent der Fahrkarten im Zug verkauft. Im Nahverkehr der Deutschen Bahn und in der S-Bahn müssen Fahrkarten ohnehin vor der Fahrt gelöst werden. Nur bei Bahn-Konkurrenten im Regionalverkehr gibt es den Kauf beim Schaffner teilweise noch.
"Das kostet viel Zeit, die für andere Service-Aufgaben fehlt", sagte Fahrgastvertreter Naumann. "Fragen etwa zu Anschlusszügen zu beantworten ist wichtiger, als Tickets zu verkaufen."
Pro Bahn verlangt aber eine Rückfallebene für den Fall, dass der Kauf online oder am Automaten nicht funktioniert. "Wir fordern, dass der Zugbegleiter dann die Daten aufnimmt und die Bahn später eine Rechnung schickt" - ohne "erhöhtes Beförderungsentgelt", versteht sich.
Für Fahrgäste entfällt mit dem Kauf der Karte beim Schaffner ein weiterer Routine-Kontakt zum Personal. Schon seit einiger Zeit können sie sich mit dem sogenannten Komfort-Check-in selbst im Zug anmelden und die Kontrolle des Handy-Tickets vermeiden. Vor der Corona-Krise wurde etwa jede zweite Fahrkarte online gekauft.
Die Gewerkschaft forderte eine breite Kampagne über die Änderung. Alle Fahrgäste müssten frühzeitig und umfassend informiert werden. Denn sonst seien Konflikte zu befürchten, wenn ahnungslose Fahrgäste nach dem Stichtag noch beim Zugpersonal nachlösen wollten. (Von Burkhard Fraune, dpa)
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